In diesem Herbst wird der Uwe-Johnson-Preis zum zehnten Mal verliehen (hier mehr zum Procedere). Im Interview beschreibt Jury-Sprecher Carsten Gansel das Besondere des Preises – und erklärt, warum Deutschland über 1000 Literaturpreise benötigt.
Es gibt in Deutschland weit über 1000 Literaturpreise. Wem helfen die Preise?
Literaturpreise sind Autorenförderung und von daher in jedem Fall wichtig für Literatur, für Autoren, für Leser. Man darf nicht vergessen: Autoren sind freischaffend, aber sie haben jeden Monat ihre Miete zu zahlen. Außerdem gilt: Literatur ist kein Museum! Preise, die nach einem Autor benannt sind, bauen eine Brücke in die Gegenwart und bewahren etwas im Gedächtnis, nämlich den Autor selbst und sein Werk.
Warum braucht es den Uwe-Johnson-Literaturpreis?
Beim Uwe-Johnson-Preis hängt sicher auf Grund der Qualität des Autors und seiner Werke die Messlatte recht hoch. Die Autoren sollten schon – wie Johnson – in der ersten Liga mitspielen, mal profan gesagt. Zudem sollten sich im jeweiligen Werk des Preisträgers Bezugspunkte zur Poetik von Johnson finden. Es geht um Fragen des Erinnerns, um deutsche Geschichte, Schuld und Verrat oder das Hineingestelltsein des einzelnen in die gesellschaftlichen Zeitläufte. Mit Johnson und seinem Werk ist das Spektrum möglicher Preisträger von vornherein etwas eingeschränkt, und das ist auch gut so. Wir verstehen unseren Literaturpreis auch als eine Auszeichnung, die den gesellschaftlichen – ich sag mal – Wert von Literatur betont.
Wann haben Sie Uwe Johnson für sich entdeckt?
Ich habe in den 1970er Jahren die John-Brinkman-Oberschule in Güstrow besucht, jenes Gymnasium, das schon Uwe Johnson von 1948 bis 1952 besuchte und dort seine „Reifeprüfung“ machte. Da meine Mutter zur gleichen Zeit wie Johnson an der Schule war, kannte sie ihn und ich kam wegen dieses persönlichen Bezugs schon früh an die Texte von Johnson. Seit den 1980er Jahren habe ich mich dann intensiver mit Johnson beschäftigt.
Denken Sie, Sie hätten sich mit Johnson verstanden?
Auf gar keinen Fall. Ich kann nichts mit Leuten des Typs Johnson anfangen. Seine Art und Weise mit anderen Menschen umzugehen, scheint mir wenig beispielhaft. Er ist mir – soweit ich das beurteilen kann – zu ich-bezogen gewesen, war von seiner Bedeutsamkeit überzeugt und gleichzeitig hoch verletzlich. Vermutlich musste man ihn schon sehr mögen und viel Empathie aufbringen, um einen Zugang zu ihm finden und die Bekanntschaft oder Freundschaft auf Dauer durchzustehen. Aber ich glaube, Künstler können und müssen – vielleicht – so sein. Sie bekommen keine Preise für Mitmenschlichkeit, sondern es zählt ihr Werk. Johnson hat ein Werk geschaffen um den Preis seines Lebens. Der Autor ist tot, sein Werk lebt.
Was würde er zu dem Uwe-Johnson-Preis sagen?
Vermutlich: Die Preissumme ist viel zu niedrig. Und sicher würde er mit großer Strenge und vielleicht cholerischen Ausbrüchen kommentieren, wer der in seinem Namen den Preis erhält. Walter Kempowski hat in seiner Preisrede gehofft, dass er sich für ihn freuen würde. Ich glaube, Johnson wäre letztlich mit unseren Jury-Entscheidungen zufrieden gewesen.
Wie wichtig ist öffentliche Unterstützung für Literaturpreise?
Wir haben das große Glück, nicht von offizieller Unterstützung abhängig zu sein, da wir solvente Preisstifter haben – seit diesem Jahr ist ein weiterer Preisstifter hinzugekommen, die Rechtsanwaltskanzlei Gentz und Partner aus Berlin. Staatliche Förderung ist schwierig, denn Unabhängigkeit ist ein hohes Gut. Aber natürlich würde wünschen, dass es nicht beständig zu Einsparungen in jenen Bereichen kommt, die den Johnson–Preis gewissermaßen flankieren, als etwa die Johnson-Tage. Die Stadt Neubrandenburg tut, was sie kann.
Zum Uwe-Johnson-Preis
Förderer: Ausrichter des mit 12.500 Euro dotierten Literaturpreises sind die Mecklenburgische Literaturgesellschaft, der „Nordkurier“ und Rechtsanwaltskanzlei Gentz und Partner aus Berlin.
Ziel: Mit dem Preis sollen deutschsprachige Autoren gefördert werden, in deren Schaffen sich Bezugspunkte zu Uwe Johnsons Poetik finden.
Jury: In der Jury sitzen Michael Hametner, Carsten Gansel, René Strien, Raimund Fellinger und Susanne Schulz.
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