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Die Buchhandlung als Fachgeschäft für kulturaffine Menschen

 

Mr. Books & Mrs. Paper: Die Sonderschau der Frankfurter Paperworld liefert Inszenierungsideen mit ausgewählten Büchern und buchhandelskompatiblen Zusatzprodukten. Wie zeitgemäße Sortimente zum Entdecken einladen können, zeigt Kuratorin Angelika Niestrath. (Foto: Messe Frankfurt)

Wie hochwertige Nonbooks helfen, zeitgemäße Sortimente zu gestalten. Ein Gastbeitrag von Beraterin Angelika Niestrath.

Wie viel Nonbook ist gesund und welche Produkte eignen sich überhaupt im Buchhandel? Seit die Branche begonnen hat, sich ernsthaft mit Zusatzsortimenten zu beschäftigen, also seit rund 20 Jahren, gibt es kaum ein Experteninterview und kein Schwerpunktheft zum Thema, das diese Fragen nicht in der einen oder anderen Form stellt.

Die einzig richtige Antwort, immer schon: Gesund und geeignet ist, was zum individuellen Sortimentskonzept passt, also bei einem vielleicht ein einziger Drehständer mit Postkarten und beim anderen eine feine Schreibwarenabteilung oder ein Weinregal mit angeschlossenem Bistro. Daran hat sich bis heute nichts geändert – nur dass das Sortimentskonzept inzwischen entscheidend wichtiger geworden ist.

 

Offlinekunden wollen mehr

Weil nahezu alles rund um die Uhr online verfügbar ist, verlagern sich Ziel- und Bedarfskäufe zunehmend und – zumindest teilweise irreversibel – ins Internet. Zugleich sind viele Kunden dadurch heute, tatsächlich oder vermeintlich, genauso gut informiert wie die Kollegen am Bibliografier-Terminal. Das allgemeine Sortiment als Nahversorger mit exklusiver Beratungskompetenz verliert aus Kundensicht an Bedeutung. Was immer mehr Menschen sich vom Handel vor Ort dagegen wünschen, sind Leistungen und Qualitäten, die die Algorithmen der Onliner so nicht bieten können: Überraschung und Inspiration, besondere Entdeckungen, interessante Begegnungen, authentische Einkaufserlebnisse.

Ob ein Laden diese Wünsche erfüllen kann, hat viel mit dem Sortimentskonzept zu tun. Es muss:

  • dem Lebensgefühl der jeweiligen Zielgruppe entsprechen
  • Dinge anbieten, mit denen man sich identifizieren kann
  • eine Wohlfühlumgebung schaffen, in der man sich mit seinen Ansprüchen, Werten und Vorlieben wiederfindet.

Das ist die Grundidee der Concept Stores: nicht ein produktspezifisches Sortiment für eine möglichst breite Zielgruppe anzubieten, sondern ein branchenübergreifendes, aber fein kuratiertes Sortiment für eine ganz bestimmte Zielgruppe.

 

Die Produkttrennung ist überholt

Bücher und Nonbooks in schlichter Harmonie: Eine Inspiration von Paolo Cognettis „Acht Berge“ (DVA) (Foto: Messe Frankfurt)

Nun sollen nicht gleich alle Buchhandlungen zu Concept Stores mutieren. Doch auf der Suche nach Konzepten, die den neuen Kundenanforderungen gerecht werden, ist der Denkansatz trotzdem hilfreich.

Denken wir also die Buchhandlung als Fachgeschäft nicht für Bücher, sondern für kulturaffine Menschen: Deren Interessen und Bedürfnisse beschränken sich nicht allein auf Literatur. Vom hochwertigen Notizbuch bis zum Designmöbel gibt es viele buchhandelskompatible Zusatzprodukte, die in die Lebenswelt dieser Kunden passen und – besonders spannend! – die in Kom­bination mit Büchern anspruchsvoller, interessanter und wertiger erscheinen als in anderen Zusammenstellungen. Das ist eine große Chance für den Buchhandel und ein gutes Argument für ausgewählte Zusatz­sortimente. Diese Produkte so zu betrachten, als würden sie eigentlich nicht dazu­­gehören, ist also kontraproduktiv. Schon deshalb, weil das Image-Upgrade auch andersherum funktionieren kann: Ein hoch­preisiger Kunstbildband wirkt neben einem Designhocker möglicherweise überzeugender als im Schatten der Taschenbuchbestseller.

