Die Kritik am Buchhandel für den Boykott des umstrittenen Autors Akif Pirinçci setzt sich fort: Nachdem bereits der Publizist David Berger eine Lanze für die Meinungsfreiheit brach, adressiert jetzt der Schriftsteller Thor Kunkel (Foto: Hagen Schnauss) einen Offenen Brief (veröffentlicht bei der Wochenzeitung „Junge Freiheit“) mit ähnlichem Tenor an den ehemaligen Pirinçci-Verlag Random House.
Kunkel fährt schweres Geschütz auf: Es gehe hier um die wirtschaftliche Vernichtung eines Autors, der es wage, sich offen gegen das System zu stellen: „Ihr wollt ihn jetzt den überfälligen Preis zahlen lassen und habt dabei ein fürchterliches Zeichen gesetzt“, stellt Kunkel klar – und folgert: „Eure Aktion ist – bitte verzeiht – menschenverachtend.“
Besonders treibe ihn der Ärger über die bei Random House publizierenden Autoren um, „die Gesinnungsliteraten, die sonst täglich zig Petitionen unterzeichnen“ und „eure Aktion feige beschweigen“.
Ich habe Thor Kunkel auf der Seite der Jungen Freiheit geantwortet und tue es auch hier:
Lieber Thor,
ich bin nicht Deiner Ansicht und störe mich auch an Deiner Wortwahl.
Ich erkenne keine Zensur: Für Zensur ist der Staat zuständig – ein
Verlag verlegt jemanden oder auch nicht, aber diese Entscheidung kann man nicht Zensur nennen.
Du schreibst von wirtschaftlicher Vernichtung von Pirincci durch den Verlag. Ich finde, Random House hat Pirincci lange genug Zeit gelassen, sich auf andere ökonomische Füsse zu stellen – Pirinicci hatte sich ja auch schon lange einen neuen Verlag gesucht.
Du schreibst selbst, dass sich Pirincci „gegen das System stellt“.
Gibt es denn nach Deiner Auffasung überhaupt keine Grenze beim Angriff auf die Werte einer Gesellschaft, eines Verlags, ab der der Verlag die Geschäftsbeziehungen beenden darf? Oder sind sie nur bei den jetzigen Reden von Pirincci noch nicht erreicht?
Ich jedenfalls halte einen Text wie diesen für offen rassistisch:
http://der-kleine-akif.de/2015…
Zum „Präzedenzfall“ und zu den anderen Autoren: Ich erinnere mich an meine Zeit bei Rotbuch. Als damals deutlich wurde, dass Sascha Anderson ein IM war, gab es Rotbuch-Autoren (es waren ja viele ostdeutsche Dissidenten dabei), derentwegen wir unmöglich weiterhin Sascha Anderson hätten im Programm halten können – es wäre für alle ein Schlag ins Gesicht gewesen.
Du fährst schwerste verbale Geschütze auf: Kloppjagd, Mafia der Politischen Korrektheit, Bücherverbrennung, Auslöschung, Neuauflage des von den Nazis initiierten Rituals, menschenverachtend, krudeste Form von Zensur, wirtschaftliche Vernichtung, fürchterliches Zeichen.
Offensichtlich ist es Dir ein ernstes Anliegen, dem Du mit den Mitteln des Schriftstellers (und weil Du als Schriftsteller besonders empfindlich für das Thema bist) Ausdruck verleihen möchtest.
Aber hältst Du die Wortwahl auch auf den zweiten Blick wirklich für angemessen?
Der Mensch Pirincci wird nicht durch eine Vertragsbeendung ausgelöscht, und das „Werk“ auch nicht. Beim ZVAB sind gerade 467 Bücher von Pirincci zu bestellen.
Zu den in den Kommentaren angesprochenen Buchhändlern:
Ich bin für Meinungsfreiheit auch der Buchhändler.
http://www.kohlibri-blog.de/20…
Herr Kunkel hat völlig recht, wenn er von Zensur spricht, daran ändern auch begriffliche Nebelkerzen nichts. Natürlich geht es ihm um die Frage der Selbstzensur, und für die braucht man bekanntlich keine staatliche Instanz. Aber man kann einen Autor auch bewusst missverstehen.
