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Entskandalisierung einer Geschichte der Skandale

Bestsellerautor Manfred Lütz will mit Falschinformationen aufräumen: Sein neues Buch ist eine Neuerzählung der Geschichte des Christentums.

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Kommentare

1 Kommentar zu "Entskandalisierung einer Geschichte der Skandale"

  1. Josef Breinbauer | 1. Mai 2018 um 20:12 | Antworten

    Das SKANDAL- Buch von Manfred Lütz ist eine Zumutung, was natürlich die erzkatholische Presse nicht eingestehen kann. Also braucht es ein paar Beispiele, um zu zeigen,wie Lütz vorgeht und dabei mit seinem durch fromme Scheuklappen eingeengten Blick vieles unter den Teppich kehrt. Der wölbt sich inzwischen ganz gehörig.
    Im Lob von Toleranz und Gewaltlosigkeit der Christen (S. 35 ff.) kann sich Lütz kaum eingrenzen. Doch nicht einmal untereinander kamen die Christen ohne Gewalt aus. Natürlich bleibt daher bei ihm unerwähnt, dass bei der Papstwahl im Jahre 366 die Leute des dann erfolgreichen Damasus eine Kirche stürmten und darin 137 Anhänger seines Rivalen Ursinus umbrachten. Auch die sog. „Räubersynode“ von Ephesos (449) kann nicht gerade als Muster des respektvollen Umgangs der Christen miteinander gewertet werden. Skandale gibt es für Lütz aber erst nach der Jahrtausendwende. „Und wenn das Ende der Welt damals gekommen wäre, müssten wir uns bei der Bilanz des Christentums nicht mit den klassischen Skandalen aufhalten, denn es gab sie nicht. Es gab in den ersten tausend Jahren des Christentums weder Kreuzzüge noch Inquisition oder Hexenverfolgungen, auch keine Pogrome und ebensowenig eine dauerhafte Kirchenspaltung mit der Ostkirche. Man erwarb sich Verdienste bei der Humanisierung der Barbarei…..“( S.63 f.). Allein schon das frevelhafte Vergehen von Papst Stephan VI. gegen seinen Vorgänger Formosus auf der Leichensynode von 896/97 macht eine solche Behauptung unglaubwürdig. Fehlanzeige auch der kirchliche Rangstreit 1062/63, als sich in Goslar die Leute des Bischofs von Hildesheim und die des Abtes von Fulda in der Kirche gegenseitig die Köpfe einschlugen, bis feststand, wer neben dem Mainzer Erzbischof sitzen darf. Lampert von Hersfeld, Annalen a. 1063: …multi utrimque vulnerati, multi occisi sunt…Mit der Solidarität der Glaubensbrüder untereinander war es also noch nicht so gut bestellt wie es uns Lütz glaubhaft machen will. Und wenn es ums Geld geht, hört die Friedensliebe der Christen auch gegenüber anderen Christen schnell auf: Eroberung von Zara beim Kreuzzug (1202).
    Auf Seite 44 unterstellt Lütz dem Kaiser Konstantin, dass dieser im Sinne der Gewaltlosigkeit des Christentums handeln wollte. Ob das Licinius, Fausta und Crispus auch so sehen, dürfte fraglich sein. Nicht zu vergessen, dass der Christengott für Konstantin zunächst ein Schlachtenhelfer war. Bei der Regelung der Osterfrage hatte Konstantin auch ein paar „Streicheleinheiten“ für die Juden übrig: „Nichts sei uns gemein mit dem feindlichen Volk der Juden!“
    Das Buch von Lütz lässt sich genüsslich zerpflücken. Das Kapitel über die päpstliche Unfehlbarkeit entbehrt fachlicher Tiefe. In diese Zeit des Pontifikats von Pius IX. – auf die Mortara-Affäre sei hier gar nicht eingegangen – gehört auch dies: Der Skandal um die Nonnen von Sant‘ Ambrogio, den Hubert Wolf ausführlich beschrieben hat, kann natürlich bei Lütz keine Erwähnung finden. Der Gipfel von Heuchelei ist es, wenn Joseph Kleutgen, der sich als Beichtvater der Nonnen zu deren hübschesten ins Bett gelegt hatte, sich später in einer Predigt an die studierende Jugend wendet und die Unkeuschheit als Weg zur Hölle anprangert (Predigten von Joseph Kleutgen, Zweite Abtheilung, Pustet Verlag 1874, S. 99-117). Unbequemen Wahrheiten muss man einfach aus dem Weg gehen.
    Was Lütz zum Thema Frau oder zum Nationalsozialismus schreibt, bleibt ebenfalls geschönt. Von Brückenbauern wie Karl Adam, Joseph Lortz oder Michael Schmaus nimmt er natürlich Abstand. Um sein Bild des Katholizismus in der NS-Zeit nicht trüben zu müssen, liest man bei ihm weder vom „Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“, welches die Phil.-Theol. Hochschulen Bayerns 1933 unterzeichneten, noch vom „Handbuch der religiösen Gegenwartsfragen“, hrsg. mit Empfehlung des deutschen Gesamtepiskopats von Erzbischof Conrad Gröber (1937). Vom kath. Feldgesangbuch von 1939 und diversen Hirtenbriefen deutscher (Erz-)Bischöfe aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs hat Lütz ebenfalls keine Ahnung oder er kehrt dies bewusst unter den Teppich.
    Fazit: Manchmal fragt man sich schon, wie klar oder unklar der Kenntnisstand von Herrn Lütz ist. Es ist tröstlich, dass sich seine Aussagen problemlos zurechtstutzen lassen. Von dem hohen Ross, auf dem er besserwisserisch durch die Kirchengeschichte reitet, kann man ihn leicht herunterholen.

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