Seit mehr als zehn Jahren gibt es die OER-Bewegung, die auf die Entwicklung und den Einsatz freier Bildungsmedien setzt, die Open Educational Resources (OER). Es ist eine Herausforderung für Schulbuch- und Bildungsverlage, inhaltlich und auch vom Geschäftsmodell, weil ein Stück weit die Kostenloskultur des Internets einzieht. Dass sich die Wikimedia-Stiftung in diesem Bereich engagiert, löst etwa Erinnerungen an den Niedergang der Lexikon-Verlage durch das Wikimedia-Angebot Wikipedia aus. Nicht zuletzt tragen Hinweise, dass Amazon eine Plattform für Open Educational Resources vorbereitet, dazu bei, die Ansätze aus Verlagssicht ernst zu nehmen.
Der Verleger-Verband Bildungsmedien hat seine Position zu OER 2013 in einem Thesenpapier dargestellt. Ein Vorteil von OER sei die Vielfalt von aktuellen Inhalten, die durch die Verlage nur in begrenztem Maße angeboten werden können, heißt es dort: „Dementsprechend können OER eine gute Ergänzung zu den bestehenden curricularen, nachhaltigen Inhalten der Verlage sein, wenn gewisse Kriterien erfüllt sind. Sie können jedoch keine curricularen Lehrwerke ersetzen“, wird das Know-how seiner Mitglieder akzentuiert.
Das Potenzial für freie Bildungsmedien stehende OER-Bewegung wird in letzter Zeit zunehmend erforscht. Nachdem die Wikimedia-Stiftung im ersten Schritt (unterstützt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung) eine Bestandsaufnahme zu OER vorgelegt hat, werden jetzt in einer neuen Publikation praxisnahe Lösungsvorschläge für den Einsatz in den Bereichen Schule, Hochschule, berufliche Bildung und Weiterbildung vorgestellt, den „Praxisrahmen für Open Educational Resources (OER) in Deutschland“.
Darin geht Wikimedia auf die Punkte Förderung und Anreizsysteme, Beratung und Qualifizierung, technische Werkzeuge und Auffindbarkeit sowie Vernetzung und Zusammenarbeit ein. „Gerade im Bereich des Lernens stoßen traditionelle Medien oft an ihre Grenzen, weil sie eben nicht für die jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden können. OER bilden damit einen hilfreichen Baustein für eine Veränderung von Bildung“, sagt Elly Köpf, Leiterin des Projekts „Mapping OER – Bildungsmaterialien gemeinsam gestalten“.
Der „Praxisrahmen“ stellt die „kollaborativen Arbeitsweisen“ im Bildungsbereich heraus und das „große Potenzial“ bereichsübergreifender Ansätze und prozessorientierter Entwicklung. Er benennt in seinem Fazit vier Handlungsfelder, „damit OER und mit ihnen eine freie Bildungspraxis zur Normalität und zum Standard im deutschen Bildungssystem werden“. Es geht elementar um finanzielle Unterstützung durch den Staat und in der praktischen Arbeit um Qualifizierung, technische Hilfsmittel und die Vernetzung der Akteure:
- Anreizsysteme und Förderung
Um OER durchzusetzen, bedarf es finanzieller Förderung durch den Staat, oder wie es im Original heißt: „Eine gezielte Förderung von OER sowie bedarfsgerechte Anreizsysteme sind notwendig, damit Bildungsakteurinnen und -akteure das Thema OER stärker in den Fokus nehmen. Zentral dafür ist die Etablierung von systemischen Anreizsystemen für OER.“ Im einzelnen bedeute das eine strategische Neuausrichtung etablierter Bildungsinstitutionen und die Einrichtung von Arbeitszeitkontingenten, um OER aufzubauen. „Auf Bundesebene ist hierfür eine funktionierende Koordination zwischen Bund und Ländern sowie eine Öffnung der staatlichen Finanzierung für freie Bildungsmaterialien zentral. Zu diesem Maßnahmenfeld gehört zudem der grundsätzliche Anspruch, öffentlich finanzierte Bildungsmaterialien unter eine freie Lizenz zu stellen. Hierdurch entsteht die Möglichkeit, langfristig einen Grundstock freier Materialien verfügbar zu machen.“
- Qualifizierung und Beratung
Für die Etablierung von OER gelten Angebote zur Beratung und Qualifizierung als weitere Voraussetzung: „Dabei muss das Verständnis für eine Kultur des Teilens und zum kollaborativen Arbeiten oberste Zielstellung sein. Potenzielle Nutzerinnen und Nutzer müssen lernen und verstehen, warum OER sinnvoll sind und wie sie OER aktiv in ihre eigene Bildungspraxis integrieren können.“ Neben dieser Grundeinstellung sollen rechtliche Fragestellungen, technisches Know-how und mediendidaktische Kenntnisse vermittelt werden.
- Tools und Auffindbarkeit
Für die Idee des kollaborativen Arbeitens und der veränderbaren Materialien bedarf es laut der Studie technischer Tools und verbesserter Auffindbarkeit. Ziel sei eine deutliche Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit, indem die Tools bei der Materialzusammenstellung unterstützen, Lizenzierungen automatisch generieren oder für eine bessere Auffindbarkeit von OER sorgen. Letztlich soll der Arbeits- und Zeitaufwand reduziert werden: Die Wunschliste umfasst Serviceangebote/Tools zur Bereitstellung individualisierter Lerninhalte, zur digitalen Erstellung von Arbeitsblättern, zur Kuratierung von Metadaten sowie eine zentrale OER-Suchmaschine.
- Vernetzung und Zusammenarbeit
„Nur durch ein breites Netzwerk an Aktiven wird sich die Bildungspraxis auf eine Weise verändern“, heißt es in der Studie: Es existierten bereits viele Ansätze und Initiativen, die nur durch die Unterstützung einer aktiven Community bestehen könnten. Deshalb müssten vorhandene, bereichsübergreifende Vernetzungsstrukturen gefördert und auf dieser Grundlage neue Netzwerke aufgebaut werden.
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