Dass Pirinçcis-Werk nicht „ausgelöscht“ sei, weil seine Bücher ja noch bei ZVAB zu haben wären, ist eine wirklich drollige Sicht der Dinge – und wird den Autor sicher freuen. Wem bei der stattfindenden sozialen und beruflichen Vernichtung von Pirinçci nicht mulmig wird, dem ist wirklich nicht zu mehr zu helfen – dazu muss man übrigens seine Verbalinjurien nicht gut finden und darf ihn getrost für einen „Knalldeppen“ (Michael Klonovsky) halten.
Und was die hier so häufig angesprochene Meinungsfreiheit der Buchhändler betrifft: Sicher dürfen Buchhändler eine Gesinnung haben, aber sie dürfen sie nicht ihren Kunden aufzwingen. Was hat es mit Meinungsfreiheit zu tun, wenn man andere bevormundet und ihnen vorschreibt, welche Bücher sie lesen dürfen und welche nicht? Auf einen solchen Buchhandel lässt sich gut verzichten.
Ich find’s ja auch nicht toll, was da passiert, weil mir bei einer Zusammenrottung moralintrunkener Heuchler immer mulmig wird, aber der Begriff „Zensur“ trifft den Tatbestand wirklich nicht. Es wird ja nichts gesetzlich verboten. Es handelt sich um einen geschlossen durchgeführten Boykott. Den halte ich für problematisch genug, weil ich es auch dem Buchhandel nicht überlassen will, über akzeptable Inhalte zu bestimmen.
Herrn Pirinçci steht es aber frei, seine Werke im Internet oder im Selbstverlag zu veröffentlichen und zu vertreiben. Bei einer Zensur wäre das nicht der Fall. Es handelt sich also mitnichten um ein Publikations- oder Berufsverbot, wohl aber um eine Ächtung durch den offiziellen Literaturbetrieb.
Herr Pirinçci ruft bei mir nur bedingt Mitleid hervor: Wer austeilt, muss auch einstecken können. Dennoch werde ich den Eindruck nicht los, dass hier nur deshalb ein Exempel statuiert wird, weil es die Branche nichts kostet, weder moralisch noch finanziell.
Eine konzertierte Aktion,um einen Kritiker wirtschaftlich zu vernichten.Bücherverbrennung ist gar nicht nötig,es geht auch so.
Gefährden Katzenkrimis die Freiheitlich demokratische Grundordnung?
War da was mit Berufsverbot?
Ja ticken die nicht richtig, diese selbsternannten Tugendwächter des freien Worts? Dürfen Buchhändler keine Gesinnung haben – und schlicht selbst entscheiden, was sie wem verkaufen wollen?
Übrigens kann jeder alle Bücher – auch von Dumpfbacken – im Netz bestellen.
Random House schämt sich offenbar nicht, mit Deutschland schafft sich ab – einem Buch, dass umso ekelhafter war, als es den Ressentiments weiter Teile der gesellschaftlichen „Mitte“ Ausdruck verlieh – den dicken Reibach gemacht zu haben. Die Buchhändler werden auch klammheimlich frohlockt haben. Natürlich steht es jedem Verlag frei, zu entscheiden, was seinen Ruf gefährdet (aber wohlgemerkt: in Großbritannien ist Random House der Verlag, bei dem „Mein Kampf“ erscheint: http://www.randomhouse.co.uk/e… ), und ebenso jedem Buchhändler, nichts zu verkaufen, was seinem Gewissen widerspricht, aber ausgerechnet diesen Autor und ganz besonders seine früheren unpolitischen Werke zu proskribieren, scheint mir doch überzogen zu sein.
Mag die literarische Fallhöhe auch geringer sein (aber was maße ich mir da ein Urteil an, der ich kein Buch von Pirinçci gelesen habe), aber Rowohlt verdient ja auch noch Geld mit dem Autor der Bagatelles pour un massacre, und mir die Werke Knut Hamsuns zu verkaufen hat sich auch noch kein Buchhändler geweigert.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass man hier an einem nunmehr wirtschaftlich unbedeutend gewordenen Autor (die in guten Zeiten mit ihm verdienten Gelder behält man freilich gerne, oder werden die Gewinne von Felidae nun etwa der Flüchtlingshilfe gespendet?) sein Mütchen kühlen und ein paar Punkte für gute Gesinnung sammeln will. Und ich würde mir doch sehr wünschen, dass Appelle für die Meinungsfreiheit (gerade, wo man sich mal wirklich die Nase zuhalten muss) nicht der Jungen Freiheit vorbehalten blieben.