Katrin Jenner (CORA Verlag / Harlequin Enterprises GmbH) machte früher das Marketing bei Tchibo. Mit dem Wechsel zu Cora lernte sie eine emotionale und agile Branche kennen. In der Serie „Seitenwechsel“ stellt Michael Lemster die Diplom-Kauffrau vor.
Sie kennen die Welt der großen Markenartikler und das Endkundengeschäft. Gegen Ihre großen Kunden steht Ihr heutiges Unternehmen als Zwerg da?…
Wir fühlen uns nicht klein und sind es auch nicht. So generieren wir beispielsweise gerade im digitalen Bereich ein erhebliches Volumen, und zwar in dem Segment, das im Markt derzeit das stärkste ist. So sind wir zwar nicht der größte Player, aber unsere Programmstärke sorgt dafür, dass wir nicht als klein wahrgenommen werden.
Was hat Sie motiviert, vom klassischen Fast-Moving Consumer-Goods-Bereich zum Verlag zu wechseln?
Ich hatte den Verlag nicht explizit auf der Agenda, wohl aber den Wechsel in eine neue Branche. Nach so vielen Jahren im Food- wollte ich in den Nonfood-Bereich. Und ich habe entdeckt: Im Verlag ist enorm viel Bewegung, anders als in den meisten Branchen – von Start-ups einmal abgesehen. Bei Tchibo haben wir uns schon gefreut, wenn unser Marktanteil um 0,2% gewachsen ist. Im Publishing sind hingegen größere Schritte möglich. Außerdem ist Cora Teil eines internationalen Unternehmens und kann mit meinen entsprechenden Erfahrungen etwas anfangen. Auch das war interessant.
Cora hat eine ganz eigene DNA und eine hohe Komplexität: Serien fürs Pressegrosso und Taschenbücher für den Buchhandel, Endkunden-Abos und Einzelheftversand, erfolgreiche digitale Bücher. Hatten Sie Schwierigkeiten, sich einzugewöhnen?
Nein, die Komplexität machte keine Schwierigkeiten. Aber der Markt an sich mit seinen besonderen Gegebenheiten – Preisbindung, Presserecht, Grosso –, das war eine Umstellung. Massengeschäft hatte ich auf beiden Seiten. Das Besondere in dieser Fülle zu finden und zu vermarkten, diese Fähigkeit braucht man überall. Aber im kreativen Verlagsumfeld mit seinen Autoren steckt mehr Herzblut als im Kaffeegeschäft. Wenn einer ein Buch geschrieben hat, in welchem er seine ganz persönliche Geschichte eingearbeitet hat, ist das für die Redaktion, aber auch für uns in der Vermarktung etwas ganz anderes. Bei Tchibo lief alles funktionaler ab, bei Cora ist das heute emotionaler. Das prägt meines Erachtens die Branche auch im positiven Sinn. Über so etwas habe ich mir vorher logischerweise nicht so viele Gedanken gemacht.
Nun könnte einer Ihrer Exkollegen sagen: Kaffee trinken die Leute immer, aber werden sie auch immer lesen? Warum macht die Katrin Jenner so was?
Zum einen, weil ich die persönliche Herausforderung brauche und die Bewegung liebe. Märkte mitzugestalten, das treibt mich. Das fand und finde ich auch nach zwei Jahren bei Cora spannend – sogar spannender, als ich es erwartet hätte. Außerdem bin ich überzeugt, dass die Menschen auch weiterhin lesen werden. Die Frage ist nur wie, in welchem Umfeld und in welchem Medium. Das ändert sich genauso, wie sich das Kaffeetrinken geändert hat – man denke nur an den To-go-Trend und den Latte Macchiato, der vor 15 Jahren noch längst nicht den enormen Stellenwert bei Kunden hatte, den er heute einnimmt.
Springer hat Cora schon vor vier Jahren aus seinem Portfolio geschoben, jetzt will Torstar das Heftgeschäft an Murdoch loswerden. Die Zeiten sind also unruhig, zu unruhig für Sie?
Nein, überhaupt nicht. Es ist ja auch nicht so, das Torstar uns loswerden will, sondern Harlequin passt offenbar sehr gut in das Wachstumskonzept von News Corp. Für uns im deutschen Markt ist das eher eine Chance. Wir glauben, dass der Deal für uns in Deutschland in allen Vertriebskanälen neue Wachstumschancen eröffnet.
Woran messen Sie Ihren Erfolg in Ihrer jetzigen Position?
