Die Buchpreisbindung ist im deutschen Sprachraum erstmals flächendeckend gesetzlich geregelt. Fragen und Antworten zur Situation in der Schweiz.
Ist das Preisbindungsgesetz für die Schweiz endlich über den Berg?
Einerseits ja. Jedenfalls beendete das „Loi Maitre“ seinen jahrelangen parlamentarischen Hürdenlauf mit einem fast nicht mehr erwarteten Erfolg für den Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverband (SBVV): In der Schlussabstimmung votierten Nationalrat und Ständerat mehrheitlich für das Gesetz und gegen eine Befreiung des Internethandels von den fixen Preisen. Das Gesetz (Auszug am Ende des Artikels) könnte zum 1. Januar 2012 in Kraft treten.
Andererseits nein, denn die Schweiz pflegt bekanntlich eine plebiszitäre Demokratie. Unterlegene Gegner der Preisbindung kündigten umgehend an, eine Volksabstimmung gegen das BuPG auf den Weg zu bringen. Getragen wird die Initiative vor allem vom Nachwuchs der Freisinnigen (FDP) und der Schweizer Volkspartei (SVP).
Hat eine Volksabstimmung Aussicht auf Erfolg?
Die Initiatoren haben nach der Veröffentlichung des Gesetzes 100 Tage Zeit, um 50.000 Unterschriften zu sammeln. Das könnte trotz der Komplexität der Thematik gelingen, da der Handelskonzern Migros das Vorhaben unterstützt. Migros’ Tochterunternehmen Ex Libris profiliert sich seit Jahren als Vorkämpferin gegen die Preisbindung.
Hat sich die Buchhandelslandschaft verändert?
Nicht nur für eine mögliche Volksabstimmung, sondern auch für künftige Preisbindungsdiskussionen ist die Frage interessant, ob und welche Spuren die jetzt vier Jahre währende Preisfreiheit hinterlassen hat. Preisbindungsrebell Ex Libris hat immer wieder betont, der Markt funktioniere reibungslos und ein Massensterben kleiner Buchhandlungen sei ausgeblieben.
SBVV-Geschäftsführer Dani Landolf hält dagegen: „Nach unseren Informationen ist die Zahl der Buchhandlungen seit der Aufhebung der Buchpreisbindungsregelung in der Deutschschweiz von 359 auf 307 geschrumpft, ein Minus von 14,5%.“ Er muss allerdings auch einräumen, dass den Sortimentern nicht nur das Fehlen der Preisbindung, sondern auch der Strukturwandel zu schaffen macht. Zudem wird argumentiert, dass selbst vier Jahre womöglich nicht reichen, um die Folgen abzuschätzen. Bis jetzt hatte vor allem Ex Libris die neue Freiheit zu offensiv beworbenen Rabattaktionen genutzt. Marktführer Orell Füssli etwa schob seine Billigbuch-Plattform storyworld.ch erst im vergangenen Jahr an den Start (buchreport berichtete).
Wie strikt ist das Preisbindungsgesetz?
Die in den letzten Jahren gepflegte Rabattpolitik hat im Gesetz deutliche Spuren hinterlassen: Öffentliche Bibliotheken hatten nach dem Fall der Preisbindung ihre Einkaufsmacht genutzt, um hohe Nachlässe zu verhandeln und können das auch weiterhin. Auch im Privatkundengeschäft werden Rabatte nicht wieder völlig verschwinden: Das Gesetz erlaubt anders als in Deutschland Preisnachlässe von bis zu 5% – und entspricht damit durchaus dem Wunsch der Buchhändler. „Dadurch kann der Handel mit Kundenbindungssystemen arbeiten“, erklärt Landolf.
Nicht preisgebunden sind in der Schweiz E-Books, während die deutschen Preisbindungshüter die Digitalisate vom Gesetz ebenfalls erfasst sehen.
Was ändert sich für die deutschen Verlage?
