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Frauke Ehlers: Vom Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen

Frauke Ehlers: Vom Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen

Seit fünf Jahren erinnert der Equal Pay Day an den statistischen Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern. In Deutschland liegt dieser Wert bei 23% – eine Zahl, die schmerzt. Noch erschreckender fällt der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen in der Buchbranche aus. Und das, obwohl die Branche hauptsächlich Frauen beschäftigt.

Bis zum 23. März, also 60 Arbeitstage, hätten Frauen 2012 länger arbeiten müssen als Männer, um statistisch den gleichen Lohn zu erhalten. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich an drittletzter Stelle.

Die 2010 von den BücherFrauen veröffentlichte Studie „MehrWert. Arbeiten in der Buchbranche heute“ hat diesen Wert für die Buchbranche errechnet: 28%. Die Buchbranche zählt damit zu den Branchen mit überdurchschnittlicher Lohnungleichheit innerhalb der Bundesrepublik. Übertragen auf die Arbeitstage bedeutet dies: Der Equal Pay Day der Buchbranche fällt 2012 auf heute, den 13. April, den 73. Arbeitstag im Jahr.

Der Gender Pay Gap für die Verlagskaufleute und Buchhändlerinnen fällt noch erschreckender aus: Mit 36% liegen diese Berufsgruppen an viertletzter Stelle im deutschen Vergleich. Nur beim Luftverkehr (-42 %), bei den Köchinnen (-39%) und Feinmechanikerinnen (-38%) ist die Lücke größer.

Über den branchenspezifischen Gender Pay Gap hinaus zeugen auch die anderen Ergebnisse der Studie von wenig Gendergerechtigkeit zwischen Bücherregalen:

  • Je höher die Position, desto geringer der Frauenanteil: 10% der befragten Männer, aber nur 4% der befragten Frauen leiten ein Unternehmen. 36% der Männer, aber nur 20% der Frauen haben eine Führungsposition auf der mittleren Ebene (Abteilungsleitung). In Positionen ohne Leitungsfunktion hingegen ist unter den Frauen der Anteil (46%) größer als unter den Männern (38%).
  • 52% der Befragten wollen sich beruflich verändern: 11% haben vor, innerhalb der nächsten fünf Jahre die Buchbranche zu verlassen; in der Regel handelt es sich um qualifizierte und engagierte MitarbeiterInnen – schmerzlich für die Arbeitgeber, insbesondere angesichts des zu erwartenden Fachkräftemangels.

Jetzt sind dringend Maßnahmen gefragt, die diese Missstände beheben – im Interesse einer gebotenen Geschlechter-Gerechtigkeit, vor allem aber auch im wirtschaftlichen und kulturellen Interesse unserer Branche. Die Buchbranche wird für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nur gerüstet sein, wenn sie auf die spezifischen Qualitäten ihrer weiblichen Beschäftigten und Unternehmerinnen setzt: Teamarbeit, Vernetzung und Kommunikationsstärke. Dafür muss die Branche auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Geschlechter ermöglichen. Das Netzwerk BücherFrauen arbeitet an solchen „Arbeitsmodellen der Zukunft“.

Mehr zum Thema lesen Sie in Kürze an dieser Stelle.


Frauke Ehlers ist seit rund 20 Jahren bei den BücherFrauen aktiv, seit November 2010 ist sie eine der drei Beirätinnen der BücherFrauen. Das Branchen-Netzwerk BücherFrauen e.V. wurde 1990 in Deutschland nach dem Vorbild der englischen Women in Publishing (WiP) gegründet. Mittlerweile bündelt der Verein die Interessen von rund 900 deutschen Verlagsfrauen, Buchhändlerinnen, Übersetzerinnen, Agentinnen und allen anderen Frauen, die rund ums Buch tätig sind.

Foto: © Eva Hehemann

Kommentare

12 Kommentare zu "Frauke Ehlers: Vom Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen"

  1. @Frauke Ehlers, @Rudi, @Ralf Bönt:
    Die unter dem angegebenen Link zitierte sachliche Aufschlüsselung des Entgeltunterschieds durch das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans Böckler Stiftung ist ganz hilfreich, weil die auch andere Rechenmodelle einbezieht, die zu jeweils anderen Ergebnissen kommen, etwa das der „Lebenslohnlücke“, das die tatsächliche Differenz von Durchschnittsmann und Durchschnittsfrau am Lebensende misst.
    http://rheinsalon.wordpress.com/2012/04/17/was-von-der-diskriminierung-ubrig-bleibt/

