Im Fantasy-Markt sind deutsche Autoren gefragte Stars. Das Fantasy-Portal WerkZeugs hat auf der Leipziger Buchmesse einen Gemeinschaftsstand von 16 deutschen Fantasy-Verlagen organisiert und kooperiert auch mit der Mayerschen Buchhandlung. Mitgründerin Tanja Karmann zeigt Wege, wie Fantasy auch im Sortiment ankommen kann.
Frau Karmann, Sie kommen fast direkt von der Role Play Convention in Köln. Sollte sich, wer Fantasy-Literatur im Sortiment verkaufen will, mit Rollenspielen auseinandersetzen?
Jeder Buchhändler, der fantastische Literatur im Programm hat, sollte zumindest ein paar prinzipielle Kenntnisse haben. Man muss sicher nicht schon mal selbst als Ork kostümiert im Wald herumgesprungen sein, aber man sollte doch wissen, welche aktuellen Filme, Rollenspiele oder Musik-Bands es gerade auf dem Markt gibt. Das hilft nicht nur im Kundengespräch, sondern auch schon bei der Warenpräsentation.
Seit 2010 werden Ihre Produkte in der Mayerschen verkauft. In Anlehnung an eines Ihrer T-Shirts: Geht Hardcore Mainstream?
Die fantastische Literatur ist zwar mittlerweile akzeptierter als früher, „Mainstream“ wird sie aber noch lange nicht. In unserer Kooperation mit der Mayerschen Buchhandlung hat sich unsere eigene Erfahrung von Messen bekräftigt: Umsätze entstehen nicht von selbst. Vielleicht mehr noch als in anderen Segmenten ist es nötig, den Leser bei der Wahl des richtigen Buches zu beraten. Wer Kai Meyers „Arkadien erwacht“ mochte, wird Oliver Plaschkas „Die Magier von Montparnasse“ eher lieben als „Flügelschlag“ von Jeanine Krock. Wer aber den Zwergezyklus von Markus Heitz gelesen hat, lässt sich sicher auch für die „Trolle“ von Christoph Hardebusch begeistern.
Sie haben auf der Leipziger Buchmesse für 16 deutsche Fantasy-Verlage einen Gemeinschaftsstand organisiert und sich auch am Programm der Leseinsel beteiligt. Wie ist die Rückmeldung?
Die Idee entstand bei unserer ersten Beteiligung an der Leipziger Buchmesse 2009. Wir hatten den Eindruck, dass die Leseinsel noch viele Möglichkeiten zur Optimierung bot: Zum damaligen Zeitpunkt hatten die Vortragenden weder eine konkrete Anlaufstelle noch die Garantie, dass ihre Bücher vor Ort verkauft wurden. Heute versuchen wir, mit dem Leseprogramm eine gesunde Mischung aus „alten Stars“ und „neuen Talenten“ der Szene zu bieten, kümmern uns darum, dass die passenden Titel während der kompletten Messezeit angeboten werden.
Geht die Strategie auf?
Die meisten Verlage haben ja traditionell ihre großen Stände in einer der anderen Hallen, das Fantasy-Programm wird dort meist aus Platzgründen etwas stiefmütterlich behandelt. Backlisttitel können so gut wie gar nicht ausgestellt werden. Das Konzept wurde von den Besuchern mehr als begeistert aufgenommen, manche verbrachten mehrere Stunden an unserem Stand. Wir gehen aufgrund der Rückmeldungen der Verlage davon aus, dass nahezu alle Beteiligten im nächsten Jahr wieder mit dabei sind, plus einige weitere Interessenten.
Wie erreichen Verlage und Sortimenter den Fantasy-Leser am besten?
Sprechen wir von Lesern, die die fantastische Literatur bereits für sich entdeckt haben, sind das Internet und Social Networks wie Facebook sicher eine wichtige Plattform. Neue Projekte beziehen den User aktiv mit ein, etwa durch die Wahl eines Covermotivs oder sogar die Möglichkeit, auf das Geschehen in einem Roman Einfluss zu nehmen. Beispiele sind hier Elisabeth Georges „Whisper Island“ (Ink) oder Christoph Hardebuschs „Smart Magic“ (Heyne).
Was kann der Handel tun?
Unserer Erfahrung nach sind zwei Dinge wichtig, um den Fantasy-Fan zu erreichen: Das ist zum einen der Kontakt zum Autor, etwa durch Lesungen, Signierstunden oder andere Aktionen, bei denen das traditionelle Verhältnis von Kommunikator und Rezipient aufgebrochen wird. Zudem müssen nicht nur Lesungen, sondern auch der Buchkauf zum Erlebnis werden, und sei es durch eine besondere Art der Präsentation. Hier ist Kreativität gefragt! Auch Leser, die normal nicht zur fantastischen Lektüre greifen, können für dieses Genre begeistert werden.
Wird das immer umgesetzt?
Bei der Präsentation im Sortiment gibt es deutliches Optimierungspotenzial. Die meisten Buchhandlungen verstecken Fantasy-Titel steril und lieblos im hinteren Ladenbereich oder in oberen Stockwerken. Dies ist jedoch für den Fantasy-Fan wenig ansprechend. Interessant wäre dazu die Frage, ob sich die Genregrenzen nicht aufbrechen lassen: Muss Fantasy-Literatur gebündelt an einem Platz stehen? Oder könnte man „Ich bin kein Serienkiller“ von Dan Wells nicht auch mal neben Titeln von Cody McFadyen, Simon Beckett oder Sebastian Fitzek präsentieren? Unsere Erfahrungen zeigen zudem, dass sich unter den Fantasy-Lesern viele Bibliophile befinden, die bereit sind, für Bücher mit außergewöhnlicher Ausstattung auch mal etwas mehr Geld auszugeben. Diesen Fakt sollten stationäre Buchhandlungen unbedingt ausnutzen, um einen Kontrast zu Online-Händlern zu bilden: Bei Amazon und Co kann man eben noch immer kein Buch in die Hand nehmen.
Wie entwickelt sich der Fantasy-Markt?
Unter den zuvor angesprochenen Aspekten sehen wir im Fantasy-Markt großes Steigerungspotenzial, wenn auch sicher kein einfach umzusetzendes. Thematisch gesehen werden meiner Einschätzung nach die Bereiche „Dunkle Spannung/Mystery“ sowie „Contemporary Fantasy“ weiterhin starken Zulauf haben. Als weiteres wichtiges Subgenre ist das Thema „Steampunk“ in seinen verschiedenen Varianten zu sehen, wie es derzeit unter anderem durch den Mannheimer Verlag „Feder & Schwert“ präsentiert wird. 2012 erwarten wir bedingt durch die Verfilmung des „Hobbits“ einen erneuten Schub für die klassische Völker-Fantasy.
Die Fragen stellte Lutz Obelgönner
Das komplette Interview und mehr zum Schwerpunkt-Thema Fantasy & Science Fiction lesen Sie im buchreport-magazin 6/2011, das Sie hier bestellen können.
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