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Entdecken, Schmökern, Leseerlebnis

So sieht die Startseite von Flipintu aus.

„Discoverability“ ist weltweit eines der zentralen Themen der Buchmärkte, weil bislang kaum ein Shop attraktive Mittel und Wege fürs Stöbern im Netz gefunden hat. Eines der interessantesten Projekte, um neue Zugänge zu Buchinhalten zu sondieren, stammt nicht aus Amerika, Heimat von Amazon, Goodreads und Wattpad, sondern aus Deutschland. Und startet Ostern. buchreport.de stellt Flipintu vor. 

Flipintu, die „Discovery-Plattform“ für den Online-Buchvertrieb von Ex-Terzio-Verleger Ralph Möllers, Ex-Eplus-Vorstand Uli Coenen und dem Berater (und früheren Verlagsleiter und Geschäftsführer bei Carl Hanser und Haufe-Lexware) Harald Henzler sowie dem erfahrenen Manager Michael Ladendorf (u.a. bei Fresenius, Deutsche Telekom), wurde schon auf der Frankfurter Buchmesse 2013 in Grundzügen präsentiert. Während der Oster-Feiertage soll das inzwischen ergänzte und überarbeitete Angebot – die bekannte Web-Agentur SinnerSchrader verpasste Flipintu ein Facelift – live im Netz starten.

Die Gründer von Flipintu (v.li.): Ralph Möllers (© Fabian Brandt), Uli Coenen, Harald Henzler und Michael Ladendorf.

„Dies ist die erste echte Alternative zu den reinen E-Commerce-Plattformen, die ja eigentlich immer nur eine Bestell-Website sind und wenig oder gar nichts für das individuelle Entdecken von Büchern bieten“, vergleicht Coenen. Möllers sagt, man habe „einen ganz neuen Ansatz für den Vertrieb von Inhalten gefunden“. Seine Formel: „Entdecken, Schmökern, Leseerlebnis.“

Das Konzept: Der Leser definiert, welche Themen ihn interessieren, der Algorithmus von Flipintu stellt bei jedem Aufruf der Webseite eine neue Auswahl von Inhalten (Büchern, Blog- und Zeitschriftenartikel) zu diesen Themen und zum Nutzungsverhalten des Lesers zusammen. Möllers vergleicht dies mit dem Besuch der Kochbuchabteilung in einer gut sortierten Buchhandlung, bei dem man noch kein bestimmtes Buch im Kopf hat. Der Unterschied: Die Buchhandlung à la Flipintu habe ihre Kochbuchabteilung „ganz speziell für mich sortiert“. Henzler beschreibt Flipintu als „personalisiertes Dossier mit eingebauter Bestellmöglichkeit“. 
Die Inhalte: Zum Portfolio gehören grundsätzlich Bücher, Blog- und Presse-Artikel. Bücher: Flipintu greift auf 8 Mio Titel aus dem Libri-Katalog zurück. Blogs: Unter den Buchbloggern, deren Buchbesprechungen/Tipps auf Flipintu zu finden sind, ist Steffi Leo mit über 1500 Rezensionen ihres Blogs buecherkinder.de. Presse: Die Flipintu-Macher verhandeln mit großen Tageszeitungen und Magazinverlagen, schon bald sollen neben Büchern auch E-Paper und E-Books einiger großer Häuser auf Flipintu bereitstehen, unter den ersten Presse-Verlagen an Bord ist das „Handelsblatt“. Das Konzept hier ist: Kostenlose Artikel der Medien werden kombiniert mit Paid Content aus dem Bestand des jeweiligen Verlagshauses – ein Modell, das auch mit Buchverlagen getestet werden solle.
Die Funktionsweise: Die Auswahl der Titel und Artikel beruht zunächst auf den Angaben des Nutzers, der zu jeder Kategorie auch detaillierte Unterkategorien auswählen kann. Später werden die tatsächlich angeschauten, markierten oder auch gekauften Inhalte für ein immer genaueres Leserprofil herangezogen. Je häufiger ein Kunde die Plattform benutzt, desto besser (im Sinne von passender) soll die Auswahl an Büchern und Artikeln werden.
Die wichtigsten Elemente von Flipintu:
Ein „Flipstack“ mit Lieblingskochbüchern.

