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Erfolgreiches Management heißt gut streiten

Edgar Rodehack, Organisationsberater für Agiles Management, auf buchreport.de

Organisationsberater Edgar Rodehack © Jan Ingenhaag

Wenn Konflikte nicht oder nicht gut gelöst werden, ist das ein Problem. Vor allem, wenn es produktiv zugehen soll. Also: Immer. Höchste Zeit, sich um das Thema zu kümmern und richtig streiten zu lernen. Organisationsberater Edgar Rodehack über ein Thema, das oft totgeschwiegen wird.

Immer und überall haben wir damit zu tun. Trotzdem gehen wir in Konflikten mit uns und anderen oft schlecht um: Vor Problemen verschließen wir gekonnt und beharrlich die Augen, wir reden beflissentlich und variantenreich um Themen herum, zerreden Entscheidungen, verfügen diktatorisch, was zu tun ist oder drücken mittels anderer Zwangsmethoden unseren Willen durch. Und wenn all diese Stricke reißen? Findet sich schon ein Sündenbock.

Von Durchdrückern und Drumherumdrückern

Immerhin fühlen wir uns mit derlei Maßnahmen oft unwohl, was uns nicht davon abhält sie als gängige und normale Formen der Konfliktlösung zu verstehen und zu akzeptieren. Das aber ändert nichts daran, dass sie zu einer Lösung nichts Wesentliches beitragen, schon gar nicht zu einer guten. In Wahrheit fördern sie ungute Entwicklungen, die unser intuitiv unangenehmes Gefühl verursachen und die im Endeffekt gute Qualität und Wertschöpfung behindern.

Entgegen der landläufigen Überzeugung handelt es sich bei Konflikten nicht um allgemeine, objektive Sachfragen, die strittig sind und deshalb heiß und energiereich debattiert werden. Wäre dies so, würden wir Argumente ruhig und offen austauschen, um sie gemeinsam abzuwägen und dann zu entscheiden. Zu diesem „vernünftigen“ Vorgehen sind wir in konfliktreichen Situationen aber gerade nicht in der Lage, siehe oben. Was ist da also los?

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Unabhängig von der Sachfrage, die es zu klären gilt, kommt es zum Konflikt, wenn sich bei mindestens einem Konfliktpartner oder -partnerin eine emotionale Frage in den Vordergrund drängt, die mit der Streitfrage direkt nichts zu tun haben muss. Es geht für sie/ihn dann um die Frage, was in der aktuellen Situation aus ihrer/seiner Sicht wichtig und richtig ist zu tun. Diese Frage beziehen Menschen stets (zunächst) auf sich: Was ist für mich generell und in der aktuellen Situation wichtig? Psychologisch gesehen ist Wichtigkeit eine emotionale Kategorie, die Menschen bewerten, indem sie ihre persönlichen, einzigartigen, höchst individuellen Erfahrungen, Überzeugungen, Intuitionen und besonders ihre Bedürfnisse und Werte abrufen. All diese Dinge sind als (unbewusste) emotionale Muster abgespeichert. Sie sind – zumindest im ersten Moment – nicht verhandelbar. Und: Menschen sind biologisch darauf programmiert, ihre Bedürfnisse und Werte zu verteidigen, sofern sie sie bedroht sehen.

So kommt es, dass Konflikte meist wenig mit der augenscheinlich strittigen Sachfrage zu tun haben, woran sie sich entzünden. Zum Beispiel dann, wenn sich ein Fachexperte, der als Koryphäe gelten möchte (Bedürfnisse, Werte), Einwände und Nachfragen grundsätzlich als Angriff auf seinen Expertenstatus wertet. Die Nachfrage ist nur Auslöser für einen Konflikt, der vom persönlichen Empfinden des Einzelnen abhängig ist und im ersten Moment auch nur dort zu verorten ist.

Die individuell gefühlte Bedrohung erklärt auch, warum wir in Streitereien oft in Stress geraten, jenes archaische, automatische und deshalb kaum zu kontrollierende psycho-biologisches Muster. Zumindest in wichtigen oder langanhaltenden Konfliktsituationen beschert uns Stress einen hartnäckigen Tunnelblick und aktiviert oft unangemessen aggressive Entweder-Oder-Handlungsmuster („Er oder ich!“): Wir sind dann überzeugt, uns entweder um jeden Preis durchsetzen oder eine (totale) Niederlage hinnehmen zu müssen. Andere Möglichkeiten sehen wir dann nicht mehr. Obwohl es sie natürlich gibt.

Konfliktstrategien

Grundsätzlich kann man zwischen 5 verschiedenen Strategien unterscheiden. Sie sind davon abhängig, inwiefern wir uns an den eigenen Interessen oder Bedürfnissen orientieren (möchten oder können) oder an jenen der Konfliktpartner:

1. Durchsetzen

  • Haltung: „Meine Interessen sind wichtiger als andere und haben Vorrang“.
  • Ziel/Ergebnis: Eigene Maximalforderungen durchsetzen.

