Wie gut ist die Medienindustrie hinsichtlich digitaler Kompetenz heute aufgestellt? Wie zufrieden sind Branchenvertreter derzeit mit der digitalen Kompetenz ihrer Mitarbeiter? In welchen Unternehmensbereichen und -ebenen bedarf es mehr digitaler Kompetenz? Was wird getan, um den Bedarf an digitalen Kompetenzen zu decken? Diese und weitere Fragen stellten die Management-Berater von Apenberg & Partner zum wiederholten Mal Führungskräften und Personalentscheidern der deutschsprachigen Druck- und Verlagsbranche – und warten zusätzlich auf mit einer für HR-Zwecke praktisch verwendbaren Definition von „digitaler Kompetenz“. Ergebnis: Der Mangel ist chronisch. Der HR-Channel von buchreport.de bringt die „Lowlights“ der Untersuchung.
Auch im Jahre 2017 – vier Jahre nach der ersten Branchenanalyse von Apenberg & Partner zum Thema „Print goes Digital“ – gibt es erst vereinzelt digital hochkompetente Mitarbeiter in den Betrieben. Natürlich sind sich die Branchenvertreter nach wie vor einig: Digitale Kompetenzen ihrer Mitarbeiter sind heute und auch in Zukunft äußerst erfolgsentscheidend, vor allem für die Management-, aber auch die operativen Senior- und Junior-Ebenen.
„Digitale Kompetenz“ gilt heute als eine der acht Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen und ist unverzichtbar, um Teil unserer zunehmend digitalen Gesellschaft zu sein. Sie umfasst alles technologiebezogene Wissen und alle Fähigkeiten, um in einer digitalen Gesellschaft zu leben, zu lernen und zu arbeiten, das heißt, mit Hilfe digitaler Systeme die Herausforderungen der Gesellschaft, in Arbeits- wie Lebenswelt, selbstorganisiert und kreativ zu meistern.
Laut Europäischer Union umfasst „Digitale Kompetenz“ fünf Bereiche:
- Informations- und Datenverarbeitung
- Content-Erstellung
- Kommunikation im digitalen Raum
- Problemlösung mittels passender Digitaltechnologie sowie bei deren Anwendung selbst
- Bewusstsein für Gefahren der Internetnutzung sowie Einsatz passender Sicherheitsmaßnahmen
Was diesen Benchmark hinsichtlich aktuell vorhandener Digitalkompetenzen betrifft, sieht die Mehrheit der Befragten das eigene Unternehmen zumindest gleichauf mit seinen wichtigsten Branchenwettbewerbern. Allerdings gibt es deutliches Verbesserungspotenzial, was daraus hervorgeht, dass die Branchenvertreter in ihrer Bewertung eher Note 2 und 3 wählten, und nur maximal jeder zehnte Teilnehmer zu Note 1 griff.
Nachwuchs hui – Seniors pfui
Dabei lagen – aus der Sicht der befragten Manager und Personaler – die Geschäftsführer aus der Druckindustrie im Ranking der Bestnoten (1 bis 2) vorne, gefolgt von ihren Mitarbeitern auf Junior-Ebene. Im Verlagswesen hingegen gab es keine Medaillenplätze für das Management: Mit deutlichem Abstand wurden hier der Unternehmensnachwuchs sowie temporäre Arbeitskräfte als derzeit „digital am kompetentesten“ eingestuft.
- Mindestens 72% der Verlagsteilnehmer bewerteten die digitale Kompetenz des Top-Managements bis zur Junior-Ebene als hoch bis sehr hoch relevant und erwarten entsprechend auch einen stärkeren Bedarf für die Zukunft (zwischen 75 und 90%), besonders für das Mittlere Management (90%).
- Etwas geringer fielen die Bewertungen für die Trainees und Auszubildenden sowie temporären Arbeitskräfte aus.
- Unabhängig von der Ebene schätzten jedoch jeweils weniger als 5% der Teilnehmer das aktuelle digitale Kompetenzniveau in ihrem Unternehmen als sehr gut ein, es überwogen gute und befriedigende Einstufungen.