  2. Ob von Alleinstehenden weiß ich nicht, aber von Kinderlosen, wie die Studie “MehrWert“ von Romy Fröhlich auch deutlich machte. Weswegen das „Kinderargument“ nicht ausschlagend geben sein kann. Auf jeden Fall nicht in der Realität, aber in den Köpfen. Und natürlich von Frauen, ja 80%.
    „….dass man wohl nur unverbesserlichen Idealisten, die nie Ihr Einkommen zur Versorgung einer Familie einsetzen müssen…“ – genau da setzt natürlich auch die strukturelle Diskussion ein. Wählen Frauen diesen unterbezahlten Beruf, weil sie eben nicht ans Geld denken? Männer werden darauf schon mal hingewiesen, wenn sie den Beruf des Buchhändlers ergreifen, Frauen eher nicht. Da kommen wir schon schnell in die Bereiche in denen gesellschaftspolitisch bedingte Strukturen sich in einer Branche widerspiegeln. Und das sich eine Branche, teilweise darüber finanziert, befürchte ich auch.

  3. Ist es Zufall, dass auf den vorhergehenden Kommentar der Autorin keine weitere Reaktion kommt: Der Kritik an den Methoden und der Klage sollte irgendwann genug sein. welche Ansätze gibt es, „dem miserablen Zustand etwas entgegen zu setzen“? Für mich ist das ein Dreiklang:

    1. Die „Betroffenen“ sollten sich nicht länger wie „betroffene“ verhalten: Einfordern, was gerecht ist und sich der eigenen Stärken bewusst sein. Mutig und sachlich ansprechen und damit vielleicht so manchen Vorgesetzten irritieren – aber so eingefahrene Muster vielleicht irgendwann aufbrechen.

    2. Quote: Eine Quote hilft dabei, Strukturen zu ändern. Andere Länder habens erfolgreich bewiesen. Vom Vorteil „gemischter“ Führungsteams ganz zu schweigen, die Studien dazu sind mannigfaltig. Deren Methodik vermag ich allerdings nicht zu bewerten.

    3. Umdenken: Hochqualifiziert, weiblich, Mutter. Das sollte in Zukunft nicht die berufliche Spezialisierung auf Windeleimer und Kinderspielplätze bedeuten. Dazu ist auch die Politik gefordert: Statt Betreuungs(taschen)geld besser in eine qualifizierte und qualitativ hochwertige Betreuung investieren! Davon profitieren nicht nur erwerbstätige Mütter, sondern die gesamte Gesellschaft. Auch hier haben´s andere Länder vorgemacht.

  4. Eine Branche von Alleinstehenden und ZweitverdienerInnen?
    Ist ja schon befremdlich das sich jetzt noch ein Mann zum Thema meldet…Ich wage die These das 75% der kleinen Sortimente und 50% der mittleren innerhalb kurzer Zeit zahlungsunfähig wären wenn den Buchhändlerinnen ein angemessener oder gar tarifgerechter Lohn gezahlt werden würde. Die vorhandene Form der Selbstausbeutung von
    Inhaberinnen und Ihren Mitarbeiterinnen drückt das Lohnniveau dermaßen bedenklich, dass man wohl nur unverbesserlichen Idealisten, die nie Ihr Einkommen zur Versorgung einer Familie einsetzen müssen, zur Ausbildung im Buchhandel raten kann. Wenn nur unter solchen Bedingungen Buchhandel möglich ist, sollte die Branche, die ja eigentlich dringend gut ausgebildete und motivierte Charakterköpfe braucht, sich auf ein konsequentes Gesundschrumpfen vorbereiten. Tatsächlich sollten in weniger Buchhandelsflächen gut bezahlte und hoch qualifizierte Fachhändlerinnen eine top Dienstleistung mit regional optimiertem Sortiment anbieten. Equal-Pay-Diskussionen können eventuell noch in den Verlagen geführt werden, im Handel ist es bereits zu spät.

  5. Der bereinigte pay gap beträgt 8%.

  6. Und es war auch abzusehen, @Rudi – dass eine solche Argumentation wie die Deinige die Kommentare zieren wird. Die Auswertung der Fragebögen, die der Studie „MehrWert“ zugrunde liegen, kommt auf 28% – da bröselt nichts. Viel lieber als Kritik an der Methode, die einen Mißstand benennt, der da ist, würde ich Ansätze in den Kommentare lesen, wie dem miserablen Zustand etwas entgegengesetzt werden kann.

