Der Göttinger Verleger und Drucker Gerhard Steidl (Foto: Klaus Steindorf-Sabath), der sich in der Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern und als Verleger von Günter Grass einen Namen gemacht hat, hält seit Jahrzehnten handwerkliche Qualität in der Buchproduktion hoch. Die Edel AG, die derzeit ihr Repertoire von Musik und Film Richtung Buch erweitert, hat in Röbel an der Müritz das Druckzentrum ihrer Produktions-Tochter Optimal erweitert und in Kooperation mit Steidl unter dem Label „edel Platinum supervised by Steidl“ einen Hochqualitäts-Druckbereich für Bücher und Akzidenzen eingerichtet. In Röbel soll künftig für den hochwertigen Buchmarkt, mit besonderer Kompetenz beim Foto- und Kunstbuchdruck, produziert werden. Die Edel-Buchproduktion arbeitet damit nach einem ähnlichen Konzept wie Steidl in seiner „Manufaktur“ in Göttingen, der gegen alle Outsourcing-Ideen Verlegen und Drucken aus einer Hand propagiert und beklagt, dass die Ganzheitlichkeit in der Buchfertigung längst verloren gegangen sei.
Wie steht es derzeit um die deutsche Buchdruckkultur?
Schlecht, jedenfalls was die Qualität anbelangt. Die Inhalte werden immer besser, es ist wunderbar, was eine neue Generation von Schriftstellern abliefert, aber die Herstellung ist eine Katastrophe. Das fängt bei den Buchumschlägen an: Diese Lebendigkeit, die es früher einmal gab und diese Vielfalt in der Gestaltung mit Zeichnungen und Grafiken ist heute einer Einheitslösung mit Fotografien gewichen. Jeder Umschlag hat ein Foto und es sind beliebige Fotos, die aus den Beständen der Bildagenturen stammen. Die Buchkultur kommt mehr und mehr auf den Hund.
Das Buch als alltägliches Gebrauchsgut…
Deshalb muss man aber nicht lieblos minderwertige Papiere einsetzen und auf sinnliche Qualitäten verzichten. Der Genuss beim Lesen besteht doch nicht nur darin, den Inhalt aufzunehmen, sondern auch darin, ein Gewicht in der Hand zu halten, Farbe zu riechen, das Umschlagen der Seiten zu hören, die Schrift wahrzunehmen, das ist ein ganzheitliches Erlebnis. Dies zu erzeugen, wurde früher von Gestaltern und Druckern beherrscht, deren Kenntnisse sind aber in der heutigen Buchindustrie verloren gegangen. Dort zählen nur noch Absatzzahlen und Produktionsdaten. Wenn das so weitergeht, wird das Buch verlieren, denn natürlich ist es dann einfacher, einen Text auf einem Lesegerät wie dem „Kindle“ zu lesen. Das blättert sich leicht um, die Seiten sind gut zu erkennen, warum sollte jemand dann noch ein schlecht gedrucktes Buch mit auf Reisen nehmen?
E-Book ist das eine Trendthema, das andere heißt Print-on-Demand, weil das Lagern teuer ist. Sieht es für das herkömmliche Buch nicht gut aus?
Ja, aber aus eigener Schwäche. Wenn Bücher so schlecht gemacht sind wie beispielsweise in England, wo inzwischen praktisch keine Hardcover mehr produziert werden und man die billigen Paperbacks nicht anfassen mag. Der Markt wurde zerstört durch die Rabattierung, weil die Preisbindung fehlt und weil Hardcover und Paperback fast zeitgleich auf den Markt gebracht werden. Wenn diese Tendenz zu uns herüberschwappt, wäre es um Bücher wirklich schlecht bestellt. Der Genuss, ein Buch in der Hand zu haben, ist nur dann vorhanden, wenn es qualitativ hochwertig ist. Alles andere kann man sich auch auf dem Bildschirm oder auf dem E-Book-Reader ansehen.
Das gilt aber nicht für Bildbände?
Dort könnte das Buch seine Stärken ausspielen, und das ist in meinem Verlag neben den literarischen Büchern ein großes Thema. Wenn Bildbände aber so gedruckt sind wie eine illustrierte Zeitschrift oder manchmal sogar schlechter – denn Magazine wie „Spiegel“ und „Stern“ und selbst einige Qualitätszeitungen sind ja hochwertig gedruckt –, dann gibt es keinen Grund, sie zu kaufen. Für mich ist ein gut gedrucktes Fotobuch oder ein Kunstband eine Galerie in Buchform. Dann muss diese Galerie in Buchform aber auch die gleichen Qualitätsansprüche erfüllen wie ein Museum.
In Deutschland haben wir zwar die Preisbindung, aber stagnierende bis rückläufige Preise. Was kann der knapp kalkulierende Verleger tun?
Qualität und Preise erhöhen. Im Grunde ist das wie mit der Bio-Landwirtschaft. Sie können ein schlechtes Schweineschnitzel für einen sehr niedrigen Preis bekommen oder ein qualitätvolles zu einem höheren Preis. Es kann nicht sein, dass in jedem Jahr mehr und mehr Novitäten erscheinen, dass Bestseller hochgepuscht werden und dann nach kurzer Zeit alles verramscht wird. Ich glaube, der Markt wird sich aufspalten in Buchobjekte, die liebevoll hergestellt sind, und in den Ramsch. Und der Ramsch teilt sich auf in Print-on-Demand, Paperbacks sowie Taschenbücher und in die Bildschirmäquivalente zum Herunterladen.
Kann die Branche die Menschen aktiv bilden?
Ja, wenn sie sich ein wenig umorientiert, zum Beispiel Buchvernissagen macht – nicht nur für Bildbände, sondern auch für Literatur. Es geht nicht nur ums Lesen, sondern auch um das Zelebrieren des Objekts Buch. Meine Arbeit besteht im Kern darin, für Künstler Multiples zu machen. Das Multiple ist ein industriell hergestellter Kunstgegenstand, und für mich ist die schönste Form des Multiples das Buch. Es wird mit den Ansprüchen der Tradition, zugleich mit modernsten Mitteln und Methoden hergestellt, aber sinnlich, praktisch, gut riechend, optisch brillant. Solche Bücher werden nach meiner Einschätzung immer Abnehmer finden. Mit diesen Objekten kann man auch höhere Preise durchsetzen.
Was ist mit dem Massenmarkt außerhalb von Liebhaberpreisen?
Ich bin gar nicht gegen den Massenmarkt bei Büchern. Bücher demokratisieren Inhalte. Es war die Wirkung Gutenbergs, dass nicht nur ein paar reiche Leute ein handgeschriebenes Exemplar bekommen konnten, sondern dass Bücher ein großes Publikum erreichten. Ich bin sehr dafür, dass die breite Masse auch gut gedruckte Bücher bekommt, die erschwinglich sind. Es geht nicht darum, den Taschenbuch-Markt zu revolutionieren. Taschenbücher sind gut gedruckt und für den Zweck völlig ausreichend. Ich appelliere aber daran, auch Alternativen und eine qualitative Bandbreite anzubieten. Es gibt einen Liebhabermarkt, eine recht komfortable Nische, die entwicklungsfähig ist. Nur das Know-how, so etwas zu produzieren, ist bei Druckereibetrieben und auch in der Verlagsbranche kaum noch vorhanden.
Die Fragen stellte Thomas Wilking
Das gesamte Interview im buchreport.magazin 10/2008
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