In den Verlagen macht sich ein Generationsunterschied bezüglich der digitalen Kompetenzen bemerkbar:
- Während der Nachwuchs glänzt, fehlt es an digitalem Know-how in den strategischen und Senior-Positionen.
- So zeigt sich, dass Verlagsteilnehmer, welche digitale Kompetenz aktuell als relevant bis sehr relevant eingestuft haben, vor allem an ihre Nachwuchs- und temporären Arbeitskräfte Bestnoten vergaben (insgesamt zwischen 78 und 82%).
- Die Management- und Senior-Ebenen bekamen hingegen von weniger als der Hälfte der Teilnehmer eine gute bis sehr gute Bewertung, das Top- und Mittlere Management sogar vereinzelt ein „mangelhaft“.
Auch im Vergleich der kleineren, mittelständischen und größeren Teilnehmerunternehmen waren die Nachwuchskräfte im Rennen um die Bestnoten vorn, nur die mittelständischen Unternehmen sahen auch ihre Geschäftsführung auf einem oberen Rang. Während der Nachwuchs glänzte, kamen die Seniors durchweg nur auf hintere Plätze – unabhängig von Branche und Unternehmensgröße.
»Geht es ein wenig kompetenter?«
Mit Blick auf die Kompetenzen in den einzelnen Fachbereichen erscheint es der gesamten Medienbranche wichtig, dass insbesondere die Mitarbeiter aus Vertrieb, Marketing und Kommunikation digital kompetent sind, außerdem in den Druckereien die Abteilungen der Druckvorstufe und Produktionsplanung, in den Verlagen die Online-Redaktionen und Geschäftsführungsebenen. Für die Verlage erscheint digitale Kompetenz noch erfolgsrelevanter als für die Druckereien, besonders in den Online-Redaktionen, aber auch in dieser Branche für die Mitarbeiter im Bereich Vertrieb, Marketing und Kommunikation sowie in der allgemeinen Unternehmensführung.
Mehrheitlich wird auch ein verstärkter Kompetenzbedarf für die Zukunft gesehen, im Redaktionsbereich sowohl für Online als auch für Print. Aktuell fehlt es den Verlagen jedoch weithin noch an sehr guten digitalen Kompetenzen. Diese sind bisher nur deutlich in den Online-Redaktionen (21%) und in Versand und Logistik (24%) zu finden. Ansonsten überwiegen auch hier gute bis befriedigende Kompetenzbewertungen in den verschiedenen Fachbereichen.
Digitale Mitarbeiter-Kompetenz steigern: was die Medienwirtschaft tut
Aktuell gibt es also noch relativ wenige Branchenunternehmen, die sich aufgrund der herausragenden Kompetenzen ihrer Mitarbeiter entspannt zurücklehnen und auf die Zukunft warten können. Was also tun, um den hohen Bedarf an digitaler Kompetenz zu decken? Und wo stecken gegebenenfalls die Schwierigkeiten?
Zur Deckung des Bedarfs an digitalen Kompetenzen setzen Branchenbetriebe heute vorrangig Personalentwicklungsmaßnahmen ein (34% setzen diese immer, 63% zumindest gelegentlich ein) und schreiben diesen im Maßnahmenvergleich auch die größte Effektivität zu. Wenngleich die Unternehmen am wenigsten die Dienste von Freelancern nutzen, schätzen sie diesen Weg der Kompetenzbeschaffung als ebenso effektiv, wenn nicht sogar als effektiver ein als die Rekrutierung externer Kandidaten zur Festanstellung.
Verloren im »War for Talents«?
Die Branche hat mit verschiedenen klassischen Recruiting-Problemen zu kämpfen, die sich durch den Wettbewerb mit größeren und namhafteren Unternehmen in, aber auch außerhalb der Branche ergeben.
Jedoch ist es vor allem die fehlende digitale Kompetenz der externen Kandidaten, welche eine zufriedenstellende Deckung des Kompetenzbedarfs erschwert:
- Mangelnde digitale Kompetenzen und zu hohe Gehaltsforderungen der tatsächlich interessanten Kandidaten sowie der „War for Talents“ mit namhaften Wettbewerbsunternehmen sind die größten Schwierigkeiten, wenn es um das Recruiting digital kompetenter Kandidaten geht.
