Das internationale Bestsellergeschäft spitzt sich immer mehr zu und gewinnt an Tempo. Immer weniger Autoren avancieren auf der internationalen Bühne zu globalen Stars. Dabei ist der Einfluss angelsächsischer Autoren geringer als angenommen. Zu diesen Ergebnissen kommt der Journalist Rüdiger Wischenbart in seinem europäischen Übersetzerbericht „The Diversity Report 2010“ (hier der Download).
Die Studie analysiert, welche belletristischen Autoren und Werke im vergangenen Jahr in europäische Sprachen übersetzt wurden und welche europäische Literatur auf anderen Kontinenten in Übersetzungen zugänglich gemacht wurden. Dazu haben Wischenbart und weitere Autoren Bestsellerlisten aus europäischen Ländern untersucht, darunter die SPIEGEL-Liste für den deutschen Markt.
Einige Befunde der jüngsten Erhebung:
- Die Zahl der globalen Bestseller-Stars sei an wenigen Händen abzuzählen.
- Übersetzungen aus dem Englischen dominieren nicht. Sie machen im Schnitt „nur“ rund ein Drittel aller Bestseller aus.
- Die Zahl der Sprachen, die als Basis einer internationalen Bestseller-Karriere fungieren, ist auf ein halbes Dutzend begrenzt (Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch und Schwedisch). Demgegenüber sind asiatische, afrikanische und osteuropäische Sprachen auffällig selten vertreten.
- Gleichwohl: Die Lesevorlieben quer durch Europa seien wesentlich vielfältiger sowie von Land zu Land unterschiedlicher als man erwarten würde.
- Auf der Suche nach den Charakteristika internationaler Bestseller-Autoren skizzieren die Autoren vier Typen von Schriftstellern:
– die großen, alten Namen der Weltliteratur, meist vor 1960 geboren, die über ein reichhaltiges Werk in vielen europäischen Sprachen verfügen und die allein auf Grund ihrer bisherigen Erfolgsgeschichte (und der Erwartungshaltung der Stammleserschaft) weiterhin auf den Bestsellerlisten stehen; ihre Karriere sei durch Verleger gefördert worden, die nicht nur einzelne Titel, sondern ganze Werke eingekauft hätten, unabhängig von kurzfristigen Verkaufserwartungen.
– die jungen, eher „volatilen“ Autoren, oft mit globalen Biografien ausgestattet, die sich mit einem „Smashing Hit“ auf der internationalen Bühne vorstellen. Sie erhielten oft Rückenwind von einem der wenigen Preise, die eine Auswirkung aufs internationale Lizenzgeschäft haben (u.a. Man Booker, Prix Goncourt). Diese Autoren strebten in viel höherem Tempo eine Bestsellerkarriere an, doch es bleibe unklar, ob die Verleger ihnen auch längerfristig die Stange hielten.
– die „Mittelklasse“, aus der hin und wieder zufällig die Bestseller-Stars avancieren; für diese Gruppe sei es schwierig, eine Leserschaft jenseits der passionierten Leser und abseits der Landesgrenzen zu erschließen.
– Autoren, die ausschließlich in ihrem Heimatland bekannt sind. - Die Volatilität der Bestsellermärkte habe in den vergangenen zehn Jahren zugenommen; in diesem Prozess hätten kleinere und sogar gerade erst gestartete Verlage oft einen besseren Blick dafür, Autoren mit Chancen auf eine internationale Karriere zu identifizieren, als die transnational agierenden Verlagsgruppen selbst.
- Der Einfluss von Agenten sei zumindest jenseits des englischsprachigen Marktes kleiner als erwartet, da vielen Autoren der Zugang zur internationalen Bühne meist mit Hilfe des eigenen Verlags und anschließender Mund-zu-Mund-Propaganda bei den Lesern gelinge.
Ein Ausblick der Autoren: Die künftige Verlagswelt sei flexibler, dynamischer und schneller als die bisherige und werde zunehmend von Schriftstellern geprägt, die ihre Leser stärker in den Fokus nehmen.
Kommentar hinterlassen zu "Flexibler, dynamischer und schneller"