Das Thema der Preisfestsetzung für die Schweiz werde die deutschen Verlage, die den überwiegenden Teil der in der Schweiz verkauften Bücher produzieren, noch beschäftigen, meint Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels: „Sie werden im Interesse des Buchhandels auf das höhere Preisniveau in der Schweiz Rücksicht nehmen müssen.“
Dieser Rücksichtnahme sollen nach dem ausdrücklichen Willen des Schweizer Gesetzgebers aber Grenzen gesetzt sein: Gegen „überhöhte Preise“ soll deshalb der Preisüberwacher einschreiten. Aufgrund der bisherigen Praxis fürchten viele Sortimenter, die Aufsichtsbehörde werde künftig nur noch einen Aufschlag von 8% auf die deutschen Buchpreise dulden.
An Grenzen stößt auch die frühzeitige Festlegung, denn die Wechselkurse zwischen Euro und Schweizer Franken haben in den letzten Jahren stark geschwankt. Das hat teilweise dramatische Folgen für den Zwischenbuchhandel, weil es für Händler günstiger sein kann, gleich in Deutschland gegen Euro einzukaufen (buchreport berichtete).
Wie die Preisgestaltung für deutsche Bücher in der Schweiz künftig konkret aussehen wird, wird noch zu klären sein, zum Beispiel auf dem nächsten Dreiländer-Treffen der Verbandsspitzen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, das im kommenden Juni in der Schweiz stattfindet.
Auszug aus dem Schweizer Buchpreisbindungsgesetz
(BuPG, hier der komplette Text)
Art. 4 Preisfestsetzung
1 Die Verlegerin, der Verleger, die Importeurin oder der Importeur setzt den Endverkaufspreis für die von ihr oder ihm verlegten oder eingeführten Bücher fest.
2 Sie oder er muss den Endverkaufspreis vor der ersten Ausgabe des Buches oder vor der Preisänderung veröffentlichen; sie oder er gibt in der gleichen Veröffentlichung das Erscheinungsdatum oder das Datum der Preisänderung an.
3 Die Entwicklung der Buchpreise wird von der Preisüberwacherin oder vom Preisüberwacher beobachtet (Art. 4 Abs. 1 des Preisüberwachungsgesetzes vom 20. Dezember 1985). Sie oder er kann dem Bundesrat beantragen, unter Berücksichtigung der Sprachregionen in einer Verordnung maximal zulässige Preisdifferenzen zum Ausland festzulegen.
Art. 5 Preisbindung
Buchhändlerinnen und Buchhändler dürfen Bücher nur zu dem nach Artikel 4 festgesetzten Endverkaufspreis verkaufen.
Art. 6 Allgemein zulässiger Rabatt
Buchhändlerinnen und Buchhändler dürfen auf den festgesetzten Endverkaufspreis einen Rabatt bis zu 5% gewähren.
Art. 7 In besonderen Fällen zulässige Rabatte
1 Auf dem festgesetzten Endverkaufspreis können Rabatte gewährt werden:
a. für den Verkauf von Büchern an öffentliche Bibliotheken mit einem jährlichen Gesamtbeschaffungsetat von:
1. höchstens 500000 Franken: bis 10%
2. über 500000 und höchstens 1000000 Franken: bis 15%
3. über 1000000 Franken: in beliebiger Höhe;
b. für den Verkauf des gleichen Buches in:
1. 11–50 Exemplaren: bis 10%
2. 51–100 Exemplaren: bis 15%
3. mehr als 100 Exemplaren: bis 20%
c. für den geschlossenen Verkauf einer Reihe zusammengehörender Werke
und für die Subskription eines Werks bis zu dessen vollständigem Erscheinen: in beliebiger Höhe;
d. für Bücher, die in eigener Ausstattung und zu einem späteren Zeitpunkt als die Originalausgabe von Buchgemeinschaften an ihre Mitglieder verkauft werden: in beliebiger Höhe.
2 Diese Rabatte können mit dem Rabatt nach Artikel 6, nicht aber miteinander kumuliert werden.
Quelle: Bundesversammlung der Schw. Eidgenossenschaft / buchreport
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