Freizügige Liebe ist das Thema im heutigen Literaturteil des „FAZ“-Feuilletons. Zum einen feiert das Blatt Richard Brautigans Underground-Roman „Willard“ aus dem Jahre 1975. Das Buch, Krimiparodie und Persiflage auf den amerikanischen Lebensstil zugleich, trage den Untertitel „perverser Kriminalroman“, schildere es doch ausführlich das komplizierte Sexleben der Protagonisten, bevor diese am Ende sterben. Brautigans Prosa besteche durch karikaturhafte Überzeichnungen und komische Elemente, er benutze dabei „klare, kurze Sätze, die manchmal in die Nähe von Kindersprache geraten; dann wieder geht er ein hohes Risiko ein und schreibt jenseits aller Logik. Leichtfüßig hüpft er dabei zwischen drei Schauplätzen hin und her.“
„Willard“ sei seit langem in der Übersetzung von Günter Ohnemus bekannt gewesen, der es 1981 in seinem eigenen Kleinverlag herausbrachte. Ohne Ohnemus, Fürsprecher, Agent und Übersetzer des Autors (ähnlich wie Carl Weissner im Falle Charles Bukowskis) hätte man von dem kauzigen Amerikaner sicher erst viel später erfahren. Der Titel war einige Zeit vergriffen und liege nun in einer Neuübersetzung von Christiane Bergfeld vor. Diese werde allerdings keine Brautigan-Renaissance einläuten, zumal sie deutlich hinter der Fassung von Ohnemus zurückbleibe und gelegentlich versuche, origineller als der Autor selbst zu sein.
Uneingeschränktes Lob verdiene dagegen der Titel „Echte Männer. Was Frauen wirklich wollen“ von Sophie Andresky. Während sich Deutschland immer noch über Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ entzweie, habe Andresky, Deutschlands wohl erfolgreichste Porno-Autorin, einen handfesten Beitrag zur Gleichstellung der Frau geleistet. Die wenigsten Frauen dürften ihre verspielt-vulgäre Kolumnen im Hochglanzmagazin „Penthouse“ kennen, jetzt aber gebe es die 27 Stücke, die zwischen 2003 und 2008 unter der lustigen Rubrik „Sophies Welt“ erschienen seien, in einem unverfänglich bonbonpinkfarbenen Büchlein, in dem sich selbst auf dem Kinderspielplatz schmökern lasse.
Die implizite Empfehlung ihrer Texte (in etwa: Tue Schmutziges und rede darüber) befolge die Autorin selbst mit Liebe zum anatomischen Detail und einem eindrucksvoll differenzierten Vokabular für den geschlechtlichen Vollkontakt. Ob sich eine von der Allgegenwärtigkeit des Sexes liebesmüde gewordene Gesellschaft so von ihrem „libidinösen Overkill“ heilen kann, bliebe dahingestellt. Der nichtsdestoweniger lustvollen Lektüre gebe man sich am besten an schwülen Sommersonntagnachmittagen hin.
Richard Brautigan: „Willard und seine Bowlingtrophäen“. Ein grotesker Kriminalroman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Christiane Bergfeld. Theodor Boder Verlag 2008, 15,50 Euro
Sophie Andresky: Echte Männer. Was Frauen wirklich wollen. Haffmans bei Zweitausendeins 2008, 9,90 Euro
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Seite 32)
NACHGELESEN – Bücher heute in den Zeitungen
Belletristik
Johann Peter Hebel: Der Schuster Flink. Unbekannte Geschichten. Vorwort v. Daniel Kehlmann. Hrsg. v. Heinz Härtl. Wallstein 2008, 18 Euro
fr-online.de
Jörg Matheis: Ein Foto von Mila. C.H. Beck 2008, 18,90 Euro
fr-online.de
Joe Stretch: Widerstand. Aus dem Englischen von Volker Oldenburg. Rowohlt 2008, 19,90 Euro
„Süddeutsche Zeitung“ (Seite 14)
Jorge Edwards: Faustino. Roman. Aus dem Spanischen von Sabine Giersberg. Wagenbach 2008, 18,90 Euro
„Süddeutsche Zeitung“ (Seite 14)
Rolf Lappert: Nach Hause schwimmen. Hanser 2008, 21,50 Euro
„Die Zeit“ (Seite 48)
Matthias Politycki: In 180 Tagen um die Welt. marebuchverlag 2008, 24,90 Euro
„Die Zeit“ (Seite 48)
Sachbuch
Klaus-Michael Bogdal, Klaus Holz und Matthias N. Lorenz (Hrsg.): Literarischer Antisemitismus nach Auschwitz. J. B. Metzler 2007, 49,95 Euro
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Seite 32)
Franz Sommerfeld (Hrsg): Der Moschee-Streit. Kiepenheuer & Witsch 2008, 8,95 Euro
fr-online.de
Maximilian Dorner: Mein Dämon ist ein Stubenhocker. Aus dem Tagebuch eines Behinderten. Zabert Sandmann 2008, 16,95 Euro
„Süddeutsche Zeitung“ (Seite 14)
Frido Mann: Achterbahn. Ein Lebensweg. Rowohlt 2008, 19,90 Euro
nzz.ch
Abdourahman A. Waberi: In den Vereinigten Staaten von Afrika. Aus dem Französischen von Katja Meintel. Edition Nautilus 2008, 16,00 Euro
nzz.ch
Michael J. Sandel: Plädoyer gegen die Perfektion. A. d. Englischen v. R. Theuwsen. Berlin University Press 2008, 24,90 Euro
„Die Zeit“ (Seite 48)
Sun Shuyun: Maos Langer Marsch. Mythos und Wahrheit. A. d. E. v. H. Thies. Propyläen 2008, 22,90 Euro
„Die Zeit“ (Seite 49)
Algernon Blackwood: Die Weiden. Eine phantastische Geschichte und ein Reisebericht. Heinrich & Hahn 2007, 14,90 Euro
„Die Zeit“ (Seite 50)
Kinder & Jugendbuch
Hermann Vinke: Die DDR. Eine Dokumentation mit zahlreichen Biografien und Abbildungen. Mit einem Vorwort von Wolfgang Thierse. Ravensburger 2008, 19,95 Euro
„Die Zeit“ (Seite 51)
Jeanne Willis/Tony Ross: Kopf hoch, Fledermaus! A. d. E. v. S. Menge. Sauerländer 2008, 13,90 Euro
„Die Zeit“ (Seite 51)
Lois Lowry: Traumbringer. A. d. E. v. K. Diestelmeier. Carlsen 2008, 12,90
„Die Zeit“ (Seite 51)
VORAUSGESEHEN – Der Fernsehtipp
Literatur wird beim Kulturmagazin west.art im WDR Fernsehen heute groß geschrieben: Ab 22.30 Uhr geht es um Bestsellerautor Richard David Precht, der mit Lust an der Erkenntnis klug und humorvoll in die Welt des Denkens einführt, von der Hirnforschung über die Psychologie bis zur Philosophie. west.art hat den Mann getroffen, der alle wissensdurstig macht. Außerdem: Marcel Reich-Ranicki ist der Papst der Literaturkritiker. Nun wird seine bewegende Überlebensgeschichte aus dem Warschauer Getto verfilmt. Prominent besetzt mit Matthias Schweighöfer und Katharina Schüttler als seine Frau Tosia. Drehstart der WDR-Produktion war dieser Tage in Nordrhein-Westfalen. west.art war am Filmset dabei.
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