Die Kinder- und Jugendbuchautorin Kirsten Boie ist beeindruckt von Toni Morrisons „Gott, hilf dem Kind“: „Vom Umfang her ist es eher eine Novelle als ein Roman. Man mag das Fehlen einer ausführlicheren Entfaltung der Themen für eine Schwäche halten; ich fand die Geschichte sehr präzise erzählt mit viel Raum für die Interpretation des Lesers – und oft kaum zu ertragen. Wie immer bei Morrison geht es darum, wie Diskriminierung Leben zerstören kann und wie nicht nur die Weißen in ihr gefangen sind: Lula Ann ist die schwarze Tochter eines sehr viel helleren Ehepaares, der Vater verlässt ihretwegen die Familie, selbst die Mutter kann sie nicht lieben und vermeidet jede Berührung ihrer schwarzen Haut. Um von der Mutter wahrgenommen zu werden, sagt das Kind in einem Prozess die Unwahrheit, und wegen dieser Falschaussage muss die Angeklagte ins Gefängnis. Mit ihrer Schuld kann Lula Ann nicht leben.
Natürlich geht es wieder um das Thema Hautfarbe, aber es geht noch um viel mehr: darum, wie Verletzungen, Beziehungen und Taten aus der Kindheit das gesamte weitere Leben überschatten können; um Eltern-Kind-Beziehungen; um die Entwicklung und mangelnde Stabilität von Ich-Identität und Selbstbewusstsein … Ich finde: ein wirklich lesenswertes Buch.“
Toni Morrison Gott, hilf dem Kind, 208 S., 19,95 €, Rowohlt, ISBN 978-3-498-04531-9
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