Die Verlagsgruppe Westermann bietet Schulen jetzt auch 3D-Drucker an. Für den digitalen Zukunftsmarkt wird das Produktportfolio vergrößert.
Der Bildungsriese Westermann, mit Cornelsen und Klett Dritter im Bunde der größten Bildungsverlage, macht als Innovator Tempo. Im Rahmen einer Vertriebskooperation mit dem Start-up-Unternehmen Fabmaker bietet die Braunschweiger Schulen 3D-Drucker für den Unterricht an. Und für den Perspektivmarkt der digitalen Bildungsmedien werden bestehende Produkte erweitert sowie neue an den Start gebracht.
3D-Druck ist nicht nur in der Industrie und im Handwerk ein Thema, das in der Fertigung ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Ob geometrische Konstruktionen, Modelle von Organen und Molekülen oder kreative Kunstobjekte – mit dem dreidimensionalen Druckverfahren können an Schulen auch viele Unterrichtsinhalte verkörpert und begreifbar gemacht werden. „3D-Druck macht den Lernstoff mit allen Sinnen erfahrbar und schult konzeptionelles Denken“, wirbt Westermann-Geschäftsführer Ralf Halfbrodt. Details zum Schulterschluss mit Fabmaker:
- Der Westermann-Partner stellt den Drucker zur Verfügung, der speziell für den sicheren und einfachen Einsatz an Schulen entwickelt wurde. Auch das dazugehörige Lehrkonzept wurde von Fabmaker erstellt.
- Westermann bietet den Schulen das Gerät an und betreut die Produkteinführung.
- Zum Servicepaket gehören außerdem die Beratung und Schulung der Pädagogen, die Wartung der 3D-Drucker, eine Service-Hotline und die Belieferung mit Filament, dem Material, aus dem die gedruckten Objekte entstehen.
„Über die vereinbarte Vertriebspartnerschaft hinaus planen wir, künftig 3D-Modelle passend zu unseren diversen Lehrwerken zur Verfügung zu stellen und weitere Unterrichtsmaterialien zum Thema 3D-Druck zu entwickeln“, kündigt Halfbrodt an. „Die Technik lässt sich ja in vielen Fächern, auch in der beruflichen Bildung, einsetzen.“ Für den Drucker sollen unter anderem 3D-Modelle für das Lehrbuch „Lindner Biologie“ (Klassen 5 bis 10) sowie im Bereich der Metalltechnik angeboten werden. In Großbritannien ist die Technik bereits Bestandteil einiger Curricula, in Deutschland empfiehlt die Kultusministerkonferenz laut Westermann die Arbeit mit 3D-Modellen. Sind die Schulen auch „reif“ für ein solches Angebot? „Das hoffen wir. Unsere Schulberater berichten jedenfalls von positiver Resonanz. Wir haben bereits die ersten Drucker verkauft“, sagt der Westermann-Chef.
Interaktive Lehrbücher im Tornister
Auch auf dem insgesamt nur schwer in die Gänge kommenden Markt der digitalen Bildungsmedien (mehr dazu im anschließenden Interview mit Ralf Halfbrodt auf S. 25) will Westermann weiter mit neuen Angeboten und Erweiterungen Akzente setzen. Die aktuellen Projekte des Unternehmens im Überblick:
- Das Unterrichtsportal BiBox und die Lernplattform Kapiert.de, zwei der zentralen Angebote von Westermann für die weiterführenden Schulen, wurden mit neuen Funktionen ausgestattet. Zentrale Themen im schulischen Unterricht sind Individualisierung, Differenzierung, Integration und Inklusion – mit den aufgerüsteten Digitalangeboten will Westermann gezielt Lehrkräfte beim Unterrichten der zunehmend heterogenen Klassen unterstützen.
- Mit „Denken und Rechnen Interaktiv“ bietet das Unternehmen nach eigenen Angaben das „erste und vollständig interaktiv umgesetzte Mathematiklehrwerk für die Grundschule“ an. Es richtet sich an 3. Klassen, voraussichtlich im Mai wird auch eine Version für 4. Klassen auf den Markt kommen. Zu allen Inhalten des gedruckten Schulbuchs gibt es interaktive Aufgaben, die online zur Verfügung gestellt werden. Zum Paket gehören auch ein Lösungsfeedback und ein Lexikon mit mathematischen Begriffen. Die Reihe soll kontinuierlich durch weitere interaktive Schulbücher ergänzt werden.
- Weiterentwickelt wurde auch der digitale Diercke-Atlas. Eine App ermöglicht den Zugriff auf das komplette Kartenmaterial des gedruckten Diercke und eine Reihe anderer Features über Smartphones. Das digitalisierte Lehrmaterial für den multimedialen Erdkundeunterricht wurde überdies für die Tablet-Ansicht modifiziert.
- Für ihre verschiedenen Grundschul- und Sekundarstufenzeitschriften, in denen Lehrkräfte nach Themen und passendem Unterrichtsmaterial recherchieren, hat Westermann ein Online-Archiv eingerichtet, das den Abonnenten einer Zeitschrift für das jeweilige Fach kostenfrei zur Verfügung steht.
Rainer Uebelhöde uebelhoede@buchreport.de
Ergänzungsgeschäft mit Perspektive
Westermann-Chef Ralf Halfbrodt wirft Blicke auf den digitalen Bildungsmarkt.
