buchreport.de präsentiert in einer Serie die wichtigsten Web 2.0-Seiten und Experten der Branche. Olivera Wahl über molly-chills.com, eine Plattform für E-Books.
Was ist das Alleinstellungsmerkmal Ihres Portals?
Mit Molly chills biete ich eine eBook-Plattform an, die den Nutzen für alle Beteiligten im Fokus hat: Ich biete Käufern faire Preise, die sich daran orientieren, was meiner Meinung nach Leser bereit sind zu bezahlen. Außerdem hat jeder Interessent die Möglichkeit, meine Plattform kostenlos und unverbindlich zu testen. Hierfür reicht es aus, Jury-Mitglied zu werden. So bekommt man bis zu 5 eBooks pro Jahr kostenlos, die man vor der Veröffentlichung liest und im Gegenzug bewertet. Dies hat für andere Leser den Vorteil, dass es bei mir zu jeder Veröffentlichung mehrere Jury-Bewertungen gibt und man somit eBooks auf Molly chills besser einschätzen kann. Eine kostenlose Leseprobe gibt es natürlich auch. Aber auch für Autoren biete ich attraktive Vorteile: Autoren bekommen von mir und meinen Jury-Mitgliedern qualifiziertes Feedback zu ihrem Manuskript und bei Vertragsabschluss ein kostenloses Lektorat. Außerdem profitieren die Autoren von meinen Marketing-Maßnahmen.
Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Seite?
Ich möchte den deutschen eBook-Markt ein bisschen innovativer und lebendiger machen und sowohl Lesern als auch talentierten, deutschen Autoren eine attraktive Plattform bieten. Vorallem aber möchte ich mich kreativ austoben und etwas erschaffen, das mir viel Freude macht. Ich liebe Molly und hatte z.B. bei der Gestaltung meiner Website viel Spaß. Und das Sichten von neuen Manuskripten ist auch klasse. Für mich ist Molly chills ein Abenteuer, das mir sehr viel gibt.
Werden Communitys wie Second-Life über- oder unterschätzt?
Interessante Frage. Ist Second Life nicht das Spiel, von dem keiner mehr redet? Ich kann mich an den Presse-Hype 2006 (oder war es 2007?) erinnern und habe das Spiel auch selber ausprobiert. Mich persönlich hat es nicht überzeugt, weil die Grafik damals schon veraltet war. Meiner Meinung nach muss man als Unternehmer ganz genau überlegen, welchen Mehrwert man dort anbietet. Einfach nur zu werben ist zu wenig, weil das die Spieler schnell nervt. Die meisten möchten im Spiel nicht mit Werbung belästigt werden, wo sie etwas anderes viel lieber machen möchten – nämlich spielen. Second Life war gut, um damals in die Presse zu kommen, wobei sich dieser Effekt schon lange abgenutzt hat.
Interessanter finde ich die Frage, was man von Second Life lernen kann und wie man das z.B. auf Websites übertragen kann. Beeindruckt an Second Life hat mich, dass man als Spieler neue Gegenstände frei gestalten und anderen Spielern zum Kauf anbieten konnte. Üblicherweise kann man bei anderen Spielen nur aus vorgefertigten Produktvariationen wählen. Die Umsätze konnte man außerdem in echtes Geld tauschen. Dies ist auch etwas, das viele andere Spiele nicht bieten. Man kann zwar echtes Geld in Spielgeld tauschen, aber in der Regel nicht Spielgeld in echtes Geld zurücktauschen.
Generell finde ich es richtig, Neues auszuprobieren und mutig zu sein. Aber man muss auch nicht jedem Trend folgen, sondern sollte abwägen, in welchem Verhältnis Imagegewinn, Nutzen, Reichweite, Aufwand und Kosten voraussichtlich stehen werden.
Welche neuen Schritte planen Sie im Web 2.0?
Ich habe Molly chills gegründet, weil ich vor einem Jahr keine Belletristik-eBooks für meinen eBook-Reader gefunden habe, die mich interessiert haben. Das hat sich im letzten Monat mit der deutschen Produkteinführung des eBook-Readers Sony PRS 505 grundlegend geändert, da es jetzt ein vielversprechendes Angebot gibt. Deshalb werde ich Molly chills weiterentwickeln und bereite innovative eBooks vor. Bisher sind eBooks 1:1 Abbildungen von gedruckten Büchern. Das ist mir zu wenig. Ich habe hierzu mehrere Ideen, die ich in den nächsten Monaten testen werde. Da bisher erst 2,5% der Deutschen schon mal ein eBook gekauft haben, denke ich aber, dass die Hauptaufgabe noch eine ganze Zeitlang darin bestehen wird, Leser mit dem digitalen Lesen weiter vertraut zu machen. Hier bin ich mit meinem Konzept der Jury-Mitglieder gut aufgestellt.
Wie verändert sich die Buchbranche/Ihr Geschäft durch das Web 2.0?
