buchreport-Umfrage zum Wettbewerb durch Selfpublisher
Ein Verlag steht für Qualität
Bringt der boomende Selfpublishing-Markt die klassischen Verlage in Bedrängnis? Nicht wirklich, meinen Erotik-Verleger im Rahmen einer buchreport-Umfrage und verweisen auf die Qualität sorgfältig lektorierter Bücher. Sie sehen die eigenverlegerischen Aktivitäten der Autoren vielmehr als Chance, Trends und Themen zu entdecken, die sonst durch ihr Raster gefallen wären.
Wie schätzen Sie den Wettbewerb von Selfpublishern ein?
Katrin Jenner, Marketing- und Vertriebsleiterin Cora:
An „Shades of Grey“ sieht man, dass im Selfpublishing mit Sicherheit Potential steckt. Dennoch darf man nicht vergessen, dass es sich hier um eine Ausnahme-Erscheinung handelt – das Gros unserer Bücher wird sicher auch in Zukunft nicht aus Self-Publishing-Projekten erwachsen.
Stephanie Bubley, Redakteurin Lyx:
Selfpublisher beleben den Markt und bringen auch den einen oder anderen neuen Trend hervor. Dass der Selbstverlag für Autoren eine attraktive Option ist, haben diverse Erfolgsgeschichten in der letzten Zeit bewiesen.
Selfpublishing-Autoren sind nicht an die Konventionen des traditionellen Verlagswesens gebunden, sie können schreiben, wovon sie überzeugt sind, und alles ausprobieren, was sie möchten, auch wenn es sich um vermeintlich für den Buchhandel uninteressante Themen handelt.
Beispielsweise trägt die Indie-Szene jetzt verstärkt das Thema „New Adult“ in die Öffentlichkeit. Lange war man davon überzeugt, dass es kaum möglich ist, Leser für Geschichten mit Protagonisten zwischen 17 und 25 Jahren zu gewinnen, und doch finden die sogenannten New-Adult-Romane – die in den USA von jungen, selbstbewussten Autorinnen selbstverlegt werden – eine begeisterte Leserschaft.
Wir bemühen uns als Verlag in höchstem Maße um inhaltliche Qualität und Glaubwürdigkeit, sowohl bei den Lesern wie bei den Autoren. Man sollte auf das Wettbewerbspotenzial der Selbstverleger aus Verlagssicht deshalb mit Selbstbewusstsein und ganz gelassen reagieren.
Es zeigt sich angesichts der großen Unübersichtlichkeit des Marktes sogar verstärkt, dass Verlagsmarken für Leser (und Autoren!) als Qualitätssiegel gelten. Zudem haben Verlage nach wie vor ganz andere Möglichkeiten, Aufmerksamkeit für Titel hervorzurufen, sie zu bewerben und zu vertreiben. Selfpublishing-Autoren müssen diesen Berg an Aufgaben selbst stemmen, wenn sie ihre Bücher an eine entsprechende Leserschaft bringen wollen.
„Hybrid-Autorenschaft als Modell der Zukunft“
Viele von ihnen (zum Beispiel Bella Andre, die die Printrechte ihrer erfolgreichen selbstverlegten Contemporary-Reihe an Harlequin verkauft hat, oder auch unsere Thriller-Autorin C.J. Lyons, die es mit „Tot ist nur, wer vergessen ist“ im Selbstverlag sogar auf Platz 2 der New-York-Times-Bestsellerliste geschafft hat) sind inzwischen mit ihren besseren Titeln zu traditionellen Verlagen zurückgekehrt und propagieren eine Art Hybridautorenschaft als Modell der Zukunft. Wir haben nichts dagegen! Das Verhältnis Verlag – Selbstverleger wird also in Zukunft weniger von Konkurrenz als vielmehr von einem neuen Miteinander geprägt sein.
Fabian Wolff, Projektmanager Carl Stephenson:
Selfpublishing ist sicherlich für viele Autorinnen und Autoren auf den ersten Blick eine willkommene Alternative. Man ist sein eigener „Chef“ und betreut seinen Titel vom ersten Federstrich bis hin zum gedruckten Buch. So weit, so gut. Allerdings wird sich die Kompetenz der Verlagshäuser und somit die Qualität der Veröffentlichungen auf lange Sicht durchsetzen. Die wenigsten Selfpublisher erreichen die Tragweite der erfahrenen Verlage.