Zum einen an den Absätzen und dem Ertrag, zum anderen daran, wie gut es uns gelingt, unser Portfolio erfolgreich für die Zukunft aufzustellen. Und natürlich daran, wie viele positive Rückmeldungen wir von unseren Kundinnen bekommen. Für mich ist es wichtig, abends mit dem Gefühl nach Hause gehen zu können, etwas angestoßen zu haben und einen Beitrag dazu geleistet zu haben, dass wir unsere Romane auch in 10, 15 Jahren noch gut verkaufen. Ja, und auch als Verlag im Markt wahrgenommen zu werden und das Budget optimal verteilt zu haben, mit größtmöglichem Nutzen.
Ist das kleinteilige Abogeschäft nervig?
Eigentlich nicht. Im Gegenteil, genau diese Vielfalt macht die Arbeit so spannend. Ich bin auch nicht allein, sondern habe ein Superteam mit sehr erfahrenen Leuten. Diese Möglichkeiten und die damit verbundenen Freiheiten motivieren mich. Ein weiteres Plus für mich: Wir sind schnell und können den Markt aktiv gestalten, anders als in großen Einheiten, wo die Mühlen langsam mahlen.
Ist die Verlagsbranche so eigen, wie sie sich fühlt?
Ja und nein. Die Branche gehorcht schon ihren eigenen Gesetzen. Allerdings glaube ich auch, dass sich die Verlage bei Schwierigkeiten manchmal zu sehr damit herausreden, denn am Ende des Tages verkaufen wir doch alle etwas, das der Kunde lesen möchte. Wie im Foodbereich leben auch wir im Mediengeschäft im Überfluss – von allem ist genug da. Es kommt darauf an, wie man seine Produkte am ehesten am Kundennutzen ausrichtet und in den Markt bringt. Die Vertriebsstrategie ist im Presseverlag anders geprägt als im Food, wo Listungsgespräche die Voraussetzung für den Marktzugang sind. Im Grosso hingegen muss Ihr Produkt wegen des Listungszwanges nicht zwingend gut sein, um in den Markt zu kommen. So ruhen sich die Leute ein wenig zu sehr auf dieser Besonderheit und dem „automatischen“ Marktzugang aus. Aber am Ende müssen sich alle Produkte beim Käufer bewähren. Genauso ist es mit der Digitalisierung. Im Vertrieb der großen Unternehmen spielt der Vertriebsweg schon länger eine bedeutende Rolle, im Verlagswesen kommt das jetzt über die Möglichkeit des mobilen Lesens auf E-Reader, Tablet und Co. an. Die Bewegung im Markt ist in der Verlagsbranche genauso da wie in anderen Branchen auch.
Bei Tchibo sind Sie unkonventionelle Wege gegangen, um Ihren Mitarbeiterinnen zu helfen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Haben Sie die Unternehmenskultur verändert?
Das müssen Sie Tchibo fragen. Ich hoffe, ich habe geholfen, sie zu verändern.
Wie flexibel ist die Verlagsbranche in dieser Hinsicht?
Flexibler. Das ergibt sich auch ein wenig aus diesem kreativeren Umfeld, in dem man sich bewegt. Vieles muss nicht unbedingt im Büro erledigt werden, im redaktionellen Bereich ist physische Präsenz nicht immer so wichtig. Zwar sind Frauen in Führungspositionen im Verlag noch nicht selbstverständlich, aber ich glaube nicht, dass das in anderen Branchen anders ist. Dennoch: Die Verlage bewegen sich durchaus in der verbesserungswürdigen Masse.
Wie bekommen Sie ihre beiden Töchter ans Lesen?
Mit gutem Beispiel vorangehen. Viel vorlesen, Bücher im Haus haben und diese auch nutzen, bei den Kindern Spaß am Lesen wecken, die Fantasie anregen. Bücher setzen das Kino im Kopf in Bewegung, das ist wichtig fürs ganze Leben. Auch hier meine ich nicht nur das physische Buch. Das Wie und Was des Lesens mag sich verändern, die Tatsache, dass gelesen wird, jedoch nicht.
Foto: Cora Verlag/Harlequin Enterprises
Seitenwechsel: Katrin Jenner
Zur Serie: Ein Seitenwechsel ist immer spannend; er bringt Chancen und Risiken. Vor allem aber bringt er einen Wechsel der Perspektive mit sich und ein vollständigeres Bild der Dinge. Michael Lemster hat mehrfach die Seiten gewechselt: Vom Journalismus zum Verlag, zum Versandhandel, zum E-Commerce, zum Consulting. Für buchreport befragt er Grenzgänger nach ihren Motiven.
Katrin Jenner verantwortet seit 2012 die Bereiche Vermarktung und Vertrieb für das Seriengeschäft im Pressevertrieb beim Hamburger Cora Verlag. Zuvor leitete sie bei Tchibo das Kaffee-Marketing. Die Lebensmittelbranche kennt sie auch von Kamps (Lieken AG) und Bahlsen. Ihren Titel als Diplom-Kauffrau machte sie an der Universität Münster.
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