- Knapp ein Drittel der Teilnehmer gibt zu, dass sie selbst nicht beurteilen können, ob die Bewerber passende digitale Kompetenzen besitzen.
- Im „War for Talents“ sind oft das Renommee der Wettbewerbsunternehmen sowie die dortigen besseren Gehälter und Entwicklungsmöglichkeiten ausschlaggebend für die interessanten Bewerber, zur Konkurrenz zu gehen.
- Eine gegebenenfalls fehlende Flexibilität der Arbeitsgestaltung scheint hingegen ein geringeres Problem für die befragten Unternehmen zu sein, wenn es um die Mitarbeitergewinnung geht, ebenso wenig wie fehlendes Know-how bezüglich passender Kandidatenprofile und Recruitingwege.
- Auch der Einsatz von Personalberatern und Headhuntern zur externen Suche und Ansprache von passenden digitalen Talenten scheint aus finanzieller Sicht nicht das Problem zu sein.
Beim Thema Mitarbeiterentwicklung im Bereich digitaler Kompetenzen fehlt es derzeit noch an bedarfsgerechten und bezahlbaren Angeboten. Um eigene Personalentwicklungs-Maßnahmen zu entwickeln, haben sie jedoch nicht das notwenige Budget und Know-how. Zudem stellt die Freistellung der Mitarbeiter für Weiterbildungszwecke ein grundsätzliches Problem dar, das auch andere, durch KMUs geprägte Branchen kennen: Personalkosten sollen möglichst klein bleiben, weshalb der Geschäftsbetrieb in der Regel mit zu wenig Personal aufrecht erhalten wird. Die Mitarbeiter sind entsprechend voll ausgelast oder gar überlastet und keinesfalls entbehrlich, um an Weiterbildungen teilzunehmen. Weniger problematisch erscheint laut den Teilnehmern hingegen die Einschätzung, welches digitale Know-how im Einzelnen für das eigene Unternehmen aktuell und in Zukunft von Bedeutung ist
Auch bei der Frage nach dem favorisierten Vorgehen zur Deckung des Bedarfs an digitalen Kompetenzen – vorausgesetzt, es sind ausreichend finanzielle, materielle und personelle Ressourcen vorhanden – wählten die Teilnehmer vorrangig PE-Maßnahmen, wobei externe Weiterbildungsangebote bevorzugt wurden, anstatt eigene Maßnahmen zu entwickeln.
Weitere Ansätze waren dem allgemeinem Kompetenz- und Wissensmanagement zuzuordnen. Dazu zählten die spezifische Studenten- und Nachwuchsförderung sowie die Etablierung von unternehmenseigenen Innovationspools und angeleiteten Projektteams aus Mitgliedern mit unterschiedlich stark ausgeprägten digitalen Kompetenzen. Hierdurch soll das digitale Know-how im Unternehmen vergrößert und durch eine offene Wissenskultur möglichst vielen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden.
Außerdem wurde eine Verbesserung von Unternehmensstrategie und -prozessen als Lösungsansatz für den noch unzureichenden Bestand an digitalen Kompetenzen genannt, idealerweise unterstützt durch erfahrene Branchenberater und Investitionen in neue Technologien.
Wie Medienbetriebe Mitarbeiterkompetenzen managen
Ergänzend zu den bisherigen Ergebnissen gibt die Studie einen Überblick über die allgemeinen Maßnahmen der Branchenunternehmen im Bereich Personalauswahl und -entwicklung. Die Teilnehmer hatten die Aufgabe, sowohl die Häufigkeit der Nutzung als auch die Effektivität der vorgegebenen Maßnahmen zu bewerten.
- Die Teilnehmer nutzen zur generellen Kandidatenrekrutierung vor allem die eigene Website sowie Online-Jobportale, wie heute üblich, und schreiben diesen auch die größte Effektivität zu.
- Auch die Schaltung von Printanzeigen wird offenbar weiterhin häufig zur Personalrekrutierung genutzt und auch als effektiv eingestuft wird, noch vor Social Media-Kanälen wie Xing, LinkedIn, Facebook und Twitter.
