Das Thema Verlegen ohne Verlag wird von Verlagen oft nicht ernst genommen. Doch sie werden lernen müssen, noch besser zu werden und so viel Wertschöpfung zu erbringen, um immer genug spannende Autoren an sich zu binden.
Self Publishing beschäftigt mich schon länger (zuletzt im März diesen Jahres). Die Verlage hat dieses Thema nie berührt oder gar aufgeregt; sie haben dieses Phänomen stets auf dem Negativkonto der (oft wenig gut angesehenen) Zuschussverlage abgebucht.
Doch aktuelle Entwicklungen führen zu einer erhöhten Aufmerksamkeit und Medienresonanz – völlig zurecht, wie ich meine:
– Branchenkollege Holger Ehling befasst sich in einem viel beachteten Artikel mit dem Phänomen Pottermore – er schreibt: „Die wichtigsten Verlage der gedruckten Potter-Ausgaben, Bloomsbury in Großbritannien, Scholastic in den USA, sind nur am Rande beteiligt an der ganzen Veranstaltung – sie erhalten einen Anteil aus dem Ebook-Verkauf, sind aber operativ außen vor. Pottermore wurde von Rowling gemeinsam mit Sony in den vergangenen beiden Jahren entwickelt.“
– Alison Flood schreibt in einer ausführlichen Analyse für denGuardian: „So what does the rise of self-publishing mean for traditional publishers? Nothing good, say authors, unless they wake up to the new world: to the fact that readers want cheap ebooks, quickly, in tandem with print editions. Otherwise, rather than hearing about self-published authors who „make it“ by landing a traditional deal, we’ll be hearing about other writers who decide to take a similar route to Eisler’s and go it alone.“
– Und in dem Fachblog Publishing Perspectives schätzt Robin Sullivan Absatz- und Umsatzzahlen von Self Publishing-Büchern – sein Fazit: „There was a time when self-publishing produced little to no revenue, and doing so was often the last resort for a project that had been rejected by everyone it had been put in front of. Now, in the post digital revolution, the model has been turned upside down. Authors are going to e-books first based on earning potential and a quick time to market. If they do well, then they leverage their sales for larger advances and favorable contract terms. Of course self publishing is not for everyone, but at least for those that decide to go this route, they won’t have to be that one in a million outlier—if they can achieve the e-book midlist status, they stand a good chance of telling their boss, “I quit, I’m going to stay home and write for a living.”
Das Publishing-Modell hat sich also teilweise umgedreht: Wurden früher Bücher im Selbst- oder Bezahlverfahren verlegt, die bei Verlagen keine Chance hatten, gibt es nun eine gegenteilige Bewegung: Bücher, die schon erfolgreich als E-Book selbst publiziert wurden, bringen sich in eine bessere Position für eine klassische (gedruckte) Verlagspublikation.
Die drei Modelle des Self Publishing
Vereinfachend wird stets vom Self Publishing gesprochen – dabei lassen sich drei Verfahren unterscheiden:
– Das traditionelle Zuschussmodell ermöglicht eine Veröffentlichung gegen Bezahlung. Dieses Verfahren kleidet sich in das traditionelle Verlagsmodell, ist bei Lichte betrachtet aber eher ein Dienstleistungsmodell – und so weder Fisch noch Fleisch.
– Das Dienstleistungsmodell hat den Autoren immer eine klare Publikationsdienstleistung verkauft und sich nie als Verlagsmodell verkleidet. Vorreiter Bod.de zeigt, wie dynamisch der Bereich wächst. Zahlreiche Anbieter wie Epubli, triboox oder Neobooks sind gefolgt, der Markt wächst.
– Neu entwickelt sich Distributionsmodell: Hier gibt der Autor ein fertiges Werk in einen Distributionskanal wie einen Appstore, einen Internetbuchhändler oder auch an Google Editions.Wer viele Kanäle adressieren möchte, kann sein E-Book auch über eine Digitale Verlagsauslieferung wie Bookwire oder Kontor New Media distribuieren lassen.
Vor allem der zweite und der dritte Weg entfalten gerade ihr Potential, da der traditionelle Verlagsweg nicht mehr in der Lage ist (und zukünftig noch weniger sein wird), den Publikationsbedarf von Autoren zu decken. Zudem verfolgen Autoren unterschiedliche Motive, wie ich in einem Blogbeitrag im September 2009 analysiert hatte:
– Wenn Umsatz das Ziel ist, geht es vor allem darum, möglichst viel Geld zu verdienen. Dieses Ziel kann ein Autor heute über Verlage erreichen, morgen jedoch vielleicht besser über eine Vermarktungsplattform, die im Unterschied zu einem Verlag nur eine kleine Provision für den Verkauf nimmt.
