Die deutsche Buchbranche pflegt seit Jahrzehnten ein Selbstbild, demzufolge alle Branchenakteure trotz teilweise widersprechender Interessen im Wesentlichen an einem Strang ziehen. Dieser Partnerschaftsgedanke gerät durch die Digitalisierung ins Wanken – oder wird zumindest einer harten Probe unterzogen.
Auf der Frankfurter Buchmesse hat buchreport-Chefredakteur Thomas Wilking im Rahmen der Veranstaltung „Die Branche im digitalen Umbruch: Gibt es eine gemeinsame Zukunftsstrategie von Verlagen und Handel?“ über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beziehung der beiden wichtigsten Branchenzweige diskutiert.
„Alle Partner im Wertschöpfungsprozess verfolgen nach wie vor dasselbe Ziel: die Menschen für Geschichten zu begeistern“, stellt Steffen Müller (Diogenes) klar. Nichtsdestotrotz stehen Verlage und Buchhandlungen vor unterschiedlichen Herausforderungen:
- „Der Handel muss sich weiterentwickeln. Ich glaube, dass sich Buchhandlungen in den kommenden fünf bis zehn Jahren immer mehr in Kulturzentren verwandeln werden“, mutmaßt Hermann Eckel (Tolino). „Verlage müssen sich ebenfalls weiterentwickeln und künftig ein breiteres Angebotsportfolio bieten. Dazu gehört, dass sich auch die Publikumsverlage zunehmend nicht nur als Inhalte-, sondern auch als Serviceanbieter verstehen.“
- Lutz Möller (Boxine/Tonies) sieht noch Nachholbedarf in Sachen Kundenorientierung: „Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern muss die Nutzer in der jeweiligen Umsetzung überzeugen. Die Verlage sollten ihr Angebot noch viel mehr aus der Sicht der Verbraucher sehen.“
- Insgesamt sei die Branche „an einem guten Punkt angekommen“, findet Gerd Robertz (BoD). „Die Digitalisierung ist zu einem elementaren Bestandteil dessen geworden, was wir tun.“ Dafür spielen Dienstleister und Vermittler zwischen den verschiedenen Branchensparten eine wichtige Rolle. Für BoD laute der Auftrag, Verlage und Buchhändler gleichermaßen darin zu unterstützen, ihr Publikum besser und schneller zu bedienen – etwa durch das geplante neue Druckzentrum, das die Übernachtlieferung frisch gedruckter Bücher ermögliche.
Verlagsmann Müller hofft, dass bald mehr Verbindungen in den digitalen Ambitionen von Verlagen und Buchhändlern bestehen: „Wir könnten die Informationen, die die Händler haben, künftig mit den Daten spiegeln, die wir über den Markt und die Kunden haben. So könnte eine gemeinsame Digitalstrategie entstehen.“
Gab es für diese Podiumsdiskussion keine kompetente Teilnehmerin? Ich meine, dass eine reine Herrenrunde heutzutage – zumal in der Verlagsbranche – nicht mehr sein sollte.