Der Deutsche Handelskongress in Berlin beleuchtet die Handelsrevolution durch den Online-Handel. Die Situation des Buchhandels präsentiert Weltbild-Chef Carel Halff (Foto: Weltbild): „Von Büchern kann man viel lernen…“
Stationär – digital – grenzenlos: Unter diesem Motto beleuchtet der Deutsche Handelskongress (veranstaltet vom Einzelhandelsverband HDE und der Verlagsgruppe Handelsblatt) die „neue Handelswelt“. Die Herausforderung durch E-Commerce wird für alle Einzelhandelsbranchen als dramatisch bewertet. Außen vor erscheint noch am ehesten der Lebensmittelhandel.
Als besonders betroffen gilt auch aus Sicht von Rednern anderer Branchen der Buchhandel. Weltbild-Chef Halff spielt in Berlin den Ball zurück: „Tatsächlich kann man von Büchern viel lernen. Aber alle Einzelhändler müssen ihre Geschäftsmodelle neu erfinden: Buch und Elektronikmärkte gestern, Mode- und Schuhbranche heute, die Möbelbranche in zwei Jahren.“ Statt bisher möglichst große Verkaufsflächen seien technologische Innovationen der Erfolgshebel.
„Thalia kein echter Wettbewerber mehr“
Für Weltbild/DBH sei Thalia kein echter Wettbewerber mehr („Sie kennen die Meldungen, da schweigt der Gentleman“), dafür flute Amazon als Nr.1 im Buchmarkt die Branche, wobei Bücher dort nur Mittel zum Zweck seien, fürs Image und zur Kundenbindung, um das eigentliche Geschäft mit anderen Produkten zu forcieren.
Auf Nachfrage von Kongress-Moderatorin Dunja Hayali (ZDF) kritisierte Halff unter großem Beifall die Möglichkeit für Amazon, deutsche E-Books von Luxemburg aus mit 3% Mehrwertsteuer zu verkaufen, während deutsche Händler 19% berechnen müssten: „Die EU subventioniert Amazon, das ist keine Chancengleichheit.“
Während Vorredner Karl-Erivan W. Haub (Tengelmann) mit Hinweis auf E-Books dem stationären Buchhandel bereits das Aus prophezeite, relativierte Halff. Das physische Buch werde bis auf weiteres mehr Bedeutung haben als die E-Books. Zwar werde der stationäre Buchhandel von aktuell 50% bis 2017 auf 30% Marktanteil schrumpfen, aber es werde weiterhin – wenn auch kleinformatigere – Buchhandlungen geben, die auch eine wichtige Komplementärfunktion für den Online-Vertrieb behielten. Das funktioniere bei neu gestalteten Läden bereits gut: „Sie machen auf kleinerer Fläche mehr Umsatz als bisherige Großflächen, und im lokalen Umfeld steigen parallel die Online-Umsätze.“
“ Katholische Kirche subventioniert Weltbild“ wäre auch mal eine passende Überschrift.
Populistisches scheint ja derzeit sehr anzukommen im Buchhandel. Aber erstens hindert niemand Weltbild daran, nach Luxemburg zu ziehen (wo sich der Anbieter seines Online-Shops mW ohnehin schon befindet) und zweitens ist dieser Vorteil 2015 mit der Neuregelung der Zuständigkeit für die Mehrwertsteuer beim Versandgeschäft ohnehin obsolet. Und drittens ist es grade vor allem die EU, die versucht, gegen die luxemburger Steuervorteile vorzugehen. Aber auf „die in Brüssel“ zu schimpfen kommt ja gut an, da muss man es mit den Fakten nicht so genau nehmen.