Die heutige Ausbildung von Buchhändlern ist zu branchenfixiert. Wir müssen dringend Fertigkeiten entwickeln, mit denen wir im Tagesgeschäft neue Kunden gewinnen und bestehende Kundenbindung festigen können.
Die Diskussion über Ausbildungsinhalte für den angehenden Handelsnachwuchs ist notwendig und eine Chance, die Branche fit für die Zukunft zu machen. Mit der Diskussion um die Inhalte beginnt parallel oder vielleicht auch untrennbar damit verbunden, eine Diskussion in welcher Form neue Publikationsformen eine Rolle in der Ausbildung und damit in der Branchenzukunft spielen sollen.
Es liegt mir nichts daran, der Branche eine Richtung zu empfehlen. Ob Händler und Verlage ihre Umsätze mit digitalen oder traditionellen Publikationsformen erzielen, ob wir unsere Geschäftsmodelle auf Bestseller oder Nischenangebote stützen, werden unsere Kunden entscheiden.
Ich glaube, dass die Branche vielseitig genug ist, dies alles anzubieten. Interessanter finde ich die Frage, ob Buchhandelsauszubildende heute auf die Anforderungen im Tagesgeschäft und im Kundenkontakt vorbereitet werden.
Die bisherigen Lehrpläne scheinen den Anspruch zu vertreten, den Auszubildenden ein umfassendes Faktenwissen über die Branche, das Medium Buch und nicht zuletzt belletristische Literatur zu vermitteln. Fächer wie Rechnungswesen sollen den angehenden Branchennachwuchs in die Lage versetzen, mit anfallenden Verwaltungsaufgaben zurechtzukommen und Grundlagen in der Betriebswirtschaft zu erlernen. Dabei wird das Wirtschaften noch immer als ein notwendiges Übel gesehen, obwohl es doch viel mehr ist, als Kennzahlen zu jonglieren.
In meinen Augen ist der heutige Ansatz zu branchenfixiert. Wir schauen zu sehr auf uns, obwohl wir Fertigkeiten entwickeln müssen, mit denen wir im Tagesgeschäft neue Kunden gewinnen und bestehende Kundenbindung festigen können.
Dürfte ich heute, mit einigem Abstand zur eigenen Buchhandelsausbildung, die Lehrpläne gestalten, würde ich mich auf Grundlagen beschränken, die dem Arbeitsalltag der Buchhändlerinnen und Buchhändler direkt zugute kommen.
Verkaufsgespräche, Warenpräsentation, Beschwerdemanagement/Konfliktmanagement, Kundenbeziehungsmanagement, betriebswirtschaftliche und rechtliche Grundlagen, allgemeine Warenkunde und Arbeitsorganisation.
Im Zentrum des Handelns sollte in meinen Augen der Kunde und dessen Bedürfnisse stehen. Also liegt es für mich auch nahe, angehende Buchhändler vor allem für den Kundenkontakt zu schulen. Die Begeisterung für Literatur und das Lesen kann doch sicherlich vorausgesetzt werden.
Zudem könnte man dem Branchennachwuchs das Angebot machen, Techniken zur Stressbewältigung und Stressabbau kennenzulernen, da die Tätigkeit im beratenden Verkauf für viele Buchhändler auf Dauer eine erhebliche Belastung bedeutet.
Die Frage, ob man in der Berufsschule auch über digitale Inhalte und deren Verbreitung spricht, halte ich für sekundär. Es liegt in meinen Augen zunächst in der Verantwortung der Arbeitgeber, im Laden angebotene Produkte den Angestellten näherzubringen.
Ein jeder Arbeitgeber hat die Möglichkeit, Auszubildende einzustellen, die sich neben Literatur in gedruckter Form, eben auch für neue Publikationsformen interessieren.
Gelingt es dem Handel nicht, auch solche Auzubildende für die Branche zu begeistern, müssen wir uns über unsere Außenwirkung Gedanken machen. Es ist sicherlich möglich, an Berufsschulen Ideen und Konzepte zur Digitalisierung zu präsentieren und es ist auch ratsam, dass Bildungsinstitution Branchenentwicklungen aufgreifen und thematisieren.
Es wird uns jedoch nicht gelingen, an Berufsschulen Identifikation und Begeisterung mit dem Internet und neuen Wegen der Inhalteaufbereitung zu „unterrichten“.
Gehen wir davon aus, dass wir auch in den nächsten Jahren noch Kunden im stationären Handel begrüßen dürfen, sollten wir uns deren Bedürfnissen zuwenden und nicht aus der Fixierung auf das Medium „gedrucktes Buch“, eine Umorientierung auf „gedrucktes und digitales Buch“ vollziehen. Es geht um unsere Kunden, nicht um die Publikationsform.
Fabian Siegel ist Student an der HTWK Leipzig
Wo bleibt die Bedeutung des Buchhändlers?
Der Ansatz ist sehr interessant, da auch ich der Meinung bin, dass der Kundenorientierung immer noch viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Anstatt in Schulungsmaßnahmen und gezielte Weiterbildung in Bezug auf den Kunden von heute(!) zu investieren wird immer noch eher darauf geschaut wie man am günstigsten ein- und am teuersten verkaufen kann. Das kann heutzutage nicht mehr das Ziel sein.
Doch wenn es um den Beruf des Buchhändlers geht, der schon in seiner Ausbildung hauptsächlich mehr Zeit mit der Kundenbindung bzw.-betreuung beschäftigt werden soll, sehe ich das etwas anders. Ich bin schon der Ansicht, dass das Ziel klar für jeden Auszubildenen erkennbar sein muss, dass der Kunde nunmal Priorität hat und nicht die Warenpflege oder das Auspacken. Dennoch sollte berücksichtigt werden, dass der Beruf des Buchhändlers doch noch einer gründlichen Ausbildung in Bezug auf die Ware und den Neuheiten, die sie mit sich bringt, bedarf Schließlich muss noch eine klare Abgrenzung zwischen dem Einzelhändler an sich und der spezialisierten Form (dem Buchhändler) erkennbar sein, sonst wird es immer mehr dazukommen, dass der Beruf ausstirbt und durch Aushilfen und Teilzeitkräfte ersetzt wird, die vielleicht gerne mal ein Buch in die Hand nehmen. Das darf einfach nicht sein, wenn der Beruf als solcher noch weiterexistieren soll. Als gelernete Kauffrau im Einzelhandel habe ich miterlebt, wie Aushilfen, den Job von gelernten Buchhändlern übernommen haben, die dann auf spezielle Kundenanfragen einfach keinen Rat wussten. Deswegen denke ich, dass eine besonders intensive,regelmäßige und spezialisierte Warenkundeschulung einen großen Beitrag leisten kann, den Beruf des Buchhändlers nicht zum „Aushilfsjob“ verkommen zu lassen, sondern unterstützend wirkt, um durch fachgerechte Bratung langfristig Kunden zu halten oder besser noch neue zu binden!