Flipstacks: Der Nutzer kann seine Buchsammlungen in so genannten „Flipstacks“ anlegen, digitale Bücherregale, in denen später auch der geplante E-Book-Reader integriert wird, damit der Nutzer seine Bücher aus seinen Bücherregalen direkt in den Reader exportieren kann.

Mit dem „Kiosk“ wird ein Flipstack kommerzialisiert, zu einem kleinen Shop, der auf Webseiten eingebettet werden kann.

Kiosk: Als Erlösquelle für Blogger bietet Flipintu „Kioske“, Mini-Shops, die den „Flipstacks“ zugeordnet sind. Ein Kiosk ist eine Art „kommerzieller“ Flipstack, in dem die Bücher nicht nur präsentiert, sondern auch mit „Kauf“-Button versehen werden. Diese Kioske können, wie Youtube-Videos oder Book2Look-Leseproben, als Widgets in Webseiten und Facebook-Seiten eingebettet werden. Das Prinzip: Der Fan oder Follower eines Bloggers kauft das empfohlene Buch, und im Rahmen des Affiliate-Modells erhält der Verkäufer/Blogger, über dessen Kiosk ein Verkauf gelaufen ist, eine Provision. Die Pflege des eigenen Kiosks läuft  über den Flipstack. Wird ein Buch hinzugefügt, erscheint es automatisch in allen verbundenen persönlichen Kiosken.

Der Channel von Diogenes, mit Inhalten aus dem Diogenes-Magazin.
Channel: Verlage können kostenpflichtig „Regale“ auf der Plattform befüllen, in den „Channels“ können sie ihre Verlagsprogramme mit zusätzlichem Lesestoff für die Nutzer präsentieren. In der Praxis werden die Channel voraussichtlich thematisch bzw. auf Autoren fokussiert statt nach Verlagsmarken konzipiert werden. Über die Channel können Verlage die Leser direkt erreichen, beispielsweise kann der Verlag den Abonnenten des hauseigenen „Krimi Kanals“ neue Titel präsentieren. Coenen: „Wir werden den Verlagen maßgeschneiderte und performancebasierte Marketingdienstleistungen anbieten.“

Das Geschäftsmodell: Flipintu, so der Plan, verdient an den Verkaufsprovisionen, an Werbeerlösen und Channel-Provisionen der Verlage.

Die Investoren: sind branchenfremd (und möchten nicht genannt werden).

Die Vermarktung: Nach Ostern soll eine groß angelegte Online-Marketing-Kampagne starten, mit einem „deutlich sechsstelligen Budget“. Coenen: „Wir meinen es ernst.“

Kommentare

10 Kommentare zu "Entdecken, Schmökern, Leseerlebnis"

  1. Geht dieses Modell preisbindungsrechtlich überhaupt? Führen Affiliate-Modelle für Privatleute nicht dazu, dass z.B. Schulbücher oder Privatlektüren, die sowieso gekauft würden, mit Provision statt zum gebundenen Ladenpreis gekauft werden – über den „Flipstack“ eines Kumpels oder des Schulfördervereins etc.? siehe auch http://www.boersenblatt.net/60

  2. Amélie von Tharach | 15. April 2014 um 17:27 | Antworten

    Alle wollen das gleiche – den durchsichtigen Kunden. Den Menschen, der sich willenlos entblößt, um dann vollkommen transparent (aber meinen Slip lass ich an) einen ganz neuen Ansatz für den Vertrieb von Inhalten, mit der Botschaft „Wir haben die Flipstacks. Wir sind doch nicht blöd – aber du“ um die Ohren gehauen zu bekommen.

    Und was wird passieren? Der als unmündig diffamierte Mensch wird sich dem Wunsch nach Transparenz entziehen, zurückziehen, und allen die verquasten Newspeak Reihernden den Stinkefinger zeigen und rufen: „Ihr seid blöd, wenn ihr denkt, dass ich mich nackig mache und ihr mir Paid Content serviert, von dem ihr denkt, dass ich den kaufe. Ich bin doch nicht blöd, ich fall doch auf so einen Quatsch nicht rein.“

    Warum hab ich das Gefühl, dass alle nur mein Bestes wollen – unter Ausschaltung meines Verstandes meine totale Entblößung und meine Maus auf dem „Kaufen-Button“. Ich glaub, ich sollte mich transparent machen, und jeden Link, der die Begriffe „Content“ „Affiliate“ oder den schönen schwammigen „Ansatz“ (was für ein Kauderwelsch – wenn ich schon den Begriff „Ansatz“ lese, könnte ich kotzen) ignorieren.

