buchreport

Ein durchschlagendes kriminelles Angebot genügt

Das Problem der Internetpiraterie rückt immer mehr in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit der gesamten Verlagsbranche. Für den Bereich der Publikumsverlage betrachtet der Börsenverein die Bekämpfung illegaler Downloads als eine der wichtigsten Herausforderungen für die kommenden Jahre und schlägt Alarm: Der Verband schätzt, dass im Publikumsbereich schon jetzt rund zwei Drittel aller E-Books illegal erworben werden. 
Auf das Geschäft der Fachverlage lassen sich solche Schätzungen freilich nicht übertragen – zu verschieden sind Inhalte, Zielgruppen und Strukturen. Eine buchreport-Umfrage unter RWS-Fachverlagen zeigt, dass gegenwärtige und künftige Tragweite des Problems bei den in diesem Segment tätigen Unternehmen sehr unterschiedlich eingeschätzt werden.
Fragen an die RWS-Fachverlage
1. Wie hoch schätzen Sie den Umsatzverlust durch das illegale Kopieren von E-Books bzw. von Inhalten aus online angebundenen Datenbanken ein (in absoluten Zahlen oder prozentual)? 
2. Welche Vorkehrungen haben Sie gegen das illegale Kopieren von E-Books bzw. von Inhalten aus online angebundenen Datenbanken getroffen bzw. planen Sie?
3. Glauben Sie, dass RWS-Fachverlage stärker oder weniger stark vom Problem der Internetpiraterie betroffen sind (bzw. in Zukunft sein werden) als andere Fachverlage?
Joachim Schmidt, Schmidt Verlag:
1. Der Umsatzverlust ist schwierig abzuschätzen. Wir gehen vom Ansatz davon aus, dass insbesondere die Bereiche Buch und E-Book im Umsatz von illegalen Kopien stärker bedroht werden. Datenbanken, deren Inhalte einer relativ hohen Änderungsgeschwindigkeit unterliegen, werden eben wegen dieser Änderungsgeschwindigkeit und der damit aufkommenden Frage nach der Verlässlichkeit der Informationen nicht so stark durch illegale Kopien bedroht. So lässt sich in den letzten Jahren ein überaus starker Rückgang insbesondere bei den Abverkäufen im Bereich Buch ausmachen. Wir schätzen, dass dieser Rückgang zwischen fünf und zehn Prozent durch illegale Kopien verursacht wird. Wie sensibel dieses Thema ist, zeigt sich insbesondere darin, dass gerade im Bereich der Lehrbücher die Autoren öfter darauf drängen, Lehrbücher nicht in der Form von E-Books anzubieten. Die Autoren befürchten, dass hierdurch das Problem illegaler Kopien befördert wird. 
2. Wir haben uns im Hause für ein sog. „weiches DRM“  entschieden. Beim Download von Dokumenten werden neben unserem Hinweis auf das Copyright und zusätzlichen Quellenangaben auch Hinweise auf den Lizenznehmer auf den Dokumenten als Wasserzeichen aufgebracht. Zudem erarbeiten wir gegenwärtig erste Ansätze, wie wir eine Überwachung institutionalisieren können, die auf das Problem der illegalen Kopien ausgerichtet ist. 
3. Zu dieser Frage eine belastbare Prognose aufzustellen ist schwierig. Prinzipiell halten wir für die Gebiete, die sich durch die Gleichzeitigkeit einer hohen inhaltlichen Änderungsgeschwindigkeit und dem Bedarf an Verlässlichkeit auszeichnen, das Problem der illegalen Kopien für etwas weniger gravierend. Wer hier illegale Angebote nutzt, setzt sich selbstverschuldet der Gefahr aus, wichtige Entscheidungen auf der Basis nicht aktueller Fachinformationen zu treffen. Für alle anderen Gebiete aber, in denen das Wissen einer größeren Stabilität unterliegt, können die RWS-Fachverlage nicht davon ausgehen, dass sie von der Internetpiraterte weniger als andere Fachverlage betroffen sind. Es genügt letztendlich ein durchschlagendes illegales Angebot im Netz, um eine vormals relativ gesicherte Position nahezu plötzlich zu untergraben. 