„Qualität setzt sich durch“
Werner Fredebold, Leiter Vertrieb, Marketing und Produktmanagement Mira Taschenbuch:
Nicht nur im Genre Liebe/Erotik ist das Selfpublishing eine große Verlockung. Gerade im Bereich E-Book eröffnen sich zudem günstige und unkomplizierte technische Möglichkeiten für Autoren ihre Werke direkt an die Leser zu bringen. Zudem fördern die großen Onlineanbieter dieses Ansinnen zum Teil massiv. Einzelne und sehr seltene, aber dafür um so stärker gehypte Erfolgsgeschichten von Selfpublishern tun ihr übriges.
Wir sind aber dennoch der Überzeugung, dass der Leser mit dem Erwerb eines Buches (ob gedruckt oder elektronisch) auch eine bestimmte Qualitätserwartung hinsichtlich Gestaltung, Lektorat und inhaltlicher Stringenz und Rechtschreibung hat und auch erwarten darf. Dauerhaft und in der Breite wird dies nur von einer professionellen Verlagsstruktur gewährleistet. Diese ermöglicht es, durch ein gutes und professionelles Lektorat, übrigens auch dem Autor oder der Autorin sich inhaltlich und stilistisch weiter zu entwickeln und vielleicht völlig neue Formen und Themen zu entdecken. Um den professionellen Verlagsbetrieb ist uns also nicht bang, wir sind der Überzeugung, dass sich auf Dauer Qualität auch bei den Lesern durchsetzt und von diesen auch honoriert wird.
„Shades of Grey wurde nur durch Random House zum globalen Phänomen“
Bettina Steinhage, Lektorin Bastei Lübbe:
Da gibt es durchaus Potenzial. EL James kommt ja aus dem Bereich Fanfiction, was man durchaus als eine Vorform des Selfpublishing begreifen kann. Liebesromanleserinnen sind oftmals Vielleser, sie brauchen also jede Menge Nachschub und greifen dann auch schon zu dem einen oder anderen selbstverlegten Werk.
Allerdings sollte man die Qualitätsansprüche der Leser nicht unterschätzen; auf die Dauer werden sich auch bei den Selfpublishern nur die Autoren durchsetzen können, die gute Stoffe bieten. Und da ergibt sich durch ein sorgfältiges Lektorat oft ein klarer Wettbewerbsvorteil. Von den anderen Leistungen eines klassischen Publikumsverlags ganz zu schweigen: „Shades of Grey“ war zwar schon vorher erfolgreich, wurde aber nur durch die Marketing-Anstrengungen von Random House zum globalen Phänomen.
„Der Markt reguliert, was er als lesbar akzeptiert“
Uschi Zietsch-Jambor, Verlegerin Fabylon:
Der Wettbewerb im Bereich des Selfpublishing ist inzwischen enorm hoch, der digitale Markt wird geradezu überschwemmt, weil es so einfach und günstig ist, sein eigenes Werk herauszubringen. Das Potenzial schätze ich als nach wie vor gegeben ein, es finden sich immer wieder wahre Perlen darunter. Bei Selbstveröffentlichungen minderer Qualität reguliert der Markt ohnehin, was er als lesbar akzeptiert.
Claudia Gehrke, Verlegerin Konkursbuch:
Schwierig. Autoren werden ungeduldiger, versuchen über Selfpublishing den großen Treffer zu landen. Das passiert natürlich sehr selten, und wenn, dann erweckt das natürlich das Interesse der „traditionellen“ Verlage. Aufgrund der Massen, die es online zu kaufen gibt, wird es für Leser immer schwerer, qualitätsvolle Bücher zu finden: es gibt neben einigen Perlen unendlich viel „Schrott“.