    Aber zurück zum Thema. Obwohl in der Theorie clever angedacht, denke ich, dass der Markt für solche Projekte nicht nur gesättigt, sondern übersättigt ist. Aber man wird sehen, ob der gläserne Mensch da mitmacht, oder ob es ein weiteres Finanzgrab wird

    • Wow! Das ist ja mal eine Brandrede. Aber keine Angst, gnädige Frau, wir spekulieren nicht auf die Ausschaltung des Verstandes und wir wollen auch keine „totale Entblößung“. Wir wollen persönliche Angebote machen, die für den Kunden interessant sind. Schade, dass Sie sich beim Lesen des Wortes „Absatz“ übergeben müssen, ich hätte Ihnen den unseren sonst gerne erklärt. Über die vielen anderen Online-Buchhändler, die das alles schon machen und den Markt schon „übersättigt“ haben, würde ich natürlich gerne mehr erfahren. Wir haben Sie bei unseren Recherchen … oh pardon … Marktforschungen nicht gefunden.
      Und wo bitte wird in einer Online-Buchhandlung ein Mensch als „unmündig diffamiert“. Ich erinnere mich nicht, dass wir über jemanden in dieser Form geredet oder geschrieben hätten.
      Also, zeigen Sie uns gerne den „Stinkefinger“ seien Sie frei und unerforscht, behalten Sie Ihre Kleidung samt Slip an und machen Sie einen großen Bogen um Flipintu … und alle anderen gewerblichen Angebote im Internet …. und Diskussionsbeiträge in Foren oder Blogs, die Ihre Meinung öffentlich und Sie damit „vollkommen transparent“ machen.

      • Amélie von Tharach | 17. April 2014 um 16:06 | Antworten

        Lieber Herr Ralph Möller, das sieht ja fast so aus, als ob da jemand getroffen/betroffen ist. Vielleicht haben Sie in der Aufregung auch nicht richtig gelesen: Ich haben „ANSATZ“ geschrieben, und nicht „ABSATZ“, das ist ein kleiner aber feiner Unterschied. „ANSATZ“ bedeutet im Berater-Neudeutsch: „Ich hab keine Ahnung, ich stocher mit der Stange so lange im Nebel herum, bis ich jemand treffe, der aufschreit. Damit das nicht so auffällt, verbrenne ich in der Zwischenzeit das Geld meiner Kunden.“

        Absatz ist etwas anderes, aber das muss ich nicht erklären, oder doch?

        Beim lesen Ihres Beitrags ist mir lediglich die immer gleiche SEO-Berater- (fast hätte ich „Geschwätz“ geschrieben) Floskelei aufgefallen, die (wichtig wichtig) doch nur besagt: „Wir sind spät dran, wir müssen was tun, aber was?“ So lange es Internet gibt, wollen alle (wirklich alle) Anbieter „persönliche“ Angebote machen. Das ist legitim, aber ein uralter Filzhut, und funktioniert nur selten, weil der mündige Bürger besser weiß was sie/er will, als ein an Amazonien angelehnter Algorithmus.

        Mein Tipp: Nicht so viele oberwichtige SEO Neusprech-Füll-Begriffe. Na gut, „Flipstack“ klingt bei der FB-Generation zwischen 15 und 19 stylischer, als der dröge „virtueller Ablagestapel“ und „paid-content“ versteckt hübsch, dass es um bezahlte Inhalte geht. Aber es geht um Literatur, und nicht um Füllwortdrescherei. Ich wünsch mir nur (und ich weiß, das ist in der Beraterzunft unerfüllbar) mehr Nahrhaftes und nicht gleich eingeschnappt sein. Die Zeit wird zeigen, ob das was wird, oder in einer kleinen Internet-Nische sanft entschlummert.