Thomas Lennartz, NWB, Herne

1. Hierzu eine konkrete Schätzung abzugeben ist eigentlich nicht seriös möglich, da sich die Inhalte nach Anfertigen einer illegalen Kopie dort befinden, wo unser Auge nicht hinreicht. Allein das Auffinden einer illegalen Kopie lässt nur schwer erahnen, wie viele weitere Kopien davon wiederum erzeugt wurden. Noch vager wäre eine Schätzung, wie viele dieser Kopien tatsächlich auch zu Umsätzen geführt hätten, wären die Rahmenbedingungen andere gewesen. Nach unserem heutigen Kenntnisstand halten sich allerdings die illegalen Nutzungen unseres Contents immer noch in überschaubarem Rahmen, was nicht zuletzt daran liegen mag, dass diese Inhalte sich in der Regel an sehr spezielle Interessengruppen wenden.
2. Ein vollkommen ungeschütztes Angebot ist natürlich eine Einladung zur illegalen Verbreitung. Ein freundlicher Hinweis in den Nutzungsbedingungen mag kundenfreundlich sein, wird aber schlicht nicht wahrgenommen. Grundsätzlich ist der Umgang mit Content heute immer noch geprägt vom Grundsatz „Erlaubt ist, was geht!“. Erst wenn etwas nicht mehr geht, entsteht auf Nutzerseite ein gewisses Unrechtsbewusstsein. Soweit wir unsere Inhalte heute oder künftig auf proprietären, geschlossenen Plattformen anbieten, werden wir die dort vorhandenen Schutzmöglichkeiten daher auch durchaus nutzen. Dabei ist uns wichtig, einen vernünftigen Interessenausgleich zum Kunden herzustellen, dessen Arbeitsalltag oft genug ja gerade in der Arbeit mit dem Content liegt. Und diese Arbeit besteht sehr häufig in der auszugsweisen Integration der Inhalte in eigene Arbeitsergebnisse. Das können und wollen wir auch nicht vollständig unterbinden. Über rein technische Schutzmaßnahmen sowie eine Beobachtung bekannter „Tauschplattformen“ hinaus ist es natürlich wichtig, den Nutzern legale Alternativen zu bieten, die attraktiv sind, die einfach genutzt werden können und die mit einem fairen Preis-Leistungs-Verhältnis eine sinnvolle Alternative zum Weg in die Illegalität bieten. Hier können wir viel aus der Entwicklung der Musikindustrie in den letzten Jahren lernen. 
3. Die RWS-Fachverlage befinden sich im Großen und Ganzen in keiner wesentlich günstigeren Situation als andere Special-Interest-Anbieter, auch wenn wir noch unsere Inhalte auf den „einschlägigen“ Plattformen glücklicherweise seltener antreffen als dies bei anderen Fachbereichen der Fall ist. Wir müssen allerdings schon davon ausgehen, dass das Problem künftig mit Verbreitung digitaler Lesegeräte deutlich zunehmen wird, da es zunehmend leichter wird, die bisher aufwendig von Print nach digital zu konvertierenden Inhalte direkt aus einer vom Verlag selbst verbreiteten digitalen Kopie zu erstellen. Kein Kopierschutz ist unüberwindbar und für viele Verfahren finden sich leider im Web die Anleitungen, die kein tiefgreifendes technisches Verständnis erfordern und oftmals mit wenigen Klicks aus einer geschützten eine ungeschützte Kopie erstellen. Wir müssen an der Stelle lernen, umzudenken. Natürlich hat der Content nach wie vor einen hohen Wert; in seiner illegalen Verbreitung liegt ein immenser Schaden. Wie schaffen wir es also, Angebote zu entwickeln, in denen der Content in einem geeigneten Umfeld, welches nur zahlenden Nutzern zur Verfügung steht, deutlich attraktiver ist als die Nutzung von Inhalten aus „dunklen“ Quellen? Hier ist einiges an Kreativität gefragt!
Sven Fund, De Gruyter
1. Uns liegen keine konkreten Zahlen zur Piraterie unserer Bücher vor. Aufgrund des hohen fachlichen und aktuellen Gehalts unserer Titel gehen wir von marginalen wirtschaftlichen Verlusten im einstelligen Prozentbereich aus. Da wir die Zukunft der Fachinformation jedoch im Digitalen sehen, nehmen wir dieses Risiko lieber in Kauf, als den Zugang zu unseren Inhalten durch Digital Rights Management oder andere Mechanismen zu erschweren.
2. de Gruyters wichtigste Kunden sind Bibliotheken und große Kanzleien. Für sie ist DRM bekanntermaßen eine deutliche Erschwernis ihrer Arbeit. Darum setzen wir auf unserer Plattform degruyter.com dies nicht ein. Allerdings werden die PDFs beim Herunterladen automatisch mit einem Wasserzeichen versehen, aus dem hervorgeht, von welcher Institution bzw. IP-Adresse man kommt und es heruntergeladen wurde.
3. Nein, wir sehen keine Sonderstellung von RWS-Inhalten gegenüber anderem eher wissenschaftlichem Content.
Fragen und Dokumentation David Wengenroth

Weitere Stimmen lesen Sie im RWS-Spezialheft 2012 (hier zu bestellen)

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