Für Verlage andererseits wird das Sortieren der Manuskriptberge immer schwieriger, wir erhielten schon immer sehr viele Manuskripte, doch es werden immer mehr, ein unbewältigbarer „Berg“ – hier verpasst man natürlich manchmal auch ein Buch, das man vielleicht verlegt haben könnte …
Verlage bieten den Aufbau eines Autors, klassische Vertriebswege, Marketing- und Pressemaßnahmen, die beim BOD oft nicht gegeben sind, somit verschwinden wohl viele dieser Bücher in der Versenkung. Aufgabe der Verlage bleibt weiterhin – und auch inmitten der vielen neuen Selbstverleger – die Auswahl und Gestaltung zu „lesbarer“ Literatur und schönen Büchern und E-Books, die die Lese-, Denk- und Blätterlust von Bücherfreunden anregen können …
„Es entsteht ein Überangebot“
Simon Beck, Verleger Dead Soft:
Das Selfpublishing hat zwei Seiten: Auf der einen Seite ermöglicht es Autoren eine rasche Veröffentlichung und direkte Rückmeldung der Leser. Viele der Autoren, die auf diese Weise veröffentlichen, hätten unter Umständen keine Möglichkeit gehabt, ihr Werk auf den Markt zu bringen. Auf der anderen Seite entsteht natürlich jetzt ein „Überangebot“ (und, nicht zu unterschätzen ist der Frust der Leser, wenn sie unlektorierte Werke in den Händen halten). Für uns gilt es jetzt, sich mit hohen Qualitätsstandards auf dem Markt zu etablieren.
Alexandra P. Steinert, Geschäftsführerin Sway Books:
Im Bereich der Literatur mag das seine Berichtigung haben und es gibt ja bereits einige Beispiele, dass auch das Selfpublishing finanziell erfolgreich sein kann.
Und Autoren, die nicht von einem Verlag angenommen werden, haben so ihre Plattform gefunden. Der Bereich der Musik zeigt bereits, dass dies ein ernst zu nehmender Markt ist. Aber auch hier wird sich das Sprichwort „Qualität setzt sich durch“ bewahrheiten.
Den Bereich der Bildbände im Bereich Kunst/Fotografie sehen wir hier (noch) nicht betroffen. Die Qualitäten der ‚on demand’-Druckereien im Kleinauflagenbereich in Bezug auf Druckqualität, Verarbeitungsmöglichkeiten und Materialauswahl sind einfach noch nicht so weit, um qualitativ mit einem konventionell gedruckten Werk mit halten zu können.
Die Ergebnisse wurden im Rahmen einer Umfrage zum Erotik-Markt erhoben. Die weiteren Antworten lesen Sie im buchreport.magazin 4/2013 mit dem Schwerpunkt „Liebe & Erotik“ (hier zu bestellen).
buchreport-Webinar zum Thema Selfpublishing
In einem Webinar zum Thema zeigt buchreport, wie Selfpublishing die Strukturen der Branche verändert und wie sich Verlage in diesem Wettbewerb profilieren können. Das Webinar findet am 15. Mai 2013 um 14 Uhr statt. Weitere Informationen sowie den Link zur Anmeldung finden Sie hier.
Das Potenzial und die Dimension der Konkurrenzierung von Verlagen durch das Selfpublishing wird hier völlig unterschätzt, schöngeredet oder verdrängt. Verlagsmarken haben bei Lesern keinen primären Wert, Lektoratsarbeit ebenso und für die Vermarktung engagieren sich Verlage im allgemeinen nur für wenige Titel. Auch der Qualitätstrichter wird überschätzt, denn allzu oft werden die Marktchancen für Manuskripte nicht erkannt oder falsch eingeschätzt, was die zahlreichen Erfolge von SP-Autoren beweisen, die zuvor von Verlagen oft abgewiesen wurden. Auf der anderen Seite stehen die attraktiven Tiefstpreise von Selfpublishing-E-Books, der Reiz der grossen Auswahl und die Faszination, neue Talente zu entdecken. Autoren fahren finanziell wesentlich besser und auch die Vermarktungsmöglichkeiten werden sich wohl weiter entwickeln wobei die Kunden- und Leserresonanz ohnehin die beste Verkaufsförderung ist. Es ist gefährlich bzw. geradezu leichtsinnig, wie viele Verlage die Konkurrenz des Selfpublishings offensichtlich unterschätzen und wie realitätsfremd deren Argumente teilweise sind. Übrigens: Ich bin selbst Verleger.