Ralf Halfbrodt (53) ist seit März 2014 Geschäftsführer der Westermann-Gruppe. Vor seinem Wechsel in den Bildungsmedienverlag hat er in der Verlagsgruppe Madsack verschiedene Unternehmensbereiche geleitet. Von 2011 bis Dezember 2013 war er Geschäftsführer des „Göttinger Tageblatts“ und trug außerdem Verantwortung für die beiden Teilkonzerne „Sachsen“ und „Süd“.Bildungsministerin Johanna Wanka will 5 Mrd Euro in die Technik investieren und mehr Computer in die Schule bringen. Ein entscheidender Impuls fürs Digitalgeschäft?
Auf jeden Fall ein richtiger Impuls, denn digitale Medien können den Unterricht bereichern. Sie können nicht nur die Medienkompetenz fördern, sondern auch das Lernen selbst – gerade in den zunehmend heterogenen Klassen, in denen eine möglichst differenzierte Ansprache und Arbeitsweise einzelner Schüler notwendig ist. Digitale Medien können hier eine Vielzahl an Ergänzungsmaterialien und Hilfen bereitstellen. Die Frage ist natürlich, ob die Schulen nur bei der Bereitstellung der Technik unterstützt werden oder auch Mittel für digitale Bildungsmedien und Lehrerweiterbildung ergänzend erhalten. Erst dann kann digitale Bildung an Schulen erfolgreich stattfinden. Fragt man allerdings Schüler, so sehen diese ein kombiniertes Lernen mit digitalen und analogen Medien als optimal an. Bücher und Arbeitshefte werden auf längere Sicht also sicher im Einsatz bleiben.
Kinder wachsen als „Digital Natives“ auf, digitale Schulbücher spielen in Deutschland derzeit aber nur eine sehr kleine Rolle. Was sind die Hauptursachen?
Die Hauptursache liegt sicherlich darin, dass die Schulen dafür noch nicht ausreichend ausgestattet sind. Lehrkräfte erwarten zu Recht, dass ihr Unterricht auch digital zuverlässig funktioniert, doch in vielen Schulen ist dafür die Infrastruktur nicht gut genug oder die Technik gar nicht vorhanden. Ein weiterer, eher bremsender Faktor ist der in großen Teilen noch nicht geklärte Datenschutz.
Sind die Lehrer dazu bereit und in der Lage, die digitalen Transformationsschritte mitzugehen?
Lehrer haben natürlich sehr individuelle Einstellungen zum Thema Digitalisierung. Unserer Erfahrung nach ist ein Großteil der Lehrkräfte dem Thema gegenüber sehr aufgeschlossen – solange die Technik stimmt und die Medien leicht anwendbar sind.
Welche Rolle spielen digitale Produkte in der Strategie von Westermann?
Eine große. Wir sehen in der Digitalisierung Wachstumspotenziale, und zwar über den Schulunterricht hinaus in den Bereichen Prüfungsvorbereitung, berufliches Lernen und lebenslanges Lernen. Potenzial gibt es darüber hinaus im Nachmittagsmarkt. Sehr viele Haushalte, und das in einem immer noch steigenden Maße, verfügen grundsätzlich über eine IT-Ausstattung mit PC, Laptop oder Tablet. Die Schüler haben in der Regel zu Hause Zugriff auf diese Geräte und setzen sie beim Lernen ein.
Verschieben sich die Gewichtungen von Print zu digital?
Noch sind Digitalprodukte für die Schülerschaft ein sehr kleiner Bereich und somit ein Ergänzungsgeschäft. Was digitale Lehrermaterialien betrifft, geht der Trend aber von Print zu digital. Hier findet eine Verlagerung statt.
Das Unterrichtsportal BiBox und die Lernplattform Kapiert.de, die großen Angebote für die weiterführenden Schulen, wurden erweitert. Wie ist die Resonanz?
Neu ist ab diesem Jahr, dass die Unterrichtsplattform BiBox um eine Variante für Schüler mit den Komponenten digitales Schulbuch und Ergänzungsmaterialien erweitert wurde. Mit ihr kann die Lehrkraft Ergänzungsmaterialien direkt digital und individuell zuweisen. Das wird von den Lehrkräften sehr gut angenommen. Das Lernportal Kapiert.de zielt im Schwerpunkt auf das schulergänzende Lernen, es kann nun aber auch im Regelunterricht eingesetzt werden. Die neuen Funktionen von Kapiert.de haben wir gerade erst frisch auf der Didacta vorgestellt. Die Noten dafür kommen später.
Die Diercke-App kann jetzt auch auf Smartphones genutzt werden. Gehören Smartphones ins Klassenzimmer?
Warum nicht? Schließlich haben immer mehr Schülerinnen und Schüler Smartphones in der Tasche und gehen damit auch zur Schule. Ihr Einsatz im Unterricht ist in Deutschland aber immer noch nicht gängige Praxis. In anderen Ländern ist das nicht so. Dort redet man in der Diskussion über den Einsatz von digitalen Bildungsmedien an Schulen offener über „Bring your own device“ und damit über die Nutzung von privaten Geräten. Wir haben neben der Diercke-App rund 80 weitere Apps für Smartphones und Tablets im Angebot, gestreut über verschiedene Fächer, Jahrgangsstufen und Schulformen. Weil Smartphones zum Alltag gehören, müssen wir dafür sorgen, dass unsere Inhalte auch auf diesen Geräten genutzt werden können.
Die Fragen stellte Rainer Uebelhöde
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