 

Ohne Wertigkeit keine neuen Kunden

Die Manesse Bibliothek im Designregal (Drahtmanufaktur) anlässlich ihrer aktuellen Neugestaltung. Der Retroplattenspieler erinnert mit dem passenden Klarinettenkonzert an Tania Blixens „Jenseits von Afrika“. (Foto: Messe Frankfurt)

Buchhandelskompatibel sind so gesehen alle Produkte, die der Zielgruppe nutzen und sich glaubhaft ins Sortiment integrieren lassen. Glaubhaft wiederum bedeutet: vom selben Anspruch an inhaltliche Qua­lität, Originalität und Sinnhaftigkeit wie die Buchauswahl. Ist dieser Anspruch hoch, werden niederschwellige Zusatzangebote wie lustige Grillgeschenke, To-go-Becher und andere Trendartikel nicht dazu bei­tragen, weniger anspruchsvolle Kunden nachhaltig an den Laden zu binden oder gar für Literatur zu begeistern. Sie führen eher dazu, dass der Rest des Sortiments ebenfalls der Boulevard-Schublade zugeordnet wird und die eigentliche Zielgruppe fernbleibt. Vor allem, wenn im Eingangs­bereich mehr Geschenkartikel zu sehen sind als Bücher.

Eine Buchhandlung, die Wert auf ein eigenes, vor allem an Inhalten erkennbares Profil legt, sucht also besser nach Zusatzprodukten, die diese ureigenen Werte unterstreichen. Das müssen nicht unbedingt Dinge sein, die direkten Bezug zu Literatur und Lesen haben; nur vom selben Geist sollten sie möglichst durchdrungen sein, das heißt Produkte mit Idee und Gesicht. Dann allerdings dürfen sie gleichwertig neben den Büchern bestehen.

 

Kuratieren statt sortieren

Ein handgeschnitzter Löffel und ein Geschirrtuch erzählen vom Brot. Zusammen mit dem Buch ergibt sich ein kuratiertes Geschenk für anspruchsvolle Genießer. (Foto: Messe Frankfurt)

Schon die wachsende Beliebtheit des Begriffs kuratieren macht klar, wohin die Entwicklung der Kundenansprüche geht: Kuratierte Sortimente bieten nicht einfach Waren einer bestimmten Kategorie in praktischer Ordnung. Wer so etwas will, bleibt zu Hause und bestellt online. Wer auf der Suche nach Inspiration ist, erwartet vielmehr, dass der Händler eine besondere, fein gedachte Vorauswahl getroffen hat, die in dieser Zusammensetzung idealerweise einzigartig ist.

Nonbooks können viel dazu beitragen, dass dieser Eindruck möglichst auf den ersten Blick entsteht. Denn eine individuell komponierte Buchauswahl allein springt vielleicht dem Kenner sofort ins Auge, den meisten anderen erschließt sich der Zusammenhang aber erst auf den zweiten Blick, beim Lesen von Rückseitentexten oder im Gespräch mit der Buchhändlerin.

Produkte mit Geschichte: Der Tisch erzählt von einem legendären Bleistift und seinen berühmten Nutzern (links). Besonders beleuchten (Mitte): Hier wird humorvoll in Szene gesetzt, was in der üblichen Sortimentslogik keinen Platz fände. Das schwarze Kästchen enthält noch eine spielerische Empfehlung zum Weiterlesen. Platz verschenken, um Besonderes in Szene zu setzen (rechts): So entsteht Inspiration. (Fotos: Messe Frankfurt)

Unmittelbarer, augenfälliger wirkt dagegen ein origineller Sortimentsmix aus Büchern und passenden Zusatzprodukten – besondere Dinge von kleinen, feinen Anbietern etwa, die man noch für sich entdecken kann. Der Rest ist eine Frage der Präsentation. Und auch da ist es notwendig, durchdachter vorzugehen als derzeit üblich.