Selfpublisher haben den Vorteil auf ihrer Seite: Die deutschen Verlage wollen sich nicht von ihren teuren E-Book-Preisen trennen, die Selfpublisher hingegen bieten günstige E-Books an. Das ermöglicht ihnen, Werke unkompliziert und schnell an den Markt zu bringen, und solange zu testen, bis sie ihre Leserschaft gefunden haben. In den USA sind die Verlage schon weiter: Hier werden digitale Imprints gegründet (Digital-First oder E-Only), die sich das Selfpublishing-Phänomen zunutze machen. Leider regieren hierzulande noch viel zu sehr die Literaturagenturen. Den Autoren kann’s egal sein, denn auch in anderen Medienbereichen hat es sich gezeigt: Jedes Werk – und sei es noch so speziell – findet letztlich sein Publikum im Long-Tail des Internets. Der Elfenbeinturm wackelt ganz gewaltig, mit Schleudertrauma merkt man das nicht so sehr. http://www.verlagswesen.org
Eine „Kernkompetenz“, die Autoren übrigens auch zusehends von Verlagen einfordern, ist der Schutz vor Piraterie. Schade eigentlich, dass die da in aller Regel so gar nichts zu bieten haben.
Ich kann mich Jacqueline Spieweg nur anschließen. Wer sagt denn, dass Self Publisher grundsätzlich keine Qualitätssicherung betrieben?
Ich selbst bin „Hybridautorin“, schreibe für Verlage wie Hanser und Suhrkamp, verlege aber gleichzeitig selbst die eigene Backlist und freie Projekte. Ich kann mir die besten Mitarbeiter auf dem freien Markt aussuchen, ob Grafiker, Lektorinnen u.a. – die großen Publikumsverlage haben so viele davon freigesetzt!
Und wenn ich dann sehe, dass ich mit einem selbst neu aufgelegten Backlisttitel in drei Monaten mehr umsetze als im Konzernverlag im ganzen Jahr, dann lohnt sich die Investition in freie Mitarbeiter richtig. Self Publishing verleiht uns Autoren die Fähigkeit, genauer hinzuschauen, ob ein Verlag die alten Kernkompetenzen der Verlage überhaupt noch ausübt. Tut er das nicht, fällt das Nein leichter.
Ich finde viele Bücher von Self-Publishern, die keinerlei Qualitäts-Standards erfüllen. Ich stimme Simon zu. Da hilft nur, auch als kleiner Verlag die Qualität zu sichern. (die sich letztendlich sowieso durchsetzen wird…) Gruß Elicit Dreams Verlag, Mayen
„Ein Verlag steht für Qualität“, ich finde es sehr erfreulich, dass sich die Verlage unter dem Druck der Selfpublisher wieder darauf besinnen. Lange schienen sie dieses Ideal verloren zu haben. Vor ein paar Jahren noch war ja aller Orten zu lesen, dass immer mehr am Lektorat gespart wird, selbst bei Büchern bekannter Schriftsteller in namhaften Publikumsverlagen. Glückwunsch zu diesem Vorhaben.
Und wenn sich nun auch noch herumspricht, dass viele Selfpublisher ihre Bücher selbstverständlich ebenfalls lektorieren lassen – möglicherweise bei den Lektoren, die vor wenigen Jahren auf die Straße gesetzt worden sind – können die Leser aus einer Vielfalt wählen, die Verlage allein niemals geboten hätten.
@Bruno Reichelt: Aber nicht der Verlag stopft sich die Taschen voll, sondern der Buchhandel. Die kassieren nämlich (Barsortiment + Händler bzw. im E-Book Bereich Onlineshop + Distributor) 50 % (min.) bis hin zu 60 % des Netto-Verkaufspreises. Von den übrigen 40 – 50 % müssen der Druck, das Marketing, die Betriebskosten und sämtliche Vorkosten für ein Buch/E-Book finanziert werden, sprich Lektorat, Korrektorat, Cover etc. Wenn der Autor 10 % Honorar vom Netto-Verkaufspreis bekommt, bleibt dem Verlag nicht selten weniger als dem Autor. Verkauft sich ein Buch dann nur zwei- oder dreitausend Mal, was immer häufiger sogar in größeren Verlagen vorkommt (oder in Kleinverlagen noch deutlich (!) weniger), deckt der Verlag mit dem vermeintlich ach so hohen Gewinn (weil ja der Autor so unterbezahlt wird) nicht einmal seine Kosten! Das wird immer wieder vergessen, weil ja Amazon schöne 70 % an den Autor auszahlt.
