Das Barsortiment Libri hat rund 180.000 Titel von vor allem kleineren Verlagen ausgelistet. Von der IG unabhängige Verlage im Börsenverein kommt dafür Kritik. buchreport hat Libri-Chef Eckhard Südmersen zu den Hintergründen befragt.
Warum wurden die Auslistungen vorgenommen?
Wir haben unsere Lagerstrategie der Marktentwicklung angepasst. Hinter den Schnelldrehern ist der Anteil des Middletails, also der Titel, die in unserem Absatzranking auf den Positionen 400.000 bis 800.000 stehen, im vergangenen Jahr noch einmal kräftig gewachsen, nachdem es bereits in den Jahren davor schon entsprechende Tendenzen gab. Um diesen Titeln, die beim Absatz mehr Dynamik haben, mehr Platz am Lager einzuräumen und dadurch eine bessere Lieferfähigkeit zu garantieren, haben wir gehandelt: Bei den jetzt ausgelisteten Titeln zunächst einen Bestellstopp eingelegt und dann remittiert.
Welche Titel wurden ausgelistet?
Wir haben uns das sehr genau angeschaut und rund 180.000 Titel identifiziert, die in den vergangenen ein bis zwei Jahren nicht ein einziges Mal verkauft wurden. Für diese haben wir die kompletten Rüstkosten sowie die laufenden Kosten getragen. Vor dem Hintergrund der Titelabsätze war das nicht mehr darstellbar.
Dass es nur um unverkäufliche Titel geht, wird in der Stellungnahme der Verlage aber bestritten…
Hier kommen zwei Dinge zusammen: zum einen die generelle Überprüfung des Sortiments, wie oben beschrieben, und zum anderen unsere kontinuierliche Lagerpflege, die wir seit Jahren durchführen. Ich kann versichern, dass wir sehr genau hingesehen haben. Und ich kann auch den Unmut der betroffenen Verlage verstehen. Aber wir sind Kaufleute und wir müssen kaufmännisch handeln. Es ist unsere Aufgabe, den Handel in der Breite optimal zu versorgen. Unser ursprünglicher Ansatz, mit rund 1 Mio Titel für das Sortiment fast alle Titel lieferbar zu halten, hat leider nicht überall zum nötigen Absatz geführt. Deshalb steuern wir jetzt gegen.
Die unabhängigen Verlage beklagen einen systemrelevanten Schaden, weil die Sichtbarkeit der Titel schwindet…
Ich gehe davon aus, dass alle Titel im VLB gelistet und somit auch für den gesamten Buchhandel auffindbar sind. Buchhandlungen, die Libri als einzige Bezugsquelle für die Webshops haben, arbeiten weiterhin mit dem Barsortiment mit der größten Auswahl zusammen. Darüber hinaus sind wir ja nicht der einzige Großhändler am Markt und nicht die einzige Quelle für Webshops. Denn zumindest die Großen haben ihr eigenes Zentrallager und mehrere Großhändler parallel angeschlossen.
Die IG unabhängige Verlage fordert transparente Informationen über die Kriterien, die ein Buch erfüllen muss, um von Libri ans Lager genommen zu werden. Welche Maßstäbe werden angelegt?
Das werde ich mit Blick auf den Wettbewerb nicht sagen. Aber grundsätzlich gilt: Wir listen weiter jede relevante Novität. Und dann entscheiden die Vormerkungen, ob wir den Titel einkaufen oder nicht.
Als einer der Unterzeichner und Unterstützer der IGUV-Stellungnahme finde ich, dass Herr Südmersen elegant am Thema vorbeiredet. Es geht uns Kleinverlegern nicht darum, dass jedes Buch auf ewig im Lager von Libri in einem Regal liegt. Ich verstehe, dass er lieber den vorhandenen Lagerplatz nutzen will, um besser verkäufliche Titel lieferbar zu halten. Als Verleger lege ich mir auch weniger gut gehende Titel bei Nachbestellungen in der Druckerei nicht palettenweise aufs Lager. Habe ich kein Problem damit.
