Dass weder die Übersetzer noch die Verlage über das neue Urteil des Bundesgerichtshofs froh sind, war schon kurz nach dem Urteilsspruch klar. Doch wie tief die Unzufriedenheit sitzt, zeigt sich erst jetzt: Der Münchner Hanser Verlag will das Urteil per Verfassungsbeschwerde anfechten.
Hintergrund: Der BGH hatte sich gegenüber einem früheren Urteil bei der Bewertung der Nebenrechte wie z.B. Taschenbuch- und Hörbuch-Lizenzen korrigiert, mit der Festlegung, dass dem Übersetzer an diesen Erlösen grundsätzlich eine Beteiligung in Höhe von einem Fünftel dessen zusteht, was der Autor des fremdsprachigen Originals erhält.
Die Münchner fürchten horrende finanzielle Nachforderungen, die die Übersetzer rückwirkend geltend machen könnten. Sollte die noch ausstehende Urteilsbegründung die sich bisher abzeichnende rechtliche Situation nicht verändern, werde man eine Verfassungsbeschwerde auf den Weg bringen, erklärte Dirk Stempel, Leiter für Rechte und Lizenzen bei Hanser, gegenüber buchreport.de.
Folge: Besonders Verlage ohne eigene Taschenbuchverwertung wie Hanser oder Kunstmann fürchten, durch das Urteil geschwächt zu werden, weil sie von ihrem Erlösanteil mehr Geld an die Übersetzer abführen müssten – und zwar auch nachträglich, sollten Übersetzer die unangemessene Vergütung bei bisherigen Übersetzungen gerichtlich durchboxen. Allein bei Hanser geht man von möglichen Nachforderungen von maximal im siebenstelligen Bereich aus.
„Das mögen Verlage unserer Größenordnung verkraften, kleinere aber nicht“, erklärt Stempel. „Das Urteil trifft die Mehrheit der Branche“, wirbt Stempel dafür, dass sich andere Verlage der möglichen Beschwerde anschließen. „Wir leben von Lizenzerlösen, davon müssen wir unter anderem die Investitionen bestreiten – das könnten wir dann aber nicht mehr.“
Stempel geht davon aus, dass die Branche besonders durch das neue Urteil an gemeinsamen Vergütungsregeln nicht herumkommt. Diese seien bislang an unrealistischen Forderungen der Übersetzer gescheitert. Doch da die Übersetzer ebenfalls nicht mit dem neuen BGH-Urteil zufrieden seien, würden diese voraussichtlich ihre Position überdenken.
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