2. Nachgeben

  • Haltung: „Meine eigenen Interessen sind unwichtig, die der anderen haben Vorrang.“
  • Ziel/Ergebnis: Maximalforderung des Konfliktpartners stattgeben.

3. Vermeiden

  • Haltung: „Weder meine Interessen noch die Interessen der anderen sind wichtig und sollen berücksichtigt werden.“
  • Ziel/Ergebnis: Bewusst, unbewusst, aktiv oder passiv wird der Konflikt ignoriert oder gar negiert, Auseinandersetzungen werden gemieden.

4. Kompromiss

  • Haltung: „Es ist wichtig, dass meine Interessen und die der anderen zumindest teilweise berücksichtigt werden.“
  • Ziel/Ergebnis: Beide Konfliktpartner rücken von Maximalforderungen ab und gehen für die Lösung aufeinander zu.

5. Win-Win

  • Haltung: „Meine Interessen und die der anderen sind gleichwertig und sollen möglichst maximal erfüllt werden.“
  • Ziel/Ergebnis: Beide Maximalforderungen werden annähernd erfüllt.

Klar entschieden ist gut gestritten

Je nach Situation und Absicht können alle diese Strategien berechtigt sein und zum Ziel führen. Also spricht auch nichts dagegen, sich durchzusetzen oder nachzugeben. Allerdings nur, solange sie nicht die einzigen verfügbaren Strategien sind. Denn: Verfestigen Menschen, Organisationen oder ganze Kulturen einzelne Muster, werden sie unflexibel. Auf veränderte Rahmenbedingungen, unerwartete oder unbekannte Situationen können sie nicht mehr angemessen reagieren. Sie sehen alternative gute oder u.U. dringend benötigte Lösungen nicht mehr.

Sich selbst oder andere zu managen, bedeutet im Wesentlichen: Entscheiden. Also aus mehreren Möglichkeiten eine Option zu wählen. Das ist immer mit Konflikten verbunden, denn dabei werden Alternativen eingeschätzt, bewertet und abgewägt. Deshalb: Wollen Sie sich und Ihre Organisation dauerhaft erfolgreich managen, sorgen Sie stets für eine große persönliche und organisatorische Flexibiliät. Am besten wird Ihnen das gelingen, indem Sie für eine gute Streitkultur sorgen, die zu Ihren kurz-, mittel- und langfristigen Zielen passt und jenen Ihrer Organisation.

Dazu müssen Sie sich und Ihren KollegInnen eigentlich nur aufmerksam selbst auf die Schliche kommen und Automatismen austricksen: Fragen Sie sich und andere immer, zumindest aber in entscheidenden Situationen, was jetzt wirklich wichtig und wesentlich ist. Bringt Sie das, was Sie gerade dabei sind zu tun, Ihren wirklichen, also übergeordneten mittel- und langfristigen Zielen näher? Dann erst entscheiden Sie. Ihre Zukunft wird es Ihnen danken.

 

Über Edgar Rodehack

Edgar Rodehack ist Organisationsberater, Teamentwickler, Coach und Projektleiter. Ausbildung im Einzelhandel, danach geisteswissenschaftliches Studium und gleichzeitiger Einstieg in die Verlagsbranche als Redakteur. Studienabschluss und Auslandsaufenthalt in Dublin/Irland mit internationaler Vertriebs- und Projekt-Erfahrung in der IT-Branche. Rückkehr nach Deutschland und Wiedereinstieg in die Verlagsbranche. Dort in zwölf Jahren mehrere vertriebs-, service- und IT-nahe Positionen: Projektleiter, Key Account Manager, Abteilungsleiter. Seit 2013 branchenübergreifend freiberuflich aktiv.

Kommentare

1 Kommentar zu "Erfolgreiches Management heißt gut streiten"

  1. Leider lernen die wenigsten von uns, systematisch und strukturiert mit Konflikten umzugehen. Wir fallen, wie Sie richtig darstellen, in die Schemen zurück, die uns die Natur mitgegeben hat: Aggression, Flucht oder Tot-stellen. Das Problem bei diesen regelhaften „Lösungsstrategien“ sind weniger sie selbst, denn die können ja durchaus mal angebracht sein; das Problem ist der Automatismus, mit dem sie in unserem Kopf eingeschaltet werden, ohne dass wir vorher reflektieren. Und dieses Nachdenken ist ab Ziffer 4 oben notwendig. Sobald uns klar wird, dass es in einem Konflikt nicht darum geht, wer gewinnt und wer verliert, haben wir eine Chance zu einer tragfähigen Lösung, die für beide Seiten akzeptabel ist. Wir können erlernen wie das geht – und uns selbst helfen. Allerdings gelingt das nicht in allen Fällen. Und dann bringt uns Hilfe von außen weiter: die Mediation. Ein Mediator hilft uns dabei, dass wir in den tosenden Wirren eines oftmals auch mit Emotionen verbundenen Konflikts, in dem wir vielleicht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen, den Blick für die Lösung nicht zu verlieren.
    Herzliche Grüße
    Philip Gass

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