Die Frankfurter Buchmesse und buchreport zeigen in einer Serie interessante Geschäftsmodelle der Buchbranchen weltweit. Nach China und Deutschland richtet sich der Fokus auf Großbritannien: Stephanie Duncan, Digital Media Director bei Bloomsbury, erklärt, wie sie Bücher im JPEG-Format lizenziert.
Bibliotheken haben von Verlagen selbstverständlich schon lange digitale Serviceleistungen auf Abonnementbasis erhalten. Fairerweise muss man aber sagen, dass der Großteil dieser Leistungen von Verlagen kam, die Fachliteratur oder Nachschlagewerke anbieten. Bloomsbury Library Online ist die erste gezielte Initiative eines britischen Publikumsverlags, Bibliotheken mit digitalen Inhalten zu beliefern.
Gerade in Zeiten knapper Budgets bietet das Modell den Bibliotheken einen einzigartigen und kostengünstigen Weg, mehr Menschen zu erreichen. Es ist ziemlich einfach: Die Bibliotheken abonnieren digitale „Regalbretter“ mit jeweils zehn bis fünfzehn Bloomsbury-Büchern. Für ein Jahresabonnement berechnen wir 100 britische Pfund pro 100000 Einwohner der jeweiligen Gemeinde, mindestens jedoch 250 Pfund pro Regalbrett.
Derzeit haben wir eine ganze Reihe verschiedener Regale im Angebot, etwa unser Programm für Lesegruppen mit Titeln wie Kate Summerscales „Der Verdacht des Mr Whicher“, „Verglühte Schatten“ von Kamila Shamsie und „Das Glücksversprechen“ von Justin Cartwright. Es gibt aber auch Regale mit Jugendliteratur, historischen Kinderbüchern, englischer Geschichte oder Umweltthemen. Und wir erweitern das Programm stetig – demnächst um internationale Literatur, Preisträger, Spannungsliteratur, Sportbücher und Shakespeare. Wir denken auch darüber nach, ganze Regale zu einzelnen Autoren anzubieten.
Die Lizenzerträge werden pro Regalbrett gleichmäßig auf alle Autoren verteilt. Das macht das Ganze zu einem sehr egalitären Modell. Natürlich haben wir bei Bloomsbury aber auch das Glück, auf eine sehr reichhaltige Backlist zurückgreifen zu können.
Die Bibliotheksnutzer lesen die Bücher online auf der Website unseres Technikpartners Exact Editions. Die Texte können nicht heruntergeladen werden – sie werden auch nicht im E-Book-Format bereitgestellt, sondern als JPEGs. So schützen wir unseren Content vor Raubkopien. Abgesehen von den erschwinglichen Preisen fühlen sich die Bibliotheken besonders vom mobilen Charakter des Verfahrens angesprochen: Die Nutzer müssen sich nicht innerhalb des Bibliotheksgebäudes aufhalten; solange sie einen Bibliotheksausweis besitzen, können sie über Bibliotheksportale im Internet von zu Hause oder sogar vom Mobiltelefon aus auf die Bücher zugreifen.
Wir haben das Programm erst im Mai gestartet, konnten aber schon fünf Gemeinden in Großbritannien dafür gewinnen und stehen momentan in Verhandlungen mit vielen weiteren. Die nächsten Schritte werden darin bestehen, das Programm international auszudehnen und andere Verlage in die Plattform zu integrieren. Wir führen gerade Gespräche mit einer ganzen Reihe von Verlagen, die sehr daran interessiert sind, mit auf das digitale Regalbrett in den Stadtbüchereien zu kommen.
www.exacteditions.com/bloomsbury
Hier eine Übersicht zu den bisher erschienenen Teilen der Serie
ein sehr freundliches Endnutzermodell, wenn denn Lesegewohnheiten keine Rolle spielen sollten…
Aber mal in die Zukunft gedacht:
Ganz sacht vollzieht sich hier doch der Wandel vom Buchverkauf zum Handel mit Leseberechtigungen. Die Bibliotheken stehen (noch) als Mittler zwischen den Fronten, um die Last der Berechtigungsverwaltung zu tragen und die diversen „Regalbretter“ in eine funktionierende Bestandsverwaltung zu integrieren. Die entgeltliche Leseberechtigung wollte Google mit seinen Raubkopien organisieren….
Mit einigen zusätzlichen technischen Tools wäre dies doch als kommerzielles und verlagsübergreifendes Geschäftsmodell denkbar. Sogar eine taggenaue Abrechnung an die Verlage wäre automatisierbar. Der (ebenfalls noch) parallel verlaufende Buchverkauf würde vom Haupt- zum Nebengeschaft und zur Besonderheit abdriften, Printausgaben nur Liebhaberstücke sein. So nach und nach würde der professionelle Handel verschwinden und sich nur noch die Betreiber der digitalen Bibliotheken den Verlagen gegenüberstehen.
Spricht etwas dagegen?