Die europäischen Mühlen mahlen langsam, aber immerhin drehen sie sich. Im vergangenen Jahr diskutierte das EU-Parlament über ein Gesetz für digitale Märkte, das sich vor allem an große Plattformen richtet und einen Rahmen bieten soll für Online-Vermittlungsdienste, soziale Netzwerke, Suchmaschinen, Betriebssysteme, Online-Werbedienste, Cloud-Dienste und Videoplattformen.
Nun ging es im EU-Parlament um das Gesetz für digitale Dienste und damit dem Digital Services Act (DSA). Mit diesem „Plattform-Grundgesetz“ sollen große Internet-Plattformen bei der Informationsverarbeitung und Verbraucher-Sicherheit verstärkt in die Pflicht genommen werden.
An diesem großen Thema wird seit dem kommerziellen Durchbruch des Internets gearbeitet. Die E-Commerce-Richtlinie, die seit Mitte 2000 den elektronischen Handel regelt, erfüllt in vielen Bereichen nicht mehr die Anforderungen der heutigen Online-Welt. Mit dem DSA soll ein wichtiges Update erfolgen. Das EU-Parlament gab nun auch offiziell den Startschuss für die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten, wo die Richtlinien dann definiert und später umgesetzt werden.
Im Kern geht es um folgende Themen:
- Regelwerk für den Umgang mit illegalen Waren, Diensten oder Inhalten und ggf. deren Entfernung – mit Ausnahmen für kleinere Handelsplattformen
- Deutlichere Regeln für Online-Werbung, u.a. ein Verbot der Datennutzung Minderjähriger für Werbung sowie klare Grenzen für gezielte Werbung auf Grundlage sexueller Orientierung, ethnischer Herkunft oder politischer Haltungen
- Größere Transparenz für Kunden und Nutzer, welche ihrer Daten wirtschaftlich genutzt werden, aso das Thema Tracking/Cookies
- Schadenerstz für Kunden und Nutzer durch Plattformen, wenn durch mangelnde Sorgfaltspflicht der Anbieter Schäden entstehen
- Mehr Transparenz und Auswahl bei der Nutzung von Algorithmen, mit denen Rankings erstellt werden
- Anonyme Nutzung von digitalen Inhalten
Wie das Magazin „Heise“ schreibt, nenne Christel Schaldemose, die Verhandlungsführerin des EU-Parlaments, den DSA einen „neuen Goldstandard für digitale Regulierung“. Schaldemose weiter: „Endlich die Dinge, die offline illegal sind, auch online illegal machen“ sei das Ziel und Ergebnis der bisherigen Verhandlungen.
Erste Reaktionen aus verschiedenen Verbänden und Interessengruppen fallen im Grundsatz positiv aus, aber im Detail gibt es viel Gesprächsbedarf.
Börsenverein begrüßt Parlamentsbeschluss zum Digital Markets Act
Der Europäische Verlegerverband (FEP) begrüßt zwar die Stoßrichtung – schließlich seien Verlage selbst oft Opfer illegaler Inhaltenutzung, wie es in einer Mitteilung heißt. Doch habe das EU-Parlament zugleich eine Chance vertan, durch schärfere Formulierungen und Regeln die Durchsetzung des Urheberrechts einfacher zu machen.
Positiv bewertet der FEP, dass der Grundsatz „Know your Business customer“ einen breiten Eingang gefunden habe. Mit dem Grundsatz sollen und können Unternehmen ihre Kunden identifizieren und verifizieren und so möglichen Missbrauch verhinden.
Man fordere nun die verschiedenen Gesetzgeber auf, das Regelwerk so auszubalancieren, dass der digitale Binnenmarkt endlich aus dem „Wilden Westen“ herausgeholt werden könne, so Verbandsschef Peter Kraus vom Cleff.
Auch die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) begrüßt die Haltung des EU-Parlaments im Grundsatz ebenfalls, bedauert aber, dass sich das Parlament nicht zu einem vollständigen Verbot von „Überwachungswerbung“ habe durchringen können. So sei auch künftig Manipulation oder Desinformation möglich.
Aus dem buchreport-Archiv:
Kommentar hinterlassen zu "Digital Services Act: EU-Parlament nimmt Online-Plattformen in die Pflicht"