Durch die Einführung der Studiengebühren haben Studierende weniger Geld zur freien Verfügung – auch weniger Geld für Fachbücher. Die Hochschulbibliotheken könnten als Gewinner der Krise hervorgehen.
In vielen Städten gehen Studierende in diesen Tagen auf die Straße und demonstrieren für bessere Studienbedingungen, gegen die flächendeckende Einführung der Bachelorstudiengänge und gegen Studiengebühren. Auf den ersten Blick scheinen die von den Studierenden vorgebrachten Protestgründe nichts mit unserer Branche zu tun zu haben.
Und zumindest mit den schlechten Studienbedingungen an vielen deutschen Hochschulen haben Buchhandlungen und Verlage zweifelsohne nichts zu tun.
Von der Einführung der Bachelorstudiengänge sowie der Studiengebühren ist die Buchbranche jedoch unmittelbar, wenn auch vielleicht nicht genau bezifferbar, betroffen.
Die Einführung der Studiengebühren trifft eine Generation von Studierenden, die keine Rücklagen für diese zusätzliche finanzielle Belastung angespart hat. Glaubt man einer Studie des Hochschulinformation-Systems, verzichten heute schon viele potentielle Studenten auf einen Studienplatz, aus Angst diesen nicht finanzieren zu können.
Da liegt die Vermutung nahe, dass auch jene, die sich für ein Studium entschieden haben, durch die Studiengebühren weniger Geld zur freien Verfügung haben. Dies hat Auswirkungen auf unsere Branche. Denn während die Studierenden bei den Fixkosten keinen Spielraum haben, lassen sich Fachbücher, Zeitungen und Zeitschriften jedoch jederzeit verhältnismäßig einfach und bequem einsparen und auch bedingt durch andere Informationsquellen ersetzen.
Buchhändler und Verlage spüren den Konsumverzicht der Studenten im Semestergeschäft schon seit längerer Zeit und reagieren mit vielfältigen Marketingaktionen zu Semesterbeginn. Doch gegen die sinkenden Budgets der studentischen Kundschaft ist kein Kraut gewachsen.
Selbstverständlich haben auch grundlegende Veränderungen im Studienaufbau, dem Prüfungspensum und daraus resultierend auch im Lernverhalten der Studierenden einen Einfluss auf den Kauf und die Benutzung von Verlagserzeugnissen.
In vielen Bereichen an Universitäten und Fachhochschulen ist das Prüfungspensum durch die Umstellung auf das Bachelorsystem stark angestiegen. Jedes Fachmodul, also jede Vorlesung und jedes Seminar, muss durch eine Prüfungsleistung abgeschlossen werden. Für die Studierenden bedeutet dies, dass sie abhängig vom Studiengang zum Semesterende innerhalb einer kurzen Zeit eine ganze Reihe von Prüfungen ablegen müssen. Das „Durcharbeiten“ ganzer Fachbücher ist somit für viele Studierende aus Zeitgründen nicht mehr zu leisten, weshalb auch aus diesem Grund auf manches Buch verzichtet wird, da man keine Zeit mehr findet, sich ausgiebig damit zu beschäftigen.
Es ist natürlich nicht ausschließlich eine Frage des Geldes, ob man nun als Student ein Fachbuch kauft oder nicht. Oftmals ist auch eine alte Auflage ausreichend, und das Internet bietet bequeme Möglichkeiten auf legale Weise Informationen zu beschaffen, die früher nur schwerlich oder durch Investition von Zeit bzw. Geld aufzutreiben waren. Das Gabler-Wirtschaftslexikon, das nun auch kostenfrei und werbefinanziert online einsehbar ist, ist nur eines von vielen Beispielen für nutzerfreundliche Onlineangebote, die auch für Studierende von großem Interesse sein können.
Dass es neben dem Buchverkauf auch weitere Möglichkeiten gibt, Umsätze zu generieren, zeigt das „StartUp des Jahres 2009“ PaperC. Mit ihrem Onlinecopyshop scheinen die Berliner Jungunternehmer den Nerv des studentischen Publikums zu treffen und gleichzeitig ein funktionierendes Paid-Content-Modell einzuführen. Bis zum Ende des Jahres plant PaperC mit 100.000 Endnutzern, und auch die Zahl der teilnehmenden Fachverlage wird in der nächsten Zeit wohl stetig ansteigen.
Die zentrale Wissensquelle für Studierende ist jedoch trotz Internet in den meisten Fachbereichen noch immer die Hochschulbibliothek. Aus oben beschriebenen Gründen werden die Bibliotheken in Zukunft in meinen Augen sogar noch an Bedeutung gewinnen und für viele Verlage der wichtigste Absatzmarkt sein, um Fachinhalte in jeder Hinsicht gewinnbringend zu verbreiten.
Es führen viele Wege zum Studierenden, auch wenn dieser sicherlich nicht der einfachste Kunde ist. Den richtigen Weg zu finden, ist für Buchhandlungen wie Verlage eine spannende Herausforderung.
Fabian Siegel ist Student im Bereich Buchhandel/Verlagswirtschaft, Fakultät Medien, an der HTWK Leipzig
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