Die ganze Darstellung ist ziemlich einseitig, aber man hat ja auch nur Verleger gefragt. Was sollen die sonst sagen? Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Selfpublishing-Szene im Prinzip noch in den Kinderschuhen steckt, sie ist in Deutschland keine zwei Jahre alt. Dafür ist der Erfolg schon sehr beachtlich. Ich beobachte, dass sich die Strukturen rasend schnell in Richtung Professionalisierung bewegen. Ob der Mehrwert, den Verlage bieten, wirklich die riesige Marge Wert ist, die Autoren verlieren? Und die Marketingvorteile der Verlage? Bei Spitzentiteln mag das zutreffen, aber bei „normalen“ Titeln? Ich bin nicht nur überzeugt, sondern ich habe es ausprobiert. Ich habe die E-Book-Rechte von meinem Verlag zurückgeholt und es selbst vermarktet – mit deutlich größerem Erfolg. Der große Vorteil der Verlage ist die Print-Schiene, die über die Buchhandlungen läuft. Aber mit jedem Quadratmeter, mit dem die Buchhandelsfläche schrumpft, schrumpft dieser Vorteil. Und ob es dann aussschlaggebend sein wird, wenn bei einem Online-Händler in irgendeinem Unterpunkt steht „xy-Verlag“, mag ich anzweifeln. Da zählen andere Kriterien wie Cover, Leseprobe, Rezensionen. Wenn das den Leser überzeugt, wird ihm der Rest ziemlich egal sein.
Wenn man bedenkt, wie viel (oder eher: wie wenig) vom Verkaufspreis eines Buches beim Autor ankommt – von wenigen Bestsellerautoren abgesehen -, so kann man Autoren eigentlich nur zum Self-Publishing ermuntern. Sowohl Leser als auch Autor profitieren davon: der Leser vom niedrigeren Verkaufspreis, der Autor davon, dass sein Reinerlös trotz des niedrigeren Verkauspreises viel höher ausfällt als mit einem Verlagsvertrag. Die „Qualitätskontrolle“ kann beim Self-Publishing auf Autorenseite durch freischaffende Lektoren erfolgen, auf Leserseite durch Bewertungsplattformen im Internet. Ich bin überzeugt, dass sowohl Verlage als auch der stationäre Buchhandel durch die neuen Publikationsformen mittelfristig obsolet werden.
Der freischaffende Lektor muss aber auch leben. Also verlangt er ein angemessenes Honorar für seine Arbeit, das wird bei einem durchschnittlich langen Roman auf jeden Fall vierstellig ausfallen. Und das streckt der Selfpublisher dann so einfach vor? Für jedes seiner Bücher? Oder verzichtet er auf den Profi und lässt Freunde und Verwandte, die nicht vom Fach sind, drübergucken? Raten Sie, was passiert, spätestens ab dem zweiten Buch, nachdem ihr/ihm klar geworden ist, dass sie/er nicht das neue „Shades of Grey“ vorgelegt hat. Und raten Sie, ob man das dann an der Qualität bemerkt.
