Die Digitalisierung und der Selfpublishing-Trend bewegt nicht nur die Verlage, sondern mischt auch für Autoren die Karten neu. Bestseller-Autor Bernhard Hennen („Drachenelfen“) beobachtet die aktuellen Entwicklungen mit Sorge: Insbesondere Ebook-Flatrates könnten für viele Schriftsteller existenzbedrohend sein.
Immer mehr junge Autoren wählen die Selfpublishing-Option. Wie bewerten Sie als klassischer Verlagsautor diese Entwicklung?
Ich finde es sehr schade, dass die Qualität bei einigen Texten zu wünschen übrig lässt, teilweise werden statt Seitenzahlen nur Dateigrößen angegeben, um über den wahren Umfang hinwegzutäuschen.
Andererseits finde ich es toll, dass die Schwelle zur Publikation so niedrig ist. Früher musste man monate- oder gar jahrelang bei den Verlagen Klinken putzen gehen, bis man sein Buch in den Händen halten durfte. Jetzt ist es für junge Autoren sehr viel einfacher geworden. Es gibt in diesem Geschäft also viel Licht, aber auch viel Schatten.
Deshalb empfinde ich den Ansatz von Oetinger34 als so interessant: Sie verbinden das Positive des Selfpublishings mit den Vorteilen eines professionellen Verlags.
Was raten Sie Verlagen mit Blick auf den Selfpublishing-Markt?
Im Augenblick habe ich das Gefühl, dass die Zeit der Panik noch nicht überwunden ist und man eher getrieben ist von den Veränderungen als dass man das Ruder wieder selbst in die Hand nimmt, um den Kurs zu bestimmen.
Verlage sollten die Erfahrungen mit illegalen Downloads und Flatrate-Modellen der Musikindustrie sehr gut im Auge behalten, dabei aber die Eigenheiten des Buchmarktes nicht aus dem Blick verlieren. Flatrates für Songs beispielsweise mögen ein interessantes Modell sein, Flatrates für Ebooks halte ich für sehr problematisch.
Warum?
Das Lebensmodell von Autoren ist darauf ausgelegt, dass die Backlist die Rente mitfinanziert. Über die Flatrate-Modelle sehe ich eine Entwertung der Backlist kommen: Ältere Titel werden billig verschleudert und die Autoren müssen mit entsprechend geringeren Tantiemen leben. Wenn sich das durchsetzt, wäre das für viele Schriftsteller existenzbedrohend.
Andererseits hoffen die Verlage darauf, die Backlist über Flatrates wieder stärker in den Fokus zu rücken und verwerten zu können…
Dafür gibt es andere Lösungen, das Marketing kann ebenso gut gegensteuern. Flatrates mit einer Monatsgebühr von 9,95 Euro entwerten das Buch, weil zum Ladenpreis eines Taschenbuches unzählig viele Bücher gelesen werden können.
Die Fragen stellte Lucy Mindnich
Foto: © Bettina Blumenthal
Schwerpunkt Fantasy & Science Fiction
Wie der Selfpublishing-Trend die Verlage verändert, analysiert das zum Wochenende ausgelieferte buchreport.magazin April in seinem Schwerpunkt „Fantasy & Science Fiction“. Alle Themen des 18-seitigen Schwerpunkts im Überblick:
- Markt: Trendwende pro Science Fiction
- Buchproduktion 2.0: Wie der Selfpublishing-Trend die Verlage verändert
- Fantasy-Festival: Buchhandlung in der Villa Herrmann lockt Fans in den Park
- Interview: Natalja Schmidt nimmt bei Droemer Knaur die Fantasy in die Hand
- diezukunft.de: Heyne spricht Science-Fiction-Leser direkt an
- Kochbücher: Verlage regen den Appetit der Fantasy- und Science-Fiction-Fans an
- Comic: Die crossmediale Vermarktung bietet mehr als nur Adaptionen.
Sie können das Heft hier bestellen.
Für 2,50 € kann ich in meiner Bibliothek pro Jahr so viele Bücher lesen wie ich will (außer Bestseller, kosten extra). Ich habe daher immer noch nicht verstanden, warum die E-Book-Flatrates so gefährlich sein sollen.
Durch eine Flatrate können doch gar nicht „unzählig viele Bücher gelesen werden“. Dazu müsste sich die Lesegeschwindigkeit beim Konsumenten ja zuerst ins Unermässliche steigern…