Mit ihrem Statement in der vergangenen Woche, dass die Frankfurter Buchmesse nach aktuellem Stand vom 14. bis 18. Oktober stattfinden und sich voraussichtlich Mitte Juni ein klareres Bild für „eine ganz besondere“ Messe abzeichnen werde, hat die Messeleitung keinen Druck aus dem Kessel genommen. Die Zweifel, ob die größte und internationalste Buchmesse in Zeiten der Pandemie noch zu halten ist, werden lauter, nicht nur in Deutschland.
Nachdem Verlage und Dienstleister wegen sehr kurzfristiger Absagen der Messen in London, Leipzig und Bologna bereits reichlich Budgets verbrannt haben, soll ein neuerliches Stornodebakel verhindert werden. Das spräche eher für eine Absage, weil die Pandemie schwer auszurechnen ist und eine „Herbstwelle“ ausdrücklich zu den Szenarien der Virologen gehört.
Die meisten Verleger halten sich bedeckt, um keine Dominoeffekte auszulösen. Auch die „FAZ“ hat lediglich Zweifel bei Klaus Schöffling zutage gefördert, und es wurde bekannt, dass Joachim Unseld, der Verleger der Frankfurter Verlagsanstalt, die traditionelle „Unseld-Party“ am Messe-Donnerstag in seinem Privathaus abgesagt hat. Das Szenario erinnert allerdings an die London Book Fair, bei der zuerst Partys und Empfänge gecancelt wurden, dann erste Absagen von kleineren Verlagen folgten, bis nach und nach auch die großen Aussteller wie Penguin Random House die Reißleine zogen.
Warten auf Nachricht aus den US-Verlagsgruppen
Noch werden kolportierte Absageüberlegungen internationaler Verlagsgruppen nicht bestätigt, doch die Drähte zwischen Frankfurt und New York dürften glühen.
Auch die gut vernetzten Rechtehändler wie der Zürcher Literaturagent Peter S. Fritz (Paul & Peter Fritz Agency) gehen inzwischen davon aus, dass die Buchmesse „mit großer Wahrscheinlichkeit nicht stattfinden wird“. Ähnlich sieht es sein Zürcher Kollege Marc Koralnik (Liepman): „Viele Mitarbeiter in den US-Verlagen rechnen damit, nicht nach Frankfurt geschickt zu werden. Die Unsicherheit ist groß.“ Wo die Amerikaner derzeit gedanklich stehen, zeigt das Beispiel der großen New Yorker Literaturagentur Trident Media. CEO Robert Gottlieb, der üblicherweise mit rund 30 Agenten nach Deutschland kommt, sagt, dass alle Entscheidungen vorerst auf Eis liegen: „Normalerweise sind unsere Reisevorbereitungen zu diesem Zeitpunkt längst unter Dach und Fach.“
Für die Agenten steht einiges auf dem Spiel, denn die Frankfurter Buchmesse ist der wichtigste Fixpunkt im Jahreskalender. Aber: Zwar würde den Rechteanbietern und der ganzen Branche „eine wichtige Möglichkeit fehlen, auf sich aufmerksam zu machen, doch Not macht erfinderisch – man wird auf andere Möglichkeiten ausweichen“, gibt sich Sebastian Ritscher von Mohrbooks (Zürich) pragmatisch.
Die Optionen des Börsenvereins-Wirtschaftsbetriebs Frankfurter Buchmesse, Schaden zu minimieren, sind da deutlich kleiner. Sie setzt mit rund 100 Mitarbeitern ca. 34 Mio Euro um, davon mehr als 90% mit der namensgebenden Weltmesse im Oktober. Eine Totalabsage wäre finanziell ein Desaster, aber auch das Ausbleiben von Ausstellern und Besuchern aus wichtigen Märkten wie den USA und Asien wäre dramatisch. Denn die ausländischen Aussteller sind die Hauptkundengruppe, die die wesentliche Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg bilden.
Buchmesse-Chef Juergen Boos muss bei allen Überlegungen auch seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Messe Frankfurt Venue im Blick haben. Auch deshalb wird auf eine spätere Entscheidung vertröstet.
Frankfurter Buchmesse in Zahlen | |
Jahr | 2019 (±%) |
Besucher Gesamt | 302.267 (+6,0) |
Einzelaussteller | |
Deutschland | 2223 (–3,0) |
International | 5227 (+0,3) |
Gesamt | 7450 (– 0,7) |
Quelle: Frankfurter Buchmesse |
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