- Unter den Recruitingmöglichkeiten, die als „sehr effektiv“ betrachtet werden, nimmt die Kandidatensuche durch Personalberater und Headhunter den dritten Platz ein. Trotzdem werden diese Dienstleister nur vergleichsweise selten beauftragt, von knapp der Hälfte der Befragten gelegentlich, und von weniger als 5% für jede Vakanz.
Mehr zum Thema Personalmanagement und -führung lesen Sie im HR-Channel von buchreport und Channel-Partner Bommersheim Consulting. Hier mehr…
Die befragten Unternehmen setzen heute in Sachen Personalentwicklung vorrangig auf eine finanzielle Unterstützung der eigenen Weiterbildungsbestrebungen ihrer Mitarbeiter und halten diese zu großen Teilen auch für sehr effektiv. Die gelegentliche Maßnahmennutzung miteinbezogen, werden ebenso häufig Präsenzseminare und Workshops genutzt, wenngleich sie bei der Effektivitätsbewertung nur auf einen der hintereren Plätze kommen. Hier liegen unternehmenseigene Nachwuchs- und Führungskräfteprogramme noch knapp davor. Zudem geben doppelt so viele Teilnehmer an, dass sie derartige Programme immer nutzen würden. Am effektivsten schätzen die Branchenvertreter Coaching und Mentoring ein, regelmäßig eingesetzt werden diese Maßnahmen jedoch bisher nur in einem Zehntel der Teilnehmerunternehmen.
Digitalität in der Personalentwicklung: unterentwickelt
Was digitale Lernmethoden wie Webinare, Online-Tutorials und E-Learning-Plattformen betrifft, ist die Branche noch weit von einer flächendenkenden Nutzung entfernt. Entsprechend erhielten diese E-Tools auch bei der Effektivitätsbeurteilung nur die letzten Plätze.
Eine der Fragen, die an dieser Stelle offenbleibt, ist, ob die Mitarbeiter selbst häufiger zu einem E-Learning-Angebot greifen würden, wenn dieses von ihrem Unternehmen angeboten würde. Entsprechend würden die Nutzungsvorbehalte vorrangig seitens der Unternehmens- und Personalentscheider bestehen. In diesem Fall lohnt es zu prüfen, ob sich nicht gerade die Weiterqualifizierung von digitalen Kompetenzen durch heute vielfältig vorhandene digitale Lernformate günstig realisieren ließe. Neben dem Kostenfaktor spricht auch die bessere Integrierbarkeit von E-Learning-Formaten in den Arbeitsalltag für eine genauere Untersuchung der bisherigen Nutzungsbarrieren.
Zur Methodik der Umfrage »Print Goes Digital 2.0«
Die Umfrage war im Zeitraum vom 8. Februar bis zum 6. März 2017 online verfügbar und konnte über einen Link auf der Unternehmenswebsite von Apenberg & Partner (www.apenberg.de) gestartet werden.
Die Teilnehmerrekrutierung erfolgte über ein elektronisches und ein postalisches Mailing, wobei insgesamt 2.334 Führungskräfte und Personalentscheider der beiden industrien im gesamten deutschsprachigen Raum über die Online-Studie informiert wurden. Zusätzliches Marketing erfolgte via Pressemitteilungen sowie die Nutzung von Social Media Kanälen wie Xing, LinkedIn und Twitter.
Projektleiterin und Beraterin Henriette Pfeifer von Apenberg & Partner konnte schließlich 95 valide ausgefüllte Fragebögen auswerten.
Der Großteil der Teilnehmer (78%) stammt aus Unternehmen mit unter 250 Mitarbeitern, davon 39% sogar aus Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern (20% mit unter 20 Mitarbeitern, 19% zwischen 20 und 49 Mitarbeitern).
Bei den Teilnehmern aus der Druckindustrie waren es sogar 86%, die unter 250 Mitarbeiter hatten, davon 44% unter 50 Mitarbeiter. Im Teilnehmerfeld des Verlagswesens stammten knapp 60% aus Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern (28 % weniger als 50 Mitarbeiter).
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