Angesichts der Flut an E-Readern und Tablet-Computern ist es für Shops und Verlage schwierig, die Übersicht im E-Dschungel zu behalten. Im Interview sortiert Sebastian Posth, Leiter der digitalen Auslieferung bei der VVA, die Trends.
Beim Kindermedienkongress im November 2010 wurde Verlegern zuletzt noch geraten, zunächst nur Apps für iPhone, iPad zu entwickeln. Inzwischen kündigt sich eine Vielzahl von Geräten an, auch Android ist im Kommen. Was raten Sie den Verlagen?
Für einzelne, herkömmliche E-Books ist es vermutlich nicht erforderlich, eine eigenständige Software zu programmieren. Der App-Store war ja auch ursprünglich nicht als Ort für Bücher konzipiert, sondern als eine Plattform für kleine, nützliche Programme und Anwendungen. Sowohl Apple als auch die Anbieter von Android-Tablets lenken den Focus nun stärker auf die „Bookstores“ außerhalb der App-Stores, wo Kunden dediziert nach Bücher stöbern, sie suchen und finden können. Mittlerweile werden dort auch Enhanced E-Books unterstützt mit multimedialen Elementen, wie z.B. Video, Audio, Interaktivität, etc. Der EPUB-Standard (bald mit HTML5/CSS3) bietet in diesem Zusammenhang viele, weitestgehend ungenutzte Möglichkeiten, so dass Verlage nur in wenigen Fällen Apps für Buchinhalte programmieren müssen. Kinderbücher mit vielen Abbildungen und Animationen kann so ein Genre sein, wo Apps aber weiterhin Sinn machen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Tablets: Wie viele Anbieter haben eine Chance?
Tablets sind ein großer Hype. Es gibt vermutlich nur vage Schätzungen darüber, wie viele Tablets in Las Vegas vorgestellt oder angekündigt wurden. Eine seriöse Prognose über deren Marktpotenzial abzugeben, ist zum jetzigen Zeitpunkt also kaum möglich. Marktvorteile werden sicher die bekannten Hardware-Unternehmen haben, die schon über Kunden und die entsprechende Vertriebspower verfügen. Aber auch junge Unternehmen, wie z.B. Notion Ink, die mit innovativen Produkten Punkten wollen, sollte man im Auge behalten – insbesondere aus der Verlagsperspektive. Man kann jedenfalls gespannt sein, ob das „Adam“-Tablet mit seinem 3Qi-Screen (ein mit E-Ink vergleichbarer Lesekomfort) die Erwartungen insbesondere bei der Lektüre von Texten (E-Books, Zeitschriften, Blogs) erfüllen wird. Der Erfolg von Tablets insgesamt liegt wohl in den Händen von Microsoft und Google, die für die meisten Tablets das Betriebssystem nebst App-Stores stellen werden.
Welche Halbwertzeit haben klassische E-Reader?
Den E-Book-Reader als Stand-alone-device sollte man nicht abschreiben. Verkaufszahlen und Umfragen in den USA zeigen, dass viele Nutzer zum Lesen von Büchern einen Kindle-Reader nutzen, das iPad hingegen zum Spielen und Surfen, für den Konsum multimedialer Anwendungen, Videos oder zur sozialen Interaktion. Begrenzt ist vermutlich die Halbwertzeit der E-Ink-Displays. Wie lange es noch E-Ink-Reader geben wird, hängt direkt von der Entwicklungsgeschwindigkeit und den Produktionsressourcen von Unternehmen wie Mirasol, Liquavista oder Pixel-Qi ab. Ihre Display-Technologie, tageslichtfähig, batteriesparend und reaktionsschnell, wie z.B. bei dem in Las Vegas vorgestellte E-Book-Reader von Mirasol, wird ganz sicher noch für viel Gesprächsstoff sorgen – und monofunktionale E-Book Reader ausstatten.
Der des Wettbewerb digitalen Zwischenbuchhandels wird durch die Neuausrichtung von Libreka forciert. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?
Der „Zwischenhandel“ läßt sich auch bei E-Books in zwei aus der physischen Welt sehr bekannte Geschäftsmodelle einteilen: Einerseits die digitalen Distributoren (Verlagsauslieferungen, wie z.B. die VVA), die im Auftrag der Verlage E-Books an die Vertragspartner ausliefern, mit denen der Verlag selbst einen Vertrag abgeschlossen hat. Andererseits die Aggregatoren (Großhändler), die Nutzungsrechte für den Vertrieb der E-Books vieler Verlage bündeln und dann als Vertragspartner den Händlern gegenüber fungieren. Zwei bekannte Geschäftsmodelle, die ihren eigenen Anwendungsfall haben. Sicherlich zeigt sich vor allem bei den Aggregatoren ein verstärkter Wettbewerb. Aber auch E-Book Großhändler wollen beliefert, die mit E-Books über den Großhandel erzielten Erlöse fakturiert werden. Eine Auslieferung mit integrierter digitaler Distribution bietet dem Verlag die Möglichkeit, das Geschäft mit seinen Inhalten ganzheitlich anzugehen, ohne E-Books und Printbücher in vertrieblicher Hinsicht zu trennen. Beides wird fakturiert, und alle Verkaufsinformationen für den Verlag in einer integrierten Auswertung verfügbar. Wir bei arvato sind an dieser Stelle für unsere Verlagskunden also gut aufgestellt.
Die Fragen stellte Daniel Lenz
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