Es geht uns zum einen um die mangelnde Transparenz unseres Partners Libri, der sich ja auch vertraglich verpflichtet hat, nur bestimmte Mengen zu remittieren (max. 20% bezogen auf den Jahresumsatz) und doch manchen Kollegen mit einer unangekündigten Remission darüber hinaus belastet. Von einem Partner hätte man erwartet, dass er vorher Kontakt aufnimmt und eine Regelung im beiderseitigen Einverständnis findet.
Zum anderen erfahren wir aus dem Buchhandel, dass die von Libri ausgelisteten Bücher auch nicht mehr im Katalog zu finden und damit auch aus den White-Label-Shops der Buchhändler verschwunden sind. Kunden und Autoren sprechen uns an, warum ein Titel im Buchhandel als „Nicht mehr Lieferbar“ gekennzeichnet ist, obwohl man den Titel zum Beispiel bei Amazon problemlos bestellen kann. Hier würde ein weiterreichen des Lieferbarkeitsstatus aus dem VLB als zentrale Datenquelle schon weiterhelfen. Dass ausgerechnet Amazon dann der Profiteur zu Lasten des Buchhandels ist, kann nicht im Sinne des Buchhandels und der Verlage sein.
Gerade größere Ketten wie Thaila oder Bahnhofsbuchhändler Schmitt&Hahn bestellen Kleinverlagsbücher auch nur auf direktem Kundenwunsch, und nur dann wenn das Buch auch im Katalog gefunden wird. Viele Buchhändler haben sich offenbar darauf verlassen, dass ein Buch grundsätzlich beim Barsortiment gelistet ist und sparen sich den VLB noch als zusätzliche, kostenpflichtige Informationsquelle.
Hier würden wir es doch sehr begrüßen, dass die Bücher wenn schon nicht physisch auf Lager, wenigstens im Katalog verbleiben und somit in den Onlineshops der Buchhändler und direkt im Laden bestellbar bleiben, auch wenn dann der Buchhändler immer noch für sich entscheiden muss, ob er sich die zusätzliche Arbeit macht, direkt beim Verlag zu bestellen. Vielleicht geht ja auch eine automatisierte Verlagsbestellung wie sie z. B. KNV mit dem Bestellclearing macht. Dass Libri das mal konnte, weiß ich noch aus meiner Anfangszeit als Verlag. Warum sie es scheinbar nicht mehr tun, weiß ich nicht.
Schade, dass Herr Südmersen nicht verstanden hat, was wir Kleinverlage kritisieren. Natürlich sind wir auch in der Lage, kaufmännisch zu denken. Und es ist selbst in unseren Augen legitim, dass nicht jedes Buch physikalisch bei Libri auf Lager liegen kann. Der Punkt ist die Sichtbarkeit. Das Libri der Meinung ist, bei Buchhändlern, die NUR über Libri beziehen, ein Buch einfach aus der Welt zu streichen. Machen wir es an einem Beispiel fest:
Ein Kunde kommt und will so ein Buch haben. Der Händler ist nur am Bestellsystem von Libri angeschlossen. Der Händler sucht und findet das Buch natürlich nicht. Es EXISTIERT nicht einmal. Dann schaut er im Web bei VLB und sieht, dass das Buch durchaus bestellbar ist. Was soll der Händler machen? Bei VLB selbst kann man nicht bestellen. Entweder, der Händler bestellt das Buch dann beim Verlag, was mir als Verleger recht ist. Dann hat aber Libri NICHTS verdient. Das ist wohl das dümmste kaufmännische denken. Oder der Händler schickt den Kunden zu einem Kollegen, der über KNV oder Umbreit bestellen kann. Dann hat der Händler einen Kunden verloren und Libri wieder nichts verdient. Im schlimmsten Fall geht der Kunde frustriert nach Hause und bestellt das Buch über Amazon. Achja. Amazon verdient dann, aber Amazon kann das Buch auch nicht bei Libri bestellen, sondern dann bei KNV und Co. Sehr viele unzufriedene Menschen. Und immer noch das kaufmännisch dümmste Verhalten von Libri.
