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Gamechanger auf Kosten des Buchhandels?

Wenige Tage, nachdem Joanne K. Rowling (Foto) die digitale Vermarktung ihrer „Harry Potter“-Serie bekanntgab, hat sich ein Sturm der Entrüstung im Buchhandel zusammengezogen. Hintergrund: Die Autorin will die E-Books ausschließlich über ihren eigenen „Pottermore“-Shop vertreiben. Internationale Medien diskutieren über die Frage, ob Rowlings Ansatz ein „gamechanger“ für die Industrie ist.

Wie der „Bookseller“ berichtet, hat sich inzwischen eine Pottermore-Sprecherin zu den Vorwürfen geäußert, die Autorin umschiffe den Buchhandel – besonders Waterstone’s hatte sich beklagt, dass Rowling ausgerechnet die Firmen, die einen großen Anteil am Erfolg der Bücher hätten, außen vor lasse. Der Hintergrund bestehe darin, so die Sprecherin, dass man sicherstellen wolle, dass die digitalen Bücher für alle Lesegeräte verfügbar sind und der Leser in den Genuss einer „Online-Lese-Erfahrung“ kommen solle. Die digitale Offensive werde dazu führen, dass die Bücher in allen Formaten, digital und gedruckt (neu) gelesen werden – dies werde auch einen positiven Effekt auf den Verkauf von Print-Ausgaben haben. 

Die Pottermore-Offensive wurde seit der Bekanntgabe am Donnerstag von zahlreichen Medien international und national aufgegriffen. Hier ein paar Stimmen und Einschätzungen:

  • Der „Bookseller“ zitiert den Agenten Jonny Geller (Curtis Brown), der in Rowlings Schritt einen „gamechanger“ für die gesamte Industrie sieht. „Wäre ich ein Autor mit einer starken Marke, würde ich meinen Verlag fragen, wie ich an eine Online-Community komme, die Rowling für sich aufbaut. Dies könnte ein Weckruf sein, um einen neuen Weg zu den Lesern einzuschlagen.“
  • „Publisher’s Weekly“ geht nicht davon aus, dass die Rowling-Offensive ein „gamechanger“ ist, da nur wenige Verlage und Autoren über eine ähnlich starke Marke oder Gefolgschaft wie die Potter-Mutter verfügten, um mit einem eigenen – exklusiv konzipierten – Shop-Konzept plus Community zu reüssieren; hinzu komme, dass nur wenige Autoren über ihre digitalen E-Book-Rechte verfügten. Heute seien Bücher-Deals ohne die E-Book-Rechte „fast unmöglich“. Die Frage sei jedoch, ob Rowling mit dem Buchhandel im Boot am Ende mehr E-Books verkaufen würde. Ihre Exklusivitäts-Strategie mache nur dann Sinn, falls es der Autorin primär darum geht, mehr Merchandising-Artikel zu verkaufen – dann seien entgangene E-Book-Absätze verschmerzbar.
  • Im „Daily Telegraph“ schimpft Richard Charkin, Chef beim „Harry Potter“-Verlag Bloomsbury, über (britische) Verlage, die auf territoriale E-Book-Rechte (Rechte, die bestimmen, in welchem Land eine digitale Ausgabe verkauft werden darf) pochen. Dies sei obsolet im Zeitalter der digitalen Bücher und ein Protektionismus.
  • Das „Handelsblatt“ (S. 31) widmet sich heute dem Imperium von Rowling, die durch 450 Mio weltweit verkaufter Bücher und sieben Filme zur kommerziell erfolgreichsten Autorin der Geschichte geworden sei. Laut „Forbes“ habe sie ein geschätztes Privatvermögen von 1 Mrd Dollar; der Gesamtumsatz der Harry-Potter-Industrie habe 10 Mrd Dollar erreicht.

Foto: Pottermore

Kommentare

1 Kommentar zu "Gamechanger auf Kosten des Buchhandels?"

  1. Jörg Hopfgarten | 29. Juni 2011 um 11:41 | Antworten

    Natürlich ist Pottermore ein Game Changer – ein nicht unerheblicher Teil des Bestsellergeschäfts bricht damit potentiell für Verlage und Buchhandel einfach weg, wenn die Autoren, die sich oder ihre Bücher zur eigenen Marke gemacht haben, gerade in den digitalen Wachstumsmärkten auf Direktvertrieb umschalten. Das wirft gerade für den Handel das komplette Geschäftsmodell um. Hier muss einerseits neu kalkuliert werden. Und andererseits muss jetzt die Suche nach der Zukunft des Buchhandels intensiviert werden – und die liegt in den Nischen.

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