Die Buchbranche wird hoffentlich schneller und abwechslungsreicher. Bunter und innovativer. Hierfür ist „Buddy der Bus“ von Brian Jones und Kito Young ein gutes Beispiel. Bei diesem Kinder-eBook, das man kostenlos im App Store für sein iPhone bzw. iPod Touch kaufen kann, kann man wählen, ob man das eBook selber lesen oder sich von einer Sprecherin vorlesen lassen möchte. Man kann das eBook aber auch mit dem eigenen Kind lesen, aufzeichnen und in das eBook einbinden und außerdem zwischen mehreren Sprachen wählen. So ist das eBook auch für Eltern interessant, deren Kinder mehrsprachig aufwachsen. Das ist das innovativste eBook, das ich kenne und ich wünsche mir noch viele davon.
Toll ist, dass jeder, der sich dazu berufen fühlt, ein eBook veröffentlichen kann. Dies ist im digitalen Zeitalter nicht mehr das Vorrecht von Verlagen. Andererseits macht es keinen Spaß, ein unlektoriertes, schlecht geschriebenes eBook zu lesen. Die Vielfalt macht es für den Leser sehr viel aufwendiger, ein lesenswertes eBook als ein gedrucktes, gutes Buch zu finden. Die Vorauswahl muss aber nicht zwangsläufig durch einen Verlag erfolgen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Leser, die gerne eBooks lesen, in ihren Online-Profilen wie Facebook, Twitter und Co. die eBooks weiterempfehlen, die ihnen besonders gefallen haben. Leser können sich dann mit denen vernetzen, die einen ähnlichen Lesegeschmack haben und sich digital intensiv und effizient austauschen. Dies wird so schnell nicht die Bestsellerlisten ersetzen, kann aber eine abwechslungsreiche Alternative für zwischendurch sein. Durch die Manuskripte, die ich für Molly chills eingereicht bekomme, lese ich z.B. sehr viel abwechslungsreicher als noch vor einem Jahr. Das hat mich auf den Geschmack gebracht und ich bin dadurch viel offener für neue Autoren geworden.
Was kommt nach dem Web 2.0?
Web 2.0 bietet noch so viel Potenzial und ist noch lange nicht ausgeschöpft. Das was wir heute sehen, ist erst der Anfang. Sehr reizvoll finde ich, wenn das Mitmachen von vielen im Internet sinnvoll verknüpft wird mit traditionellen Anbietern. Hätte ich mich z.B. vor 15 Jahren über die Headline von einem Fachartikel geärgert, hätte ich das wohl im Stillen getan, weil mir ein Leserbrief zu aufwendig gewesen wäre. Heute nutze ich die Kommentarfunktion unter dem Fachartikel, um darzulegen, was mich an der Überschrift stört. Meine Anmerkung ist öffentlich und damit für alle Leser sichtbar. Und schneller als ich gucken kann, ist die Überschrift geändert und ich in einer lebhaften Diskussion mit dem Autor. Es ist sehr einfach geworden, sich einzumischen und präsent zu sein. Wer im Internet mitmacht und sich aktiv und auf eine Weise einbringt, dass er eine Branche, ein Produkt o.ä. mitgestaltet, fällt digital auf. Daraus ergeben sich ganz neue Möglichkeiten, nach Talenten zu suchen und virtuelle Netzwerke mit realen zu verknüpfen. Wäre mein Verlag größer, würde ich die Macher von Buddy der Bus nach einer Zusammenarbeit fragen. Die Veränderungen, die so angestoßen werden, können viel Größer sein, als wir uns heute vorstellen.
Die Veränderung funktioniert dabei in beide Richtungen: Menschen können ihr Hobby im Internet dokumentieren und Gleichgesinnte finden. Daraus ergeben sich neue Chancen. Ich selber habe z.B. meinen aus den Staaten importierten eBook-Reader von Sony vor einem halben Jahr in einem Video vorgestellt. Bei Xing moderiere ich eine eBook-Reader-Gruppe mit, wodurch mir angeboten worden ist, Moderatorin der Sony Reader Community zu werden. Außerdem war ich beim Jugendformat Südwild vom Bayerischen Fernsehen zu dem Thema eBooks und eBook-Reader zu sehen und lerne viele interessante Menschen kennen.
Ich bin nicht mehr einfach nur Internet-Projektleiterin, sondern auch Inhaberin eines eBook-Verlages und ein gut vernetzter Fan des digitalen Lesens. Mein Leben ist jetzt schon durch das Web 2.0 und viele neue Kontakte sehr viel bunter geworden. Ich bin sehr gespannt, was noch in den nächsten Jahren passieren wird. Es wird auf jedenfall aufregend, da bin ich mir sicher.
Die bisherigen Teile der Web 2.0-Serie auf buchreport.de
1. blog.lob.de
2. Kommentar von Ehrhardt F. Heinold
5. beck-blog.de
6. now-in.org
8. BookRix
10. Lovelybooks.de
11. XinXii
12. Molly Chills
Kommentar hinterlassen zu "Eins-zu-eins-Abbildungen gedruckter Bücher sind zu wenig"