Im Januar hat mit Simplicissimus Book Farm ein neuer E-Book-Distributor den deutschen Markt betreten. Die 2006 in Italien gegründete Firma vertritt nach eigenen Angaben 50% aller Verlage auf dem Heimatmarkt und hat 40% aller italienischen E-Books im Programm. Weltweit nutzen nutzen mehr als 1.000 Verlage die E-Book-Distribution Stealth von Simplicissimus, darunter Verlagshäuser Spanien, Polen, die Türkei und Lateinamerika. Neben Stealth bietet die italienische Firma weitere Dienste zur Erstellung und dem Vertrieb von E-Books an, u.a. die Self-Publishing-Plattform Narcissus und mit Backtypo ein kostenloses Onlinetool zur Erstellung von E-Books.
Im Interview spricht Country Manager Daniel Bräuer über den Einstieg in den deutschen Markt:
In Deutschland gibt es ein Überangebot an Distributoren. Warum starten Sie dennoch hierzulande?
Aus Sicht von Simplicissimus möchte ich das Interesse, auch hier Fuß zu fassen, fast als logische Konsequenz bezeichnen. Wenn man in Italien zu den drei großen Distributoren gehört und schon international aktiv ist, kommt man am deutschen Markt kaum vorbei. Schließlich ist Deutschland der größte Markt in Europa und weltweit die Nummer drei nach den USA und China.
Sind Sie fit für den harten Wettbewerb?
Ja, wir sehen uns im Vergleich durchaus als konkurrenzfähig. Zum einen haben wir mit den internationalen Shops schon jahrelange, direkte Geschäftsbeziehungen. Zum anderen ist der deutsche Markt aus internationaler Sicht sehr hochpreisig und hat relativ restriktive Vertragsbedingungen für die Verlage. Beides Punkte, die wir nicht mehr ganz zeitgemäß finden und selbst auch noch nie so gehandhabt haben. Wir mussten also an unseren Konditionen überhaupt nichts ändern, um für deutsche Verlage attraktiv zu sein. Auf den Punkt gebracht, machen Verlage, die mit uns arbeiten in der Regel gut 10% mehr Umsatz, ohne ein E-Book mehr zu verkaufen.
Also wird es jetzt einen neuen Preiskampf geben?
Gab es denn schon einen? – In meinen Augen nämlich noch nicht. Was bei einem schnell wachsenden Markt auch kein Wunder ist. Der deutsche E-Book-Markt hat sich von 2010 bis 2014 mehr als verachtfacht. Anfangs, als das E-Book wirklich nur ein Nischenprodukt war, waren höhere Gebühren für die Distribution durchaus noch nachvollziehbar, da Strukturen aufgebaut und Software entwickelt werden mussten, und das ist natürlich mit hohen Fixkosten verbunden. Jetzt, da sich der Umsatz vervielfacht hat, halte ich diese hohen Gebühren – 20% Transaktionskosten auf Basis der Verlagserlöse, plus Einstellgebühren o.ä. – nicht mehr für angemessen. Da wir bei Stealth noch nie mehr als die 8% des Verkaufspreises berechnet haben, würde ich es auch gar nicht als Preiskampf von unserer Seite bezeichnen. Aber natürlich versetzt uns das in eine angenehme Position.
Ist der Kuchen nicht längst verteilt?
Laut Börsenverein hat vor einem Jahr rund ein Drittel aller Verlage noch keine E-Books angeboten, und vielleicht waren die hohen Kosten der Distributoren bisher zum Teil auch der Grund für manchen kleineren Verlag, (noch) auf E-Books zu verzichten. Sicherlich sind darunter auch Verlage, bei denen es inhaltlich weniger Sinn macht, weil sie beispielsweise Bildbände veröffentlichen oder ähnliches. Die meisten Verlage lassen meiner Meinung nach aber eine gute Chance ungenutzt, wenn sie keine E-Books publizieren. Auch wenn E-Books im Durchschnitt erst rund 5% des Marktes ausmachen, erwirtschaften mittlerweile nicht wenige, auch einige kleinere Verlage, teilweise bis zu 20% ihres Umsatzes mit E-Books.
Die preisliche Schere zwischen Print und E-Books wird immer größer. Wie viel Gefälle verträgt der Markt?
Die Preise von E-Books werden sicherlich noch etwas weiter nachgeben. Was aber nicht weiter überraschend ist, da manche Verlage ihre Preise anfangs relativ hoch und nah am Print-Preis angesetzt haben – aus der Perspektive der Verlage durchaus verständlich. Nur mindestens ebenso verständlich konnten dies Leser nicht nachvollziehen. Ein Punkt, der korrigiert wurde oder gerade korrigiert wird. Zu beider Vorteil, wie ich meine.
Für mich ist die Angst vor diesem „Gefälle“ bei Verlagen auch unbegründet. Es können bei für den Leser akzeptablen Preisen gute Verlagserlöse bei E-Books erzielt werden, die denen im Print (nach Druck- und Logistikkosten) in nichts nachstehen. Gleichzeitig wird das gedruckte Buch nicht aussterben. Der Markt befindet sich in einem Umbruch. Dieser Veränderung kann sich niemand entziehen. Unter dem Strich ist das aber nur eine Verschiebung.
Mit welcher Perspektive? Was kommt nach dem klassischen E-Book und wohin entwickeln sich perspektivisch Formate, digitale Inhalte, Vertriebswege, Geschäftsmodelle?
Der Blick in die Kristallkugel. Darüber wurden und werden ganze Bücher geschrieben, die bereits bei Erscheinen schon nicht mehr aktuell sind.
Das einzige, was man wohl mit Sicherheit sagen kann, dass sich alles in Bewegung befindet und das auch noch eine Weile so bleiben wird. Gleichzeitig glaube ich aber nicht an die vielen Untergangsszenarien – sei es für den Buchhandel, die Verlage oder das Buch überhaupt. Neben dem gedruckten Buch haben sie E-Books und in manchen Bereichen Apps etabliert, die werden sich noch weiterentwickeln, mit zusätzlichen Funktionen versehen, wie Social Reading bei Sobooks oder log.os. Auch werden sie sicherlich noch weiter wachsen, und wir werden noch einige Experimente mit neuen Geschäftsmodellen neben dem klassischen Einzelverkauf sehen, von denen sich manche durchsetzen werden und andere eben nicht. Große Überraschung: Das entscheidet letztlich aber allein der Endkunde.
Als Country Manager ist Daniel Bräuer (33) für den Aufbau des hiesigen Geschäfts verantwortlich. Nach BWL-Studium und mehrjähriger Selbständigkeit, ist er seit gut zwei Jahren in verschiedenen Projekten in der Buchbranche aktiv.
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