Michael Hofner über Perspektiven des harten Kopierschutzes
DRM ist nicht der große Verhinderer
Ist DRM im Jahr 2014 ein Auslaufmodell? Michael Hofner, Verlagsberater (Publisher Consultants GmbH) und Referent im buchreport.webinar über Kopierschutz (hier weitere Infos), sieht bei den Benutzern eine zunehmende Akzeptanz der Bindung an geschlossene Ökosysteme. Hofner hofft, dass ein Update des Adobe-DRM-Systems die Durchsetzung von Epub 3 beschleunigen wird.
In einem Webinar widmet sich buchreport den Perspektiven des harten Kopierschutzes. Neben Michael Hofner äußern sich Ingo Eichel (Adobe) und Jakob Meiner (hey! publishing) zum Thema. Hier weitere Infos.
DRM wird seit Jahren totgesagt, hält sich aber erstaunlich stabil. Haben Sie eine Erklärung?
Die Antwort ist facettenreich: DRM ist teilweise Pflicht für Verlage, da bestehende Autorenverträge/Lizenzgeschäfte bzw. Drittlizenzen (Bilder, Fonts) die Verwendung von hartem Kopierschutz erforderlich machen. Hinzu kommt der vergleichsweise geringe Marktanteil: Die Umsätze im E-Book-Bereich steigen, sind aber im Vergleich zum Gesamtbuchmarkt in Deutschland nach wie vor überschaubar.
Welche Faktoren erkennen Sie auf der Seite der DRM-Anbieter?
Durch das Oligopol bei den Anbietern von DRM-Systemen (Apple, Amazon, Adobe) sind Barrieren beim Wechsel der Plattformen nur bedingt gegeben, da insgesamt wenige Wechsel stattfinden. Gleichzeitig gibt es teils sehr gute Ökosysteme wie z.B. das von Amazon – DRM ist nur dann Verhinderer, wenn der Anwender die Einschränkungen bemerkt, was eben bei Amazon durch die Verfügbarkeit von Lese-Apps für nahezu jedes Mobile- und Desktop-Betriebssystem und gleichzeitig den besten E-Ink-Geräte im Markt nicht der Fall ist. Aber auch die Tolino-Allianz macht durch die Cloud-Funktionen den Kauf bei unterschiedlichen Shops sowie den Abgleich zwischen mehreren Geräten möglich, wenn auch noch nicht so elegant wie dies bei Apple oder Amazon der Fall ist. Ich erkenne bei den Benutzern eine zunehmende Akzeptanz der Bindung an Ökosysteme, z.B. durch die Wahl des Mobile-Betriebssystems (iOS, Android) und die damit verbundenen Einkäufe, die man im jeweiligen App-Store getätigt hat.
Kürzlich musste Adobe nach einem Versuch, das eigene DRM-System upzudaten, zurückrudern. Ein Segen oder ein Fluch?
Ich sehe das schnelle „Zurückrudern“ von Adobe als zweischneidiges Schwert insbesondere für Verlage: Das Adobe-DRM bleibt damit der zahnlose Tiger, der es vorher war. Es wird also von Verlagen Geld für eine Leistung bezahlt, die keinen wirklichen Schutz darstellt. Hätte Adobe die ursprünglich „verschärfte“ Variante durchgesetzt, hätte dies zwingend Softwareupdates bei den Lesegeräten bzw. Lese-Apps erforderlich gemacht. Lese-Apps für Smartphones und Tablets können mit überschaubarem Aufwand aktualisiert werden – die zugrundeliegende Hardware ist oft nicht der limitierende Faktor. Anders wurde die Situation, im Rahmen der Diskussion der vergangenen Tage, für die E-Ink-Geräte gesehen. Hier war nicht selten in Kommentaren von „Experten“ zu lesen, dass ein Firmware-Update für die E-Reader-Hersteller nicht oder mit großen Aufwand realisierbar wären. Eine offizielle Stellungnahme von Sony, Trekstor, Kobo & Co. vermisse ich in dieser Angelegenheit. Der Druck, Updates seitens der Hersteller bereitzustellen, ist mit dem schnellen Rückzieher von Adobe nun raus. Interessanterweise hat Adobe mit der Vorstellung des neuen Content-Server und Adobe Digitial Editions (ADE) 3 ebenfalls angekündigt, noch Mitte des Jahres 2014 die lange erwarteten Epub 3.0-Funktionen in ADE und auch im Reader Mobile-SDK für E-Reader und Apps bereitzustellen.
Mit welchen Auswirkungen?
Damit stehen dann die E-Reader-Hersteller, sollte es denn die Hardware hergeben, wieder vor der Problematik der Updates. Dass die Hersteller nun versuchen werden, die Nutzer zum Kauf neuer Geräte zu bewegen – selbst wenn die Hardware noch in der Lage wäre, per Softwareupdate Epub 3.0 nachzureichen –, ist auch klar. Das Ergebnis: Es wird jede Menge „Altgeräte“ (ca. 1,7 Mio.) im deutschen Markt ohne „Updatezwang“ für Hersteller geben. Die Konsequenz für Verlage: Epub 2.0-Versionen der Bücher müssen nach wie vor produziert werden. Apps für Tablets/Smartphones sowie ADE werden aktualisiert werden und Epub-Features unterstützen, was für Verlage heißt, dass sie Epub 3.0 zusätzlich zu Epub 2.0 erstellen werden. Etwas mehr Beharrlichkeit von Adobe gegenüber dem Markt hätte insbesondere im Hinblick auf Epub 3.0 mehr Druck auf die Hersteller ausgeübt.
Welche Perspektive sehen Sie langfristig für DRM?
Das ist eine Entscheidung des Marktes. Hier bin ich insbesondere auf die Erfahrungswerte von Verlagen, die ohne DRM arbeiten, im Rahmen unseres Webinars gespannt.
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