Das Potenzial und die Dimension der Konkurrenzierung von Verlagen durch das Selfpublishing wird hier völlig unterschätzt, schöngeredet oder verdrängt. Verlagsmarken haben bei Lesern keinen primären Wert, Lektoratsarbeit ebenso und für die Vermarktung engagieren sich Verlage im allgemeinen nur für wenige Titel. Auch der Qualitätstrichter wird überschätzt, denn allzu oft werden die Marktchancen für Manuskripte nicht erkannt oder falsch eingeschätzt, was die zahlreichen Erfolge von SP-Autoren beweisen, die zuvor von Verlagen oft abgewiesen wurden. Auf der anderen Seite stehen die attraktiven Tiefstpreise von Selfpublishing-E-Books, der Reiz der grossen Auswahl und die Faszination, neue Talente zu entdecken. Autoren fahren finanziell wesentlich besser und auch die Vermarktungsmöglichkeiten werden sich wohl weiter entwickeln wobei die Kunden- und Leserresonanz ohnehin die beste Verkaufsförderung ist. Es ist gefährlich bzw. geradezu leichtsinnig, wie viele Verlage die Konkurrenz des Selfpublishings offensichtlich unterschätzen und wie realitätsfremd deren Argumente teilweise sind. Übrigens: Ich bin selbst Verleger.
Selfpublisher haben den Vorteil auf ihrer Seite: Die deutschen Verlage wollen sich nicht von ihren teuren E-Book-Preisen trennen, die Selfpublisher hingegen bieten günstige E-Books an. Das ermöglicht ihnen, Werke unkompliziert und schnell an den Markt zu bringen, und solange zu testen, bis sie ihre Leserschaft gefunden haben. In den USA sind die Verlage schon weiter: Hier werden digitale Imprints gegründet (Digital-First oder E-Only), die sich das Selfpublishing-Phänomen zunutze machen. Leider regieren hierzulande noch viel zu sehr die Literaturagenturen. Den Autoren kann’s egal sein, denn auch in anderen Medienbereichen hat es sich gezeigt: Jedes Werk – und sei es noch so speziell – findet letztlich sein Publikum im Long-Tail des Internets. Der Elfenbeinturm wackelt ganz gewaltig, mit Schleudertrauma merkt man das nicht so sehr.
http://www.verlagswesen.org
Eine „Kernkompetenz“, die Autoren übrigens auch zusehends von Verlagen einfordern, ist der Schutz vor Piraterie. Schade eigentlich, dass die da in aller Regel so gar nichts zu bieten haben.
Ich kann mich Jacqueline Spieweg nur anschließen. Wer sagt denn, dass Self Publisher grundsätzlich keine Qualitätssicherung betrieben?
Ich selbst bin „Hybridautorin“, schreibe für Verlage wie Hanser und Suhrkamp, verlege aber gleichzeitig selbst die eigene Backlist und freie Projekte. Ich kann mir die besten Mitarbeiter auf dem freien Markt aussuchen, ob Grafiker, Lektorinnen u.a. – die großen Publikumsverlage haben so viele davon freigesetzt!
Und wenn ich dann sehe, dass ich mit einem selbst neu aufgelegten Backlisttitel in drei Monaten mehr umsetze als im Konzernverlag im ganzen Jahr, dann lohnt sich die Investition in freie Mitarbeiter richtig.
Self Publishing verleiht uns Autoren die Fähigkeit, genauer hinzuschauen, ob ein Verlag die alten Kernkompetenzen der Verlage überhaupt noch ausübt. Tut er das nicht, fällt das Nein leichter.
Ich finde viele Bücher von Self-Publishern, die keinerlei Qualitäts-Standards erfüllen. Ich stimme Simon zu. Da hilft nur, auch als kleiner Verlag die Qualität zu sichern. (die sich letztendlich sowieso durchsetzen wird…) Gruß Elicit Dreams Verlag, Mayen
„Ein Verlag steht für Qualität“, ich finde es sehr erfreulich, dass sich die Verlage unter dem Druck der Selfpublisher wieder darauf besinnen. Lange schienen sie dieses Ideal verloren zu haben. Vor ein paar Jahren noch war ja aller Orten zu lesen, dass immer mehr am Lektorat gespart wird, selbst bei Büchern bekannter Schriftsteller in namhaften Publikumsverlagen. Glückwunsch zu diesem Vorhaben.
Und wenn sich nun auch noch herumspricht, dass viele Selfpublisher ihre Bücher selbstverständlich ebenfalls lektorieren lassen – möglicherweise bei den Lektoren, die vor wenigen Jahren auf die Straße gesetzt worden sind – können die Leser aus einer Vielfalt wählen, die Verlage allein niemals geboten hätten.
