Die 1969 geborene deutsche Dichterin Monika Rinck, die Ende Juni/Anfang Juli den mit 15.000 Euro dotierten Ernst-Jandl-Preis für Lyrik in Empfang nehmen wird, liest zurzeit ein Standardwerk über die Sprache des Nationalsozialismus, das „LTI“ von Victor Klemperer: „‚LTI‘ steht für ‚Lingua Tertii Imperii‘, es handelt sich um eine kritische Untersuchung der sprachlichen Veränderungen, die der Nazismus mit sich brachte, in Form eines Essays mit tagebuchartigen Zügen. Eine ‚Balancierstange‘ nennt Klemperer diese Schrift, die ihm half, in der entsetzlichen Zeit des Dritten Reiches eine innere Freiheit zu bewahren. Anfangs zitiert Klemperer das Schiller-Distichon von ‚der gebildeten Sprache, die für dich dichtet und denkt‘, und verweist damit auf die welterzeugende Kraft der Sprache, die Gefühle lenkt – je unbewusster umso selbstverständlicher – und das gesamte seelische Wesen eines Menschen zu steuern in der Lage ist. Es zeigt sich unter den extremen Bedingungen des NS, dass es eben nicht der sprachbewusste Kritiker ist, der das zu kritisierende Phänomen durch seine Pedanterie oder Schulmeisterei erst hervorruft, sondern dass eine genaue Sprachkritik immerzu geboten ist, um menschenfeindliche Sprachverwendungen zu erkennen und zu korrigieren – wie schwierig das auch sein mag.“
Victor Klemperer LTI. Notizbuch eines Philologen, 420 S., 24,95 €, Reclam, ISBN 978-3-15-010743-0
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