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Es fehlt hierzulande an Autoren mit Biss

Bastei Lübbe will 2013 als erster deutscher Verlag Schreiben lehren. Der Bestseller-Autor Andreas Eschbach gehört zum Team der „Academy“-Dozenten. Im Interview erklärt Eschbach, warum solche Schreibschulen überfällig sind und was an vielen angehenden Schriftstellern heute zu bemängeln ist. 
Dass Verlage selbst Schreibschulen anbieten, ist in Deutschland exotisch – auch sinnvoll?
Exotisch auf jeden Fall, aber angesichts all der vielen Kunstakademien und Musikhochschulen längst überfällig. Und im Grunde nicht seltsamer, als wenn Automobilhersteller Kfz-Mechaniker ausbilden.
Sie haben vor fünf Jahren Schreibseminare abgehakt, jetzt steigen Sie für Lübbe wieder in den Ring. Mit welcher Motivation? 
Man hat mich gefragt, und ich habe gemerkt, es reizt mich doch wieder. Das Konzept gefällt mir. Die grundsätzliche Motivation dahinter ist dieselbe wie früher: Ich lerne selber auch immer dazu, wenn ich anderen etwas erkläre. Wobei das Sprechen über das Schreiben andererseits oft das eigene Schreiben hemmt; da hoffe ich, dass ich die Balance finde. Wenn nicht, muss ich eben wieder aufhören.
An Schulen beklagen Lehrer das sinkende Bildungsniveau der Schüler. Stimmen Sie ins Lamento ein?
Nein, es fehlt nicht an Talenten, aber es fehlt an Leuten, die sich anstrengen, um aus ihren Talenten das Beste zu machen. Dem bin ich auch in der Schreibwerkstatt in Wolfenbüttel viel zu selten begegnet: Dass jemand Biss gezeigt hat. Dass sich jemand die Messlatte hoch legt, sich große Ziele setzt. Ob es dagegen mehr Leute gibt, die mit der Sprache auf Kriegsfuß stehen, das kann ich nicht beurteilen. Als so überragend habe ich meine Schulzeit und das, was da als Unterricht bezeichnet wurde, jedenfalls nicht in Erinnerung.
Wird es den Autoren heutzutage angesichts der Vielzahl an Stipendien und Preisen zu leicht gemacht?
Mit Stipendien kenne ich mich nicht aus, aber von den vielen Preisen kommen mir die meisten  albern vor. Der Deutsche Buchpreis ist doch der erste einigermaßen vernünftig dotierte Literaturpreis in Deutschland. Nein, was den fehlenden Biss anbelangt, kommt mir das eher wie eine unheilvolle, weit verbreitete Haltung vor: Man will hingetragen werden und nur das Nötigste dafür tun. Es mangelt an dem grundsätzlichen Verständnis, dass Schriftsteller kein Beruf ist wie, sagen wir, Personalsachbearbeiter, sondern eine Karriere: Eher zu vergleichen mit Tennisspielen. Dass es da harte Konkurrenz gibt und man nichts erreicht, wenn man nicht alles tut, was man kann. Wobei selbst das keine Garantie ist für irgendwas. Und man muss es trotzdem tun, weil man es eben muss.
Creative Writing hat in den USA einen anderen Stellenwert. Hemmt der Genie-Kult die Deutschen?
Da hat sich viel gelockert. Man stößt heutzutage nicht mehr auf panische Abwehr, wenn man sagt, dass es auch beim Schreiben handwerkliche Dinge gibt, die man lernen kann und muss. Und nur um die geht es ja in solchen Seminaren. Was die Creative Writing-Kurse in den USA anbelangt, höre ich in letzter Zeit von amerikanischen Kollegen meistens, dass die nicht mehr das seien, was sie mal waren. Wir brauchen also nicht mehr so neidisch zu sein wie vor zwanzig Jahren.
Für welche Genres bieten sich solche Schreibschulen an?
Das ist nicht an Genres festzumachen. Für Hochliteraten gibt es ja schon lange das Literaturinstitut Leipzig, die würden sich vermutlich dagegen verwahren, als Genre bezeichnet zu werden. Und das, was ich unterrichten werde – Spannung – ist ja etwas, was man gerne in jeder Art Text hat.
Sie halten einen Kurs im Pembroke College in Oxford ab, wo Tolkien den „Hobbit“ geschrieben haben soll. Was ist von Tolkien zu lernen?
Ich habe zu wenig Tolkien gelesen, um das beurteilen zu können. Aber ich schätze, als Lehrer für das Thema „Weltenbau“ wäre er großartig.
Zur Person: Andreas Eschbach

studierte Luft- und Raumfahrttechnik, wechselte aber noch vor dem Abschluss in die EDV-Branche. Bücher schreibt Eschbach seit seinem 12. Lebensjahr. Den Durchbruch feierte Eschbach im Jahr 2000 mit dem Roman „Das Jesus-Video“.

Kommentare

3 Kommentare zu "Es fehlt hierzulande an Autoren mit Biss"

  1. Offensichtlich sind auch die Verlage inzwischen darauf aufmerksam geworden, dass man mit dem Traum „Autor werden“ risikofreier Geld verdienen kann, als mit dem Veröffentlichen von unbekannten Autoren. Schröpfen kann man sie hingegen ganz einfach. Wenn ich mir die überhöhten Seminarpreise ansehe und die Titel z.B. „50 Shades of you“ angelehnt an das handwerklich (und inhaltlich) schlechteste Buch, welches ich je gelesen habe und das ganz klar noch unter Schulaufsatzniveau liegt, dann erzeugt das bei mir nur „50 Shades of Grauen“.
    Ich bin gespannt, wann der erste Pornofilm einen Oskar erhält, die Absatzzahlen für dieses Genre sind auch nicht zu verachten. Wen interessiert da noch die Qualität.

    Und was Biss und Ziele anbelangt – ich strebe natürlich den Literaturnobelpreis an. Deswegen benötige ich zum Schreiben eines Buches eben mehr Zeit, als nur einen Monat. Dumm nur, dass ich nicht (mehr) in einer Diktatur lebe (oder anderweitig politisch interessant) und kein Mann bin, dass würde mir diesen Preis in etwas greifbarere Nähe rücken. Aber ich bleibe dran!

    Zum Literaturbetrieb in Deutschland fällt mir zur Zeit nur ein Wort ein – zynisch.

  2. Biss ist gut, ja, sollte jeder junge Autor haben, oder es am besten gleich sein lassen. Aber die meisten von ihnen werden sich keine 400 – 2000 Euro leisten können, um solche Kurse zu machen.

    Dann wird es dort wieder nur Hobbyautoren geben, die irgendwelchen seichten Bullshit schreiben.

  3. Thorsten Nesch | 9. Januar 2013 um 8:05 | Antworten

    Biss und große Ziele sind gut.
    Aber als ich nach Jahren vom Kontinent „where the sky is the limit“ zurückkehrte, wurde mir schnell wieder klar gemacht, dass ich im Land bin, wo es heißt „kleine Brötchen backen“.

    Biss und große Ziele brauchen auch entsprechende Adressaten.

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