Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Betreiber von Facebook-Fanpages zusammen mit dem sozialen Netzwerk für die Datenverarbeitung verantwortlich sind. Das Netz ist verunsichert: Müssen Facebook-Seiten jetzt sogar geschlossen werden?
Das Urteil
Hintergrund der Vorabentscheidung des EuGH ist ein Rechtsstreit in Deutschland:
- Die Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein ist ein auf den Bereich Bildung spezialisiertes Unternehmen und bietet auch über eine Facebook-Fanpage Bildungsdienstleistungen an.
- Knackpunkt ist die Funktion Facebook Insight, die Facebook standardmäßig (kostenfrei) zur Verfügung stellt. Über Insight werden Statistiken zur Nutzung (anonymisiert) zur Verfügung gestellt. Die Daten werden mittels Cookies gesammelt.
- Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein forderte die Wirtschaftsakademie auf, ihre Fanpage zu deaktivieren, weil weder die Wirtschaftsakademie noch Facebook die Nutzer darüber informierte, dass Facebook Nutzerdaten erhebt und verarbeitet.
- Die Wirtschaftsakademie legte dagegen Klage ein und argumentierte: Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz hätte sich direkt an Facebook wenden müssen, weil Facebook die Daten verarbeite und sie Facebook auch nicht zur Datenverarbeitung beauftragt habe.
- Nachdem der Rechtsstreit durch mehrere Instanzen gewandert war, rief das Bundesverwaltungsgericht den EuGH an und bat um einen Vorabentscheid.
Dieser stellte in seiner Entscheidung fest:
- Facebook ist selbstverständlich für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten verantwortlich.
- Allerdings befreit das nicht die Seitenbetreiber: Sie sind für die fragliche Datenverarbeitung mitverantwortlich.
- Denn: Seitenbetreiber gestalten ihre Angebote selbst, erhalten Einblick in Nuterzdaten und sind durch Filteroptionen an der Entscheidung über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Fanpage-Besucher beteiligt.
- Zudem ist das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein ist die zuständige Kontrollstelle. Heißt: Deutsche Datenschützer können gegen Facebook in Deutschland vorgehen, obwohl Facebook seine Europazentrale in Dublin unterhält.
Die Reaktionen
Die ersten Reaktionen auf die EuGH-Vorabentscheidung – und damit auch die aktuellen Handlungsempfehlungen – fallen sehr uneinheitlich aus, auch weil letztlich das deutsche Bundesverwaltungsgericht sein Urteil noch fällen muss. Ein Überblick zum Meinungsspektrum einschließlich weiterführender Links:
- Die „Süddeutsche Zeitung” befürchtet „weitreichende Auswirkungen” und führt an, dass Seitenbetreiber jetzt aufklären müssen, welche Daten Facebook erfasst und wie diese genutzt werden. Zudem könnten die Besucher datenschutzrechtliche Ansprüche künftig auch direkt bei den Betreibern geltend machen.
- „Heise Online” hat bei Juristen und Datenschutzbeauftragten um Meinungen gebeten: „Entweder müssen Soziale Medien sich an die in Europa geltenden Datenschutzvorschriften halten oder sie können nicht mitverantwortlich genutzt werden. Mögliche Vorteile bei der Öffentlichkeitsarbeit rechtfertigen jedenfalls keine Datenschutzverstöße”, wird der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Thomas Petri, zitiert. Der Jurist Malte Engeler meint, dass das Urteil zwar im Ergebnis überzeuge, es „aber mehr Folgefragen stellt als Antworten gibt”. Den kompletten Artikel finden Sie hier.
- In einer Analyse für „Heise Online” vertritt der Anwalt Thomas Schwenke den Standpunkt, dass es keinen Grund für Panik gebe oder deswegen jetzt Facebook-Seiten offline genommen werden müssten. Stattdessen meint er sogar: Am Ende könnte sich doch noch alles zum Guten wenden.
- Rechtsanwalt Sören Siebert ordnet bei e-recht24 den Vorabentscheid des EugH ein und stellt dabei zwei mögliche Interpretationen und Verhaltensweisen gegenüber.
- Dagegen hält Rechtsanwalt Christian Solmecke bei „Meedia” die Abschaltung der Fanseiten derzeit für „die einzige rechtskonforme Lösung”.
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