Die Open-Access-Strategie des Bundesbildungsministeriums (BMBF) stößt dem Heidelberger Philologen Roland Reuß sauer auf: Mit der Verpflichtung zum kostenfreien Publizieren betreibe das Ministerium „Forschungspolitik nach Gutsherrenart“ und greife in die Grundrechte von Wissenschaftlern ein, so Reuß. Ein Fall für den Verfassungsschutz?
Wie berichtet macht das BMBF den kostenfreien Zugang zu staatlich geförderten Publikationen zum Standard seiner Projektförderung. Zwar sollen Wissenschaftler immer noch frei entscheiden können, ob sie ihre Forschungsergebnisse veröffentlichen wollen. Bei Veröffentlichung ist Open Access aber Bedingung.
Damit trete ein „vor Struktur- und Finanzmacht strotzendes Fördermonopol einem durch und durch abhängig gemachten Wissenschaftler gegenüber und greift rücksichtslos in verbürgte Grundrechte ein“, wettert Reuß in der „FAZ“ (28.9.) in gewohnter Manier. Die Souveränität eines wissenschaftlichen Autors dürfe niemals von wissenschaftsexternen Interessen abhängig gemacht werden. Ohnehin arbeite der „ohne Not verfasste Open-Access-Zirkus mit den popeligen T-Shirts“ nur den großen internationalen Oligopolverlagen zu, statt ihre Macht einzuschränken.
Auch Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang hatte über die Klausel des BMBF den Kopf geschüttelt: „Es ist ein Armutszeugnis von der öffentlichen Hand, dass sie ihre mündigen Wissenschaftler bevormundet und ihnen vorschreibt, wie sie ihre Werke veröffentlichen. Für die Autoren ist es mit Blick auf Sichtbarkeit, Erreichbarkeit und Reputation von entscheidender Bedeutung, dass sie frei entscheiden, wo sie ihre Werke publizieren.“
Auf die Gefahr, mich zu wiederholen: Den „großen internationalen Oligopolverlagen“ bleibt aufgrund der russischen Piraterie-Lage gerade gar nichts anderes übrig, als auf Open Access umzustellen, und das tun sie ja auch schon eifrig. Da die Wissenschaftler weiterhin lieber bei „richtigen“ Verlagen veröffentlichen („Impact-Faktor“) als bei irgendwelchen Open-Access-Plattformen, besteht aber ein großes Interesse, dass die „richtigen“ Verlage weiter produzieren. Also, wie soll es anders gehen, als dass man den „großen internationalen Oligopolverlagen“ Knete hinterherwirft? Und richtigerweise stellt die Regierung da die Weichen, ob sie nun weiß, wie das alles läuft, oder nicht?