Neue Angebots- und Produktformate, ein verändertes Kundenverhalten, vielfältige Marketing-Optionen, erweiterte Vertriebswege – so viel Veränderungs- und Reaktionsbedarf war lange nicht. Wie können Verlage die notwendigen Innovationsprozesse organisieren und Spiel-räume schaffen, ohne das Kerngeschäft zu beeinträchtigen? Das „Three Horizons Model“ bietet einen Ausweg aus diesem Dilemma: Durch die Unterscheidung von drei Innovationshorizonten bekommt jede Innovationsform einen optimalen Entwicklungsrahmen.
Start-up-Unternehmen haben es leicht: Sie sind getrieben von einer Idee, die Innovatoren sind oftmals die Gründer, sie folgen einer Vision. Ein Kerngeschäft existiert nicht, alle Energie fließt in das Neue. Bestehende Unternehmen haben es dagegen schwer: Das Kerngeschäft muss nicht nur am Laufen gehalten, sondern durch Innovationen zukunftsfähig gehalten werden. Genügend Platz für Innovationen außerhalb der Kernprodukte gibt es selten.
- Die Mitarbeiter erhalten Freiräume für Innovationen (Google-Modell).
- Eine Innovationsabteilung (Business Development, Forschung und Entwicklung) soll für die Neuerungen sorgen.
- Die Geschäftsführung ist die Innovationsabteilung in Personalunion.
- Ein Start-up wird gegründet oder akquiriert.
- Horizont 1 betrifft das Kerngeschäft, in dem die Erlöse und vor allem die Rendite erwirtschaftet werden. Auch im Kerngeschäft sind Innovationen überlebenswichtig, denn kein Markt steht heute still.
- Horizont 2 beschreibt das bereits absehbar funktionierende Zukunftsgeschäft. Hier werden Geschäftsfelder und -modelle entwickelt, die Erträge in zwei bis vier Jahren erwarten lassen.
- Horizont 3 beschreibt vage Zukunftsoptionen, deren Erfolgsaussichten ungewiss sind.
Horizont 1 – Wachstum im Kerngeschäft: zwischen Optimierung und Innovation
Die Anforderungen für das Kerngeschäft-Management ergeben sich aus den Regeln gesättigter Märkte: Es herrscht hoher Wettbewerb, der über den Preis, über Produktverbesserungen, Zusatzservices oder Marketingkonzepte ausgetragen wird. Die Wettbewerber reagieren schnell auf Innovationen, der Vorsprung ist immer nur temporär.
Dieses Phänomen kennen Verlage nur zu gut: Kaum ist ein Buch erfolgreich, wird das Konzept von Wettbewerbern kopiert. Geschwindigkeit zählt deshalb auch in diesem Markt; allerdings dienen Innovationen in diesem Bereich einzig dem Zweck, die Rentabilität zu sichern. Neben Innovationen innerhalb des bestehenden Geschäftsmodells geht es hier um Effizienz und Kostenoptimierung, um Kontinuität und Beharrlichkeit, um Qualitätsmanagement, Prozessoptimierung und kontinuierliche Produktverbesserung. Die Herausforderung besteht darin, in einer an Effizienz und Ertrag ausgerichteten Organisation genug Freiräume und Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen, um Innovationen zu ermöglichen.
Die Aufgabe eines Horizont-2-Projektes liegt im Aufbau von neuen Produktlinien oder neuen Geschäftsfeldern unter veränderten Bedingungen:
- Das Wettbewerbsumfeld verändert sich. Konkurrenten sind oft branchenferne, aber technikaffine Unternehmen oder Start-ups, die sich nicht die gewohnten Branchen?usancen halten.
- Die Kunden bzw. Kundenbedürfnisse sind neu, manchmal so neu, dass klassische Formen der Marktforschung nicht greifen.
- Das Erlösmodell ist noch unerprobt oder sogar noch nicht endgültig definiert, Wettbewerber mit Venture-Finanzierung preschen mit kostenlosen Angeboten vor, um Marktplätze zu besetzen ohne Rücksicht auf Rentabilität (beispielhaft praktiziert von Amazon).
- Geschwindigkeit und Entscheidungsfähigkeit: Der Aufbau des neuen Geschäftsmodells muss so schnell wie möglich erfolgen.
- Flexibilität: Erfahrungen müssen sofort verwertet werden. Funktioniert z.B. das Erlösmodell nicht, so muss dieses „on the fly“ im Projekt verändert werden. Diese Flexibilität schließt das Scheitern ein: Wenn die Idee nicht funktioniert, sollte sie verändert oder nicht weiter verfolgt werden.
- Neue Formen der Produktentwicklung: Durch permanente Feedback-Runden und Kundenintegration, durch Rapid-Prototyping-Methoden und Projektorganisation wird ein Produkt schon im Entstehungsprozess getestet, angepasst und verändert.
- Andere Kennziffern: Nicht an dem gewohnten Rentabilitätsziel sollte der Bereich gemessen werden, sondern an klar definierten Wachstumsparametern (wie z.B. Unique User, Marktanteil bzw. Reichweite, Nutzungsdauer- und Intensität, Aufbau von relevanten Nutzerdaten). Das heißt: Wachstum geht vor Rentabilität, wenn das Geschäftsmodell mittelfristig tragfähig ist.
- Passende Mitarbeiter: Horizont-2-tauglich sind Mitarbeiter, die gern Neues kreieren und vor allem aufbauen. Sie müssen neugierig, lernfähig, teamaffin, entscheidungsfreudig, handlungs- und wachstumsorientiert sein und keine Angst vor Irrwegen haben.
2. Eigene Organisationsstruktur innerhalb des bestehenden Unternehmens
3. Integration in die bestehende Organisationsform
Horizont 3 – Spielen und Lernen: ein Zukunftslabor für Innovation
Abseits dieser organisatorischen Fragen scheint mir der mentale Aspekt am wichtigsten: Vor allem im Führungsteam sollte ein Bewusstsein über die differenzierten Anforderungen der drei Horizonte bestehen. Damit existierende Strukturen nicht überfrachtet und mögliche Neuerungen nicht verhindert werden.
(aus buchreport.spezial: Herstellung & Management 05/2014)
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