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»Es geht darum, gute Arbeit abzuliefern und auch vorzuzeigen«

Trainerin Deborah Ruggieri. Foto: Catberry Studios

Trainerin Deborah Ruggieri. Foto: Catberry Studios

Trainerin Deborah Ruggieri hat sich intensiv damit auseinandergesetzt, wie Geschlechterrollen entstehen und welche Auswirkungen sie im Arbeitsleben auf Frauen und auf Männer haben – auch in der Medienbranche. Beim ausgebuchten Wochenendseminar der BücherFrauen in Berlin am 9./10. September und vorab im HR-Channel von buchreport.de zeigt sie, wie Frauen Hierarchien und stereotypisierte Verhaltenszuschreibungen erkennen, um sie für die eigene Kommunikation zu nutzen.

Sind im Publishing Frauen kompetenter oder Männer?

Das ist eine interessante Frage, die ich pauschalisierend nicht beantworten will. Kompetenz lässt sich nicht am Geschlecht festmachen. Doch Repräsentanz und Verteilungen anhand von Stellenbesetzung und Gehältern lassen sich erheben, und dazu gibt es interessante Einblicke u.a. 2016 aus der Studie „Frauen und Medien“ des Deutschen Kulturrats. Im Ergebnis lässt sich ähnliches beobachten wie in anderen Wirtschaftszweigen. Macht- und Prestigebereiche sind noch vermehrt mit Männern besetzt – obwohl die Medienbranche nach Aussage des Reports eine weibliche ist. Das zeigt sich auch in Preisvergaben, in der Besetzung von Jurys und Entscheiderpositionen. Hier ist in Bezug auf Gleichberechtigung noch Musik drin.

Erfolgstrainer Jack Nasher sagt sinngemäß „Deine tatsächliche Kompetenz kann auf den ersten Blick ohnehin niemand beurteilen, also konzentriere Dich darauf, kompetent zu wirken.“ Eine Aussage, die nur von einem Mann kommen kann? Wie viel Wahrheit ist an diesem Satz?

Unabhängig ob Mann oder Frau, das Label „Erfolgstrainer“ finde ich eher amüsant. Doch inhaltlich stimme ich der Aussage insofern zu, als es auf dem ersten Blick schwierig ist, Kompetenz komplett zu beurteilen, das wäre oberflächlich und würde dem Menschen nicht gerecht werden.

Davon abgesehen, ist das Wie in der Kommunikation mindestens genauso wichtig wie das Inhaltliche. Das wird oft vergessen und ist gleichzeitig sofort sichtbar. Wie komme ich in einen Raum? Wie gehe ich auf Menschen zu und wie präsentiere ich meine Arbeit? Das drückt sich dann in der Haltung, der Präsenz und der Nutzung der Sprache aus.

Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Ich kann ja wunderbar meine Kompetenzen zur Schau stellen – es braucht zur Kraft der Überzeugung auch Menschen, die ich damit erreiche und hier ist mir Nashers Aussage zu pauschal. Es gibt interessante Erkenntnisse aus der Sozialpsychologie zur Wirkung des ersten Eindrucks. Beispielhaft ist hier Amy Cuddy zu nennen, sie hat in ihren Studien herausgefunden, dass beim ersten Eindruck zwei Dinge innerhalb von Sekunden festgestellt werden. Kann ich dem Menschen vertrauen? Kann ich den Menschen respektieren? Der Weg zu dieser Art Autorität führt über das Vertrauen in sich selbst: zu wissen, was ich kann und was ich nicht kann, und damit gelassener umzugehen. Wenn ich das lebe, komme ich weg vom reinen „Zurschaustellen“ und konzentriere mich nicht nur auf mich und meine Wirkung, sondern kann mich auch auf mein Gegenüber einlassen, was für erfolgreiche Kommunikation eine Kernkompetenz ist. Dadurch entsteht Souveränität.

Manche Experten sagen, Frauen stehen ihrer eigenen Durchsetzung selbst im Weg, da es ihnen – wie übrigens manchen Männern auch – um die Sache geht und nicht um die Macht. Würden Sie dies bestätigen?

Dieser Beschreibung stehe ich aus zwei Gründen skeptisch gegenüber. Der erste Grund ist die individualisierte Zuschreibung, die die Tatsache jahrhundertealter Stereotpyen und struktureller Ausschlüsse von Frauen aus Macht- und Entscheidungsbereichen vollständig ausklammert.

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Der zweite Grund ist, dass hier Sache und Macht getrennt gesehen werden. Dieses „mir geht es nur um die Sache“ ist oft ein Schutzargument. Dahinter versteckt sich eine interessante Sichtweise auf Macht. Natürlich gibt es das Motiv Macht – Macht zu bekommen und zu erhalten, egal worum es inhaltlich geht. Doch Macht hat unterschiedliche Gesichter. Beispielsweise im Sinn Max Webers bedeutet Macht, die eigenen Interessen auch gegenüber anderen Interessen durchsetzen zu können. „Macht“ und „machen“ hängen zusammen. Macht bedeutet, gestalten zu können.

Tradierte Geschlechterrollen fördern die Beziehungsorientierung bei Mädchen und Frauen mehr als bei Männern, dort wird der Wettbewerbsgedanke mehr gefördert. Frauen sind eher kooperationsorientiert, was für beide Geschlechter nichts Schlechtes ist. Doch Kooperation funktioniert nicht immer, gerade wenn Verhandlungspartner/innen unterschiedlich gepolt sind.

Ist Sachbezogenheit allein vielleicht schon ein Eingeständnis von „Schwäche“, indem sie signalisiert, dass man statusbezogenen Auseinandersetzungen aus dem Weg geht?