– Verbreitung: Viele Autoren schreiben gar nicht, um zu verdienen, sondern um eine möglichst weite Verbreitung zu erlangen.
– Reputation: Motiv ist hier, die persönliche Reputation zu steigern. Das kann z.B. durch die Publikation in einem renommierten Verlag oder einer angesehenen Zeitschrift geschehen, aber auch durch ein hohes Ranking in einer Community. Dafür sind Autoren teilweise sogar bereit, Geld zu bezahlen (und nicht zu verdienen, wie die Open Access-Angebote von Verlagen zeigen).
Meine Prognose: Das Thema wird uns noch ziemlich beschäftigen. Die Verlage werden lernen, noch besser zu werden und so viel Werschöpfung zu erbringen, um immer genug spannende Autoren an sich zu binden. Autoren erhalten jedoch immer mehr Möglichkeiten – und damit Unabhängigkeit vom klassischen Verlagsmodell. Nie war Publizieren so leicht (und günstig!) wie heute. Ein marktwirtschaftlicher Wettbewerb also, der allen Beteiligten nutzen wird.
Zum Abschluss dieses Postings noch ein Tipp: Für alle, die das Thema gerne weiter diskutieren wollen, hat Holger Ehling eineFacebook-Gruppe eingerichtet.
- Ehrhardt F. Heinold, Unternehmensberater Heinold, Spiller & Partner
Vielen Dank für diesen Beitrag! Die Diskussion ist überfällig. Als langjährige Agentin für Unternehmensbücher (Corporate Books) gerate ich mehr und mehr in „Erklärungsnöte“ gegenüber Autoren bzw. Unternehmern/Selbständigen, also meinen Kunden. Viele Autoren fragen mich: Wofür brauche ich denn überhaupt einen Verlag? Sie fragen zu Recht. Denn wenn ich sehe, dass renommierte alteingesessene Verlage (keine Zuschussverlage) von etlichen Titeln kaum noch 500 Ex. verkaufen, dann frage ich mich allen Ernstes, wieso ich überhaupt noch Bücher an Verlage vermitteln soll. Viele Autoren schaffen es mit eigenem Engagement, selbst mindestens genauso viele, wenn nicht mehr, Exemplare zu verkaufen als der Verlag.
Bei vielen Verlagen habe ich leider den Eindruck gewonnen: Man rennt nur noch dem sicheren Geld hinterher in Form von „garantierten Bestsellern“. Nach hohen Vorschusszahlungen an US-amerikanische Agenturen ist man auch bereit, sich finanziell für ein Buch zu engagieren. Ansonsten ist das Engagement nahe Null. Wenn man den Autor unter Vertrag nimmt, macht ihm zuerst den Mund wässrig, doch die anschließende Vermarktung des Titels ist in den meisten Verlagen schwach und wird zunehmend schwächer – so schwach, dass ich vielen Autoren inzwischen gezielt ein Self-Publishing empfehle und ihnen von der aufwendigen Verlagsakquise abrate.
Die renommierten, alteingessenen Verlage müssten sich viel stärker gegenüber potenziellen Autoren als „attraktive Vermarktungspartner“ profilieren und klar am Markt positionieren, ansonsten werden ihnen mehr und mehr die Felle davonschwimmen, weil die wirklich „potenten“ Autoren mit großem Vermarktungspotenzial sich andere Publikationskanäle suchen und nur „schwache“ Autoren den Weg zum Verlag suchen. Der Trend – eine Strukturkrise – ist inzwischen unverkennbar, auch wenn man in den Verlagen noch so tut, als ob das alles mit „business as usual“ in den Griff zu kriegen sei. Dr. Sonja Ulrike Klug, Corporate-Book-Managerin und selbst Autorin von 18 Büchern
Vielen Dank für den informativen Artikel! Eine Info muss ich jedoch gerade rücken: neobooks.com verkauft keine Dienstleistungen an Autoren.
Wir verstehen uns als digitaler Verlag: Die besten Autoren von der Plattform (auf der Autoren in der Tat kostenlos eBooks selbstpublizieren können) erhalten einen Verlagsvertrag – und dann Geld von uns.
Viele Grüße
Ina Fuchshuber