@Bruno Reichelt: Aber nicht der Verlag stopft sich die Taschen voll, sondern der Buchhandel. Die kassieren nämlich (Barsortiment + Händler bzw. im E-Book Bereich Onlineshop + Distributor) 50 % (min.) bis hin zu 60 % des Netto-Verkaufspreises. Von den übrigen 40 – 50 % müssen der Druck, das Marketing, die Betriebskosten und sämtliche Vorkosten für ein Buch/E-Book finanziert werden, sprich Lektorat, Korrektorat, Cover etc. Wenn der Autor 10 % Honorar vom Netto-Verkaufspreis bekommt, bleibt dem Verlag nicht selten weniger als dem Autor. Verkauft sich ein Buch dann nur zwei- oder dreitausend Mal, was immer häufiger sogar in größeren Verlagen vorkommt (oder in Kleinverlagen noch deutlich (!) weniger), deckt der Verlag mit dem vermeintlich ach so hohen Gewinn (weil ja der Autor so unterbezahlt wird) nicht einmal seine Kosten! Das wird immer wieder vergessen, weil ja Amazon schöne 70 % an den Autor auszahlt.
Die ganze Darstellung ist ziemlich einseitig, aber man hat ja auch nur Verleger gefragt. Was sollen die sonst sagen? Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Selfpublishing-Szene im Prinzip noch in den Kinderschuhen steckt, sie ist in Deutschland keine zwei Jahre alt. Dafür ist der Erfolg schon sehr beachtlich. Ich beobachte, dass sich die Strukturen rasend schnell in Richtung Professionalisierung bewegen. Ob der Mehrwert, den Verlage bieten, wirklich die riesige Marge Wert ist, die Autoren verlieren? Und die Marketingvorteile der Verlage? Bei Spitzentiteln mag das zutreffen, aber bei „normalen“ Titeln? Ich bin nicht nur überzeugt, sondern ich habe es ausprobiert. Ich habe die E-Book-Rechte von meinem Verlag zurückgeholt und es selbst vermarktet – mit deutlich größerem Erfolg. Der große Vorteil der Verlage ist die Print-Schiene, die über die Buchhandlungen läuft. Aber mit jedem Quadratmeter, mit dem die Buchhandelsfläche schrumpft, schrumpft dieser Vorteil. Und ob es dann aussschlaggebend sein wird, wenn bei einem Online-Händler in irgendeinem Unterpunkt steht „xy-Verlag“, mag ich anzweifeln. Da zählen andere Kriterien wie Cover, Leseprobe, Rezensionen. Wenn das den Leser überzeugt, wird ihm der Rest ziemlich egal sein.
Wenn man bedenkt, wie viel (oder eher: wie wenig) vom Verkaufspreis eines Buches beim Autor ankommt – von wenigen Bestsellerautoren abgesehen -, so kann man Autoren eigentlich nur zum Self-Publishing ermuntern. Sowohl Leser als auch Autor profitieren davon: der Leser vom niedrigeren Verkaufspreis, der Autor davon, dass sein Reinerlös trotz des niedrigeren Verkauspreises viel höher ausfällt als mit einem Verlagsvertrag.
Die „Qualitätskontrolle“ kann beim Self-Publishing auf Autorenseite durch freischaffende Lektoren erfolgen, auf Leserseite durch Bewertungsplattformen im Internet.
Ich bin überzeugt, dass sowohl Verlage als auch der stationäre Buchhandel durch die neuen Publikationsformen mittelfristig obsolet werden.
Der freischaffende Lektor muss aber auch leben. Also verlangt er ein angemessenes Honorar für seine Arbeit, das wird bei einem durchschnittlich langen Roman auf jeden Fall vierstellig ausfallen.
Und das streckt der Selfpublisher dann so einfach vor? Für jedes seiner Bücher? Oder verzichtet er auf den Profi und lässt Freunde und Verwandte, die nicht vom Fach sind, drübergucken?
Raten Sie, was passiert, spätestens ab dem zweiten Buch, nachdem ihr/ihm klar geworden ist, dass sie/er nicht das neue „Shades of Grey“ vorgelegt hat. Und raten Sie, ob man das dann an der Qualität bemerkt.