Ich kann auch hervorragend statusbezogen auf der Sachebene argumentieren, Statusverhalten drückt sich ja auf unterschiedlichen Ebenen aus. By the way hilft es auch, Konflikte ein bisschen spielerischer zu sehen und nicht zu ernst zu nehmen. Wenn ich eine Sache wirklich wichtig finde, sie unbedingt vorantreiben möchte, dann ist sie eher mit mir persönlich verknüpft – das heißt emotional ist man dichter dran. Wenn andere sich nicht inhaltlich einsetzen und mit dem Status spielen und man selbst dagegen ernsthaft an der Sache interessiert ist, sind das unterschiedliche Ebenen der Kommunikation, das kann dann auch schon mal nerven.

Hier helfen eine Prise Gelassenheit und die Kompetenz, charmant hartnäckig zu sein, ohne sich selbst in der Diskussion zu sehr aufzubrauchen.

Nehmen Sie einen Unterschied in der Bezahlung weiblicher und männlicher Verlagsmitarbeiter bei identischer Jobbeschreibung und Erfahrung wahr?

Da ich Wissenschaftlerin bin, habe ich zwar auch persönliche Wahrnehmungen, doch das ist kein Grund für eine fundierte Aussage. In dieser Hinsicht helfen der Datenreport des Kulturrats und die Analysen der Bücherfrauen weiter.

Liegt es allein am Auftreten, wie viel eine Frau verdient?

Die Frage hat sich schon mit den Antworten zur Durchsetzungsfähigkeit größtenteils beantwortet. Es wäre ja so schön einfach, Bezahlung nur am Auftreten festzumachen, denn dann wären alle anderen von der Verantwortung für gleiche Bezahlung unabhängig vom Geschlecht ausgenommen. Nein, ganz so einfach ist es dann doch nicht.

Wer hier korrigieren möchte, kann am individuellen Verhandlungsgeschick ansetzen, an den Kulturen von Verlagen in Bezug auf eingeschriebene Geschlechternormen und auch natürlich an gesellschaftlichen Diskussionen.

Frauen kuschen, Verleger sparen. Da ist doch die Welt der Verlage in Ordnung, oder?

Wenn ich diese diese Logik ironisch konsequent zu Ende denke, dann müssten ja in die Entscheiderpositionen noch mehr Frauen, dann würden die Verlage dadurch noch mehr sparen…
Im Ernst finde ich es bedenklich, wie im Kulturbereich deutlich mehr an festen Stellen mit guter Bezahlung gespart wird. Für fundierte Recherchen beispielsweise braucht man Zeit, differenzierte Berichterstattung ist im journalistischen Bereich Kernkompetenz. Durch die Durchökonomisierung im Verlagswesen leiden oft die Qualität und nicht minder die Mitarbeitenden.

Gibt es neben den Gehältern noch andere wichtige Punkte, die Frauen durchsetzen wollen oder sollten, aber nicht gut können?

Interessanterweise gibt es praktisch nichts, was Frauen nicht so gut können wie Männer oder umgekehrt. Geschlechterpräferenzen für bestimmte Fächer oder Themen entwickeln sich mit den zugehörigen Gesellschaften. Sie sind also der bewussten Beeinflussung zugänglich.

Ich persönlich wünsche mir, dass mehr Männern und Frauen auf allen Ebenen die Gleichstellung unterstützen. Zu oft wird Gleichstellung als Frauenthema platziert, was so nicht stimmt. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es gibt genug Männer, die Machtspielchen um der Macht willen albern finden, die stereotype Rollenerwartungen hinterfragen. Ich wünsche mir eine größere Vielfalt und Sichtbarkeit von unterschiedlichen Kompetenzen, Stärken und Lebensentwürfen, da hat die Branche eine Vorbildfunktion.

Was sind Ihre Empfehlungen für das Powerplay in „heiligen Verlagshallen“?

Heilige Verlagshallen hören sich doch schon einmal gut an, eine kleine ironische Überspitzung, die hilft, das „Heilige“ wieder auf den Boden der Tatsachen herunterzuholen.

Es geht darum, gute Arbeit abzuliefern und auch vorzuzeigen. Statusverhalten kann Frauen helfen, die eigene kommunikative Werkzeugkiste zu erweitern. Die hohe Kunst ist es, sich in Sachfragen durchzusetzen, ohne Menschen anderer Meinung zu diskreditieren. Hier verhilft eine spielerische Herangehensweise zur Souveränität.

Können auch Männer diese anwenden, oder gibt es einen spezifischen “Ladies’ Way”?

Das gilt für beide Geschlechter.

 

Deborah Ruggieri studierte in Berlin Kultur-/Politikwissenschaften und Kunstgeschichte. Nach erfolgreichen beruflichen Stationen in einer renommierten Berliner Kommunikationsagentur, wo sie Führungsverantwortung für bis zu 70 Mitarbeiter/innen wahrnahm, leitete und koordinierte sie Projekte im gemeinnützigen Bereich. Seit 2010 ist sie selbstständige Trainerin, Coach und Dozentin.
Ihre Schwerpunkte liegen in der Karriere- und Führungskräfteentwicklung, Begleitung von Mentoring-Programmen, Genderkompetenz als Schlüsselqualifikation, Diversity Management, performativem Auftreten und professioneller Gesprächsführung. Darüber hinaus arbeitet sie im wissenschaftlichen Bereich zu den Themen internationale Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik, Erneuerbare Energien aus Geschlechterperspektive & Gleichstellungspolitik.

Zu ihrer Jahrestagung 2017 laden die BücherFrauen unter dem Thema „Herausforderung Strukturwandel – Bedrohung oder Chance?“ vom 10. bis 12. November 2017 nach Hamburg ein.

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