        • Ja, das liebe ich so: Jemand schreit einen an und wenn man dann antwortet heißt es süffisant „Oh, da fühlt sich wohl jemand ertappt…“
          „Absatz“: Ooops, oder altdeutsch „huch!“ die Autokorrektur hat meinen „Ansatz“ in „Absatz“ geändert oder ich habe mich vertippt. Ansonsten enthalte ich mich weiterer Kommentare. Ich bin nicht eingeschnappt obwohl ich ziemlich unflätig beschimpft worden bin, ich sehe nur die Fruchtlosigkeit der Debatte ein.

          • Amélie von Tharach | 19. April 2014 um 9:53 |

            Lieber Herr Möller, falls der Eindruck entstanden ist, dass ich sie „unflätigt“ beschimpft oder angeschrieen haben sollte, und dadurch Ihre Autokorrektur Schnappatmung bekommen hat, entschuldige ich mich hiermit in aller Form. Das lag mir vollkommen fern. Ich wollte mit meinem Erstkommentar lediglich zum Ausdruck bringen, dass sich der Eingangstext unter weglassen der SEO-Begrifflichkeiten, und das „schielen“ nach dem sich durch sein Klick-Verhalten offenbarenden Kunden, Käufer und Leser, der Eingangstext locker auf 5 Zeilen reduzieren lassen hätte. Die Kernaussage des Eingangstextes ist doch „wir bieten das an, von dem wir denken, dass es Kunden haben wollen.“ Also eine Binsenweisheit, die jeder Bäcker und jeder Metzger seit 1000 Jahren kennt.
            Zu Flipintu kann ich nur sagen, dass es sehr hübsch geworden ist. Man sieht, dass einige Investoren viel Geld investiert haben. Dennoch denke ich (und das ist meine private Meinung) dass zum Beispiel Amazon nicht mal einen Nadelstich spüren wird. Auch kann ich das unique selling proposition trotz vieler auf den ersten Eindruck beeindruckender Features als Laie leider nicht erkennen. Flipintu ist guttheoretisch angedacht, aber mein B(a)uchgefühl sagt mir, dass es eine ausgebaute Einbahnstraße ist. Zu viele Angebote, die sich ergänzen stürzen auf einige wenige Leser, die zunehmend weiterführenden Links und Rezensionen misstrauen ein. Und wenn erst das Handelsblatt, Brigitte und das Neue Blatt (das sind Beispiele) Zusatz-Content einblenden, werden sich nach meiner Meinung die wenigen Internet-Leser mit Grausen abwenden.
            Über die Moral des Projektes möchte ich nicht urteilen müssen. Dass Verlage zunehmend und unter Umgehung der traditionellen Absatzkanäle (der klassische Buchhandel) sich in solchen Projekten engagieren, ist nach meinem persönlichen Empfinden, moralisch mehr als bedenklich. Die Verlage hätten den stationären Buchhandel mit besseren Handelsspannen stärken sollen, das hätte mehr gebracht. Aber wie ein bekannter Experte aus einem bekannten Verlag (Albert Enzian) vor einigen Jahren treffend sagte: „Ist es auch nur Tand, verkaufen ist keine Schand`“
            Also nichts für ungut, und weiterhin frohes Schaffen.

  3. Die Verlage wollen gläserne Kunden, logisch! Fragt sich nur, ob auch die Kunden ausgeforscht werden wollen. Es geht ja nicht um ein paar nette Kommentare, sondern um eine Durchrasterung des Lesens.

    • Ja, wir wollen dem Kunden persönliche, interessante Angebote machen, so wie jede gute Buchhändlerin. Oder ist das auch eine Durchrasterung wenn meine Lieblingsbuchhändlerin mir sagt: „Das wird Ihnen gefallen! Sie haben doch schon den Autor XY so gerne gelesen.“

      • Genau! Und wenn mir die Buchhändlerin mit ihrem „Mehr vom Gleichen“ auf die Nerven geht, dann wechsle ich zur nächsten Buchhandlung. Aber es gibt dann keinen data record über das erste gekaufte und das zweite nicht gekaufte Buch. Vorausgesetzt, ich habe bar gezahlt.

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