 

Storytelling: Miterleben lassen

Storytelling ist die Kunst, eine Marke oder ein Unternehmen buchstäblich erlebbar (und damit erinnerbar) zu machen, indem man Geschichten über sie erzählt. Das gelingt, wenn diese Geschichten etwas Echtes in den Menschen anklingen lassen – Gefühle, Erinnerungen, gemeinsame Werte, die man in Verbindung mit sich bringen kann.

Übertragen auf die Wareninszenierung, also das visuelle Geschichtenerzählen mit Produkten, heißt das: das Sortiment durch gekonnte Präsentation so mit Ideen, Bildern und Emotionen aufzuladen, dass es spontan berühren und begeistern kann. Das entspricht auch dem wachsenden Kundenbedürfnis nach Authentizität, Sinn und Identifikation. Es gelingt allerdings kaum mit Warenwelten zu Standardthemen wie „Reise“ oder „Garten“: Hochgestapelte Ratgeber, garniert mit pinkfarbenen Gießkannen und Handschäufelchen, erzählen noch keine interessante Geschichte.

Expertise für den Handel: Angelika Niestrath ist Beraterin und Konzeptentwicklerin im Spannungsfeld zwischen Buch und Nonbook. Neben der Sonderschau auf der Paperworld betreut sie auch das Areal Nonbook 4.0 auf der Frankfurter Buchmesse und die neue Fläche „Paper & Friends“ auf der Konsumgütermesse Tendence. (Foto: Isabelle Grubert)

Aufgabe einer Storyinszenierung ist vielmehr, besondere Dinge besonders zu beleuchten, interessante Einblicke zu gewähren oder überraschende Querverbindungen herzustellen. So entstehen Geschichten, die die Algorithmen der Onliner nicht zuwege bringen, denn dazu braucht es Fantasie, echtes Interesse und kenntnisreiche Liebe zu den Dingen, die man verkauft.

  • Die so inszenierten Objekte können besondere Titel sein, Herzensbücher, persönliche Bestseller, aber auch legendäre Bleistifte, einzigartige Notizbücher oder eine herausragende Postkartenserie.
  • Hochwertige Nonbooks bringen oft ihre eigenen Geschichten mit, über ihre Herkunft, besondere Materialien und Produktionsweise, oder über die Menschen, die sie hergestellt haben: Designer, Handwerker und Künstler.

Mehr Raum für Inszenierungen

Theoretisch könnte man viele kleine Themeninseln bespielen, auf denen verschiedene Inszenierungen in raschem Wechsel immer neue An- und Einsichten ins Sortiment bieten. Attraktiv ist das vor allem für Kunden, die häufig vorbeikommen, also die, deren Aufmerksamkeit für den Händler am wertvollsten ist. In der Praxis heißt es aber oft: „Dafür haben wir leider keinen Platz.“

Die Frage ist allerdings: Muss das so sein? Der klassische Ladenbau mit flächendeckenden Wänden für die Rückenprä­sentation und pyramidenförmigen Stapel­tischen ist auf das Bevorraten eines breiten allgemeinen Sortiments ausgerichtet – eine Leistung, die allerdings, wie eingangs gezeigt, immer weniger nachgefragt wird. Der Platz wäre vielerorts also anders und besser nutzbar, nur die Einrichtung ist ungeeignet und lässt wenig Spielraum für Inszenierungen. Das tut auch den Nonbooks nicht gut: Noch die schönsten, edelsten Produkte wirken deplatziert und wenig überzeugend in den unteren Etagen eines Regals, das für etwas ganz anderes gebaut wurde.

Leichter und flexibler zu nutzen müsste die Einrichtung sein, mit vielseitig verwendbaren Tischen und freien Wandflächen, an denen gespielt werden darf. Und die Händler müssten sich trauen, Platz zu verschenken, um das, was an ihrem individuellen Konzept besonders ist, auch besonders zu präsentieren: herausragende Bücher und andere Produkte, von denen zu erzählen sich lohnt. Für Leute, die das auch in Zukunft zu schätzen wissen.

Angelika Niestrath info@nonbook.de

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