Beyer beherrsche das epische Panorama ebenso wie die poetische Mikroskopie. „Ob Gedicht oder Roman, zeitdiagnostischer Essay oder Opernlibretto, für Marcel Beyer ist Sprache immer auch Erkundung“, so die Begründung der Jury. „Er widmet sich der Vergegenwärtigung deutscher Vergangenheit mit derselben präzisen Hingabe, mit der er die Welten der Tiere und Pflanzen erforscht. Er hat den Sound der Straße im Ohr, er kennt die Testgelände der ästhetischen Avantgarden, er ist vertraut mit der tückischen Magie der Medien. Seine Texte sind kühn und zart, erkenntnisreich und unbestechlich. So ist während dreier Jahrzehnte ein unverwechselbares Werk entstanden, das die Welt zugleich wundersam bekannt und irisierend neu erscheinen lässt.“
Der studierte Literaturwissenschaftler schloss sein Studium 1992 mit einer Arbeit über Friederike Mayröcker ab. Von 1989 bis 2000 gab er gemeinsam mit Karl Riha die Reihe „Vergessene Autoren der Moderne“ heraus. Von 1992 bis 1998 veröffentlichte er in der Musikzeitschrift „Spex“. 1991 debütierte er als Romanautor mit dem Buch „Das Menschenfleisch“, im selben Jahr erschienen Gedichte unter dem Titel „Walkmännin“. Einer breiten, auch internationalen Öffentlichkeit wurde Marcel Beyer 1995 mit seinem Roman „Flughunde“ bekannt. Darin erzählt er vom Zweiten Weltkrieg, von der Instrumentalisierung der Sprache durch die Propaganda und von Experimenten mit menschlichen Stimmen. Es folgten die Lyrikbände „Falsches Futter“ (1997) und „Erdkunde“ (2002) sowie die Romane „Spione“ (2000) und „Kaltenburg“ (2008). Beyer macht hier erneut die Gegenwärtigkeit des Vergangenen sichtbar und zeigt, wie sich Wissenschaft in Literatur „übersetzen“ lässt (Kaltenburg). Ebenso veröffentlichte er Erzählungen, Essays wie „Nonfiction“ (2003) und „Putins Briefkasten. Acht Recherchen“ (2012). 2014 legte Marcel Beyer seinen Gedichtband „Graphit“ vor, eine in zwölf Jahren angewachsene Gedichtsammlung, in der er seine Erforschungen von Sprache, Landschaften und Kulturen weiter fortsetzt.
Seine Bücher erscheinen bei Suhrkamp.
Beyer hat zahlreiche Poetikdozenturen wahrgenommen. Gemeinsam mit dem Komponisten Enno Poppe hat er drei Opern geschrieben. Außerdem schrieb er das Libretto zu Manos Tsangaris „Karl May, Raum der Wahrheit“.
Auszeichnungen (Auswahl):
Uwe-Johnson-Preis 1997
Joseph-Breitbach-Preis 2008
Oskar Pastior-Preis 2014
Kleist-Preis 2014
Bremer Literaturpreis 2015
Düsseldorfer Literaturpreis 2016
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