Die Lösung ist doch sehr einfach. Libri bietet in ihrem Bestellsystem als Lieferant einfach weiter JEDES Buch an, was bei VLB gelistet ist. Ein Speicherplatz in der Datenbank kostet kein Geld. Da steht das Buch dann drin. Entweder als „auf Lager“ oder als „bestellbar“. Dann kann der arme Händler, der ja NUR Libri als Belieferer hat, das Buch bei Libri bestellen, diese bestellen es beim Verlag. Es dauert dann zwar mehr als 24 Stunden, aber der Verlag was etwas verdient, Libri hat etwas verdient, der Händler hat einen Kunden zufrieden gestellt. DAS wäre kluges kaufmännisches Denken. Das wäre vor allem SERVICE (bitte googlen, wenn man das Wort nicht mehr kennt!).
Also… das Problem ist nicht nur die Lagerräumung, sondern vor allem die Auslistung aus dem Bestellsystem. Andere kriegen das auch auf die Reihe. Man treibt die Kunden und die Händler mit den aktuellen Plänen von Libri weg. Wenn man keine Kunden will, dann ist das ok. Könnte man offener sagen.
Und was die Lagerräumung angeht. Es gehört zum guten Ton in der Branche, VOR einer Remission beim Verlag eine Rücksendung von Büchern anzukündigen und einen Weg zu finden, der beide Seiten zufrieden stellt. Immerhin muss der Verlag ja die Bücher immer noch zwangsweise Zurückkaufen, teilweise Bücher, die er schon seit Jahren als „verkauft“ abgerechnet hat, Tantiemen an Autoren ausgezahlt usw. So geht man als PARTNER nicht miteinander um. Und wenn ein Kleinverlag plötzlich Büchermengen im dreistelligen Bereich einfach so vor der Tür stehen hat mit einer netten Rechnung, dann kann das zu einem finanziellen Notfall führen. Und das zu einer Zeit, wo viele von uns wirklich Tausende von Euro durch die KNV Insolvenz verloren haben. Damals hat sich Libri noch solidarisch gezeigt, indem man Rechnungen schnell bezahlte. Und nun holt man sich noch mehr Geld hinten rum wieder rein.
Wie gesagt…. kaufmännisch denken wir alle. Aber man redet miteinander, man findet eine gemeinsame Lösung und es muss einen Weg finden, dass Kunden nicht zu Amazon und Co vertrieben werden, denn damit gehen nicht nur Händler kaputt.
Ein Letztes… was passiert eigentlich, wenn Amazon ein Buch aufgrund von VLB gelistet hat, es bei Libri bestellen will, aber da nicht kriegt, weil es da nicht existiert? Dann bestellt Amazon bei KNV oder Umbreit. Und das passiert 20mal, danach wird sich Amazon denken: Ach, wieso überhaupt bei Libri noch was bestellen, wenn die das eh nicht haben? Und dann wäre Libri bei Amazon raus? Das nicht kommen zu sehen, das ist sicherlich kein kaufmännisches Denken.
Im Moment wenig herzlichst,
Marc Hamacher
Verleger, Leseratten Verlag, einer der Unterzeichner der Kritik.
Ein paar Gedanken zum Beitrag.
Herr Südmersen sollte in die Politik gehen. Antworten ohne zu antworten. Guter Mann.
Warum wurde von Seiten Buchreport nicht die Frage zu BoD gestellt? Libri möchte, dass Verlage die bei Libri nicht lieferbaren Titel zu BoD geben. Dann wären diese lieferbar.
Vielleicht ein Zufall, wenn die „Lieferbarkeit“ im System von Libri fehlerhaft/falsch (als BoD Titel lieferbar) betitelt wird, so dass Buchhändler es mißverstehen und überhaupt nicht im VLB nachschauen. Schließlich vertraut man (noch) dem Datenbestand von Libri. Gefühlt missbraucht Libri seine Stellung als Barsortiment.