Am 13. April 2009 feiert Zeruya Shalev 50. Geburtstag. Zum Jahrestag erinnert buchreport in Kooperation mit dem Verlag J.B. Metzler an den Bestseller-Roman „Liebesleben“. Ein Auszug aus dem neuen Kindlers Literatur Lexikon, das am 4. September 2009 erscheint.
Chajjej Ahawa
(hebr.; Liebesleben, 2000, M. Pressler)
In Ich-Form, fast atemlos, erzählt der 1997 erschienene Roman die Geschichte einer ›amour fou‹, die von (Sehn-)Sucht, sexuellem Begehren, Hörigkeit und Verzweiflung geprägt ist. Eine unerwartete Begegnung mit Arie, dem Freund ihrer Eltern, der nach langen Jahren im Ausland nach Israel zurückgekehrt ist, bringt das Leben der jungen verheirateten Ja’ara aus dem Lot. Vom ersten Moment an verfällt sie der erotischen Anziehungskraft dieses ebenso rätselhaften wie arroganten Egozentrikers. Arie, dessen Ehefrau dem Tod entgegensieht, bringt sie dazu, an ihrer eigenen Ehe zu zweifeln und ihren Mann als einen langweiligen, phantasielosen Partner zu betrachten.
Aus der Bahn der Alltagsroutine geworfen, entfernt sie sich von ihren Freunden, vernachlässigt ihr Studium der Bibelwissenschaften und gefährdet dadurch ihre akademische Karriere. Auf der Suche nach dem Sinn ihres »Liebeslebens« entdeckt Ja’ara ihre Weiblichkeit und erfährt nicht zuletzt auch von der verdrängten, verheimlichten Jugendliebe zwischen Arie und ihrer Mutter. In einem mitreißenden Erzählstrom, der durch eine ungeheure Sprachgewalt gekennzeichnet ist, werden innere Monologe, Rückblicke, detaillierte, gewagte Beschreibungen sexueller Handlungen und Reflexionen – teils ernst, teils grotesk – miteinander verschmolzen.
Chajjej Ahawa, der erste Roman in Shalevs Trilogie über das Familienleben (in deutscher Übersetzung folgten Mann und Frau, 2001, und Späte Familie, 2005), steht im Zeichen der sich zu Wort meldenden weiblichen Stimme sowie des Rückzugs ins Private – beides kennzeichnend für die zeitgenössische hebräische Literatur. Angesichts einer Vielzahl von lobenden Kritiken verkaufte sich Shalevs Bestseller auf dem deutschsprachigen Buchmarkt wie kein anderer hebräischer Roman zuvor. 2007 wurde er von Maria Schrader verfilmt.
• Lit.: Y. Schwartz: The Frigid Option. A Psychocultural Study of the Novel ›Love Life‹ by Z. S., in: History and Literature, Hg. W. Cutter, 2002, 479–488. • V. Shemtov: The Bible in Contemporary Israeli Literature, in: Hebrew Studies 47, 2006, 364–384.
Anat Feinberg
Zur Person: Zeruya Shalev
geb. 13.4.1959 Kibbuz Kinneret (Israel)
Tochter des hebräischen Dichters Mordechai Shalev; Studium der Bibelwissenschaften; Verlagslektorin in Jerusalem; Verfasserin von Romanen, Lyrik und Kinderliteratur.
Mehr zum neuen Kindler unter www.derkindler.de
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