In den aktuellen Herbst-Programmen finden sich zahlreiche Romandebüts deutschsprachiger Autorinnen und Autoren. buchreport stellt 14 dieser Newcomer in Steckbriefen vor. Heute: Elsa Koester.
Mein Roman in drei Sätzen
Die Bellangers haben als französische Kolonialfamilie in Tunesien gelebt, nach der Unabhängigkeit bringt Großmutter Lucile ihre Töchter zurück nach Frankreich. Doch Marie wird im Paris der 60er die Sehnsucht nach der Heimat ihrer Kindheit nicht los und geht nach Deutschland, wo man die Geschichte der Pied-Noirs nicht kennt. Erst ihre Tochter Lisa kehrt nach dem Tod von Marie und Lucile in die Pariser Familienwohnung zurück, arbeitet sich durch die Geschichte ihrer Vor-Mütter und fragt sich: Ab wann hört man eigentlich auf, eine Pied-Noir zu sein?
Mein Weg zur FVA
Ich schrieb meine Journalistinnen-Kollegin Kathrin Gerlof an, deren Roman „Nenn mich November“ ich verschlungen hatte, und fragte: Ich habe einen Roman geschrieben, was tue ich jetzt? Sie verwies mich an ihre Agentin Gudrun Hebel, die, wenn sie sich einmal festgebissen hat, nicht mehr loslässt, bis jemand das Strahlen in ihren Augen erkennt und teilt. In dem Fall war das Joachim Unseld von der Frankfurter Verlagsanstalt. Sein großes Interesse an der Geschichte der Pied-Noirs tat wohl ihr Übriges.
Das Verdienst meiner Lektorin
Manchmal wollten meine Finger schneller schreiben, als mein Kopf die passenden Vokabeln für das zu Erzählende finden konnte. Jede einzelne dieser Stellen, die mit einem uneleganten Platzhalter auskommen mussten, spürte Nadya Hartmann auf. So trägt ein Hochhaus in Paris jetzt keine einzelne Balkonreihe mehr „wie einen Ring um die Mitte“, sondern als Gürtel auf der Hüfte, natürlich. Das Ringen um die passenden Vokabeln für weibliche Lustorgane konnte jedoch ich gewinnen.
Mein Eindruck von Literaturbetrieb und Buchbranche
Ich habe absolut keine Ahnung, worauf ich mich da einlasse, immer noch nicht. Da ich meine Ansprechpartnerinnen im Verlag wegen Corona noch immer nicht körperlich treffen konnte, bin ich mir eigentlich auch nicht so sicher, ob all diese klugen Literaturarbeiterinnen in Wirklichkeit existieren oder nur als Stimme in meinem Smartphone leben.
Meine Lieblingsbuchhandlung
Stadtlichter in Berlin Neukölln. Alles Wichtige aus Frankreich und Deutschland steht da. Und im Laden daneben gibt es die besten Kalamata-Oliven Berlins.
Meine Lieblingsautorin
Yasmina Reza. Jeder einzelne Satz kribbelt.
So lese ich
Entweder begeistert oder gar nicht. Ich habe null Lesedisziplin, durch Bücher kann mich nur Neugier oder Leidenschaft treiben.
Schreiben ist für mich
Ein Fluss durch Kopf, Bauch und Finger in die Welt hinaus.
Wenn ich nicht gerade schreibe
Dann schreibe ich, aber anders: nämlich politische Analysen für die Wochenzeitung „Der Freitag“.
Warum haben Sie dieses Debüt ins Programm genommen?
„Ich habe Gott nie um Kinder gebeten.“ Ein erster Satz, schallend wie eine Ohrfeige – was für ein Auftakt zu einem Familienroman! Schon dieser erste Satz setzt den Ton, der ganz nah dran ist an den Empfindungen der Figuren: direkt und unverstellt, rau und zärtlich, wütend und versöhnlich. Elsa Koester erzählt die Geschichte einer französischen Pied-Noir-Familie aus Tunesien, abwechselnd aus der Perspektive dreier starker Frauen, deren Leben von politischen Umbrüchen gezeichnet sind. Die Lebendigkeit der Figuren, die einem mit ihrem eigenwilligen Temperament im Gedächtnis bleiben, die Leichtigkeit, mit der die Autorin die Erzählstränge verwebt, die nicht nur durch drei Generationen, sondern auch nach Paris, Berlin und Tunesien führen, haben uns ebenso beeindruckt wie ihre Sprache, die mit einer hinreißenden Selbstverständlichkeit Sinnlichkeit und Emotionalität mit scharfsichtiger gesellschaftlicher Analyse verbindet. Unsere Freude könnte nicht größer sein, diesen außergewöhnlichen Roman mit möglichst vielen Leserinnen und Lesern zu teilen.
Nadya Hartmann, Lektorin
Debütanten im Herbst 2020 – im buchreport.magazin 07-08/2020
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Die Leseprobe zu ‚Couscous mit Zimt‘ ist für mich eher abstossend. Was für ein rauher, wütender Ton zieht sich durch alle Zeilen. Das macht gar nicht neugierig, sondern hinterlässt einen unangenehmen Geschmack.