  7. Ist schon klar, ich hatte solche Reaktionen ja auch schon vorhergesagt.
    Was den Herrschaften Mitkommentatoren vielleicht entgangen ist, ist dass ich mit meinem Hinweis auf die Unstatistik – und die hätte Stefan vielleicht auch zu Ende lesen sollen – gar nicht behaupte, es gäbe keine Ungleichbehandlung von Frauen (bis hin zur Bezahlung). Die Professoren kommen lediglich zu der (belegbaren) Meinung, dass Statistik für einen Nachweis der Aussage der EPD einfach ungeeignet ist. Sprich, die Annahme die der EPD trifft, lässt sich statistisch gar nicht erfassen/belegen.
    Darüber hinaus haben die Macher der EPD-Statistik offensichtlich grobe handwerkliche Fehler gemacht, die das Ergebnis signifikant daneben liegen lassen. Merke; man hat hier mit einem ungeeigneten Werkzeug (Stistik) ein unbrauchbares Ergebnis (1/3) erzeugt, welches zusätzlich durch grobe Fehler (2/3) verschlimmert wurde.
    @Eva: Was ich meiner Tochter erklären würde? Ganz einfach; Wahrnehmung und Realität sind sehr oft was Unterschiedliches. Wenn ich jedoch für eine Sache kämpfen will, dann sollte ich mir Mittel zur Hand nehmen, die dem Kampf dienlich sind und die Finger von denen lassen, die bei erster Gelegenheit zerbröseln.
    Ich teile durchaus, die Wahrnehmung, dass Frauen in unserer Gesellschaft benachteiligt werden. Ich lehne mich nur nicht so weit aus dem Fenster, das als Realität zu verkaufen, wenn ich keinen Beweis dafür habe, der einer Prüfung standhält. Auch der Hinweis auf den Begriff ‚Wahrnehmung‘ für den Sachverhalt bedeutet eben nicht, dass ich die Annahme für falsch halte genausowenig wie der Hinweis der Professoren dass Statistik ungeeignet ist für einen Beleg. Aber das ist Mathematik.

  8. Danke @Stefan für seine sachliche Antwort auf Rudis Kommentar. Es ist richtig und überaus wichtig, auf die strukturellen Unterschiede von männlicher und weiblicher Arbeitsteilung hinzuweisen, die die Voraussetzungen für die Lohnunterschiede schaffen.
    Aber auch wenn der EPD auf den 10. Februar fiele, würde er immer noch auf eine Ungerechtigkeit hinweisen. Machen wir uns aber bitte klar, dass wenn wir im jetzigen Schritttempo auf Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern hinarbeiten, es fast hundert Jahre dauert bis wir das Ziel erreichen. Ich finde, der Wunsch nach schnellerer Veränderung rechtfertigt jedes Engagement in dieser Angelegenheit.
    Und noch etwas @Rudi: Schon mal dran gedacht, wie es wäre, wenn Sie Ihrer Tochter die Sache mit dem Equal Pay Day erklären müssten? Oder – siehe oben – Ihrer Urururenkelin?

  9. Die Frauen-benachteiligende Historie wird da mit eingepreist – auch wenn bei den Frauen bessere Abschlüsse, gleich lange oder längere Berufserfahrung vorliegen etc. Dies ist sicher nicht vernachlässigbar.

  10. @Rudi: Der Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen liegt bei den 23 Prozent, nur sind die Gründe dafür halt vielfältig. Zwei Drittel der Lohnunterschiede lassen sich auf strukturelle Gründe zurückführen, zum Beispiel auf geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, auf Verteilung auf unterschiedliche Branchen, auf ungleiche Aufstiegschancen, auf gesellschaftliche Vorstellungen, auf niedrige Arbeitszeiten, weniger Berufserfahrung. Übrig bleibt ein bereinigtes Drittel, das Sie und die Verleiher der Unstatistik dann gelten lassen. Trotzdem: Auch die ersten zwei Drittel sind Fakt – und ungerecht.

  11. Ich weiß, gleich werden alle schreien, aber nicht umsonst ist der ‚Equal Pay Day‘ die Unstatistik von April 2012.
    Aber das sind ja nur unabhänginge Wissensschaftler, die mit Fakten arbeiten und argumentieren also für die Medien und auch hier vernachlässigbar 😉

  12. Feiner und sehr wichtiger Beitrag! Ich würde übrigens die Frage nach dem Gender Gap auch auf freie Honorare ausdehnen. Die werden ja eher verdeckt gehalten, aber unter den FreiberuflerInnen von den LektorInnen über ÜbersetzerInnen bis zu den AutorInnen munkelt man immer wieder, dass auch hier die Schere tüchtig klafft.

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