Die Reform des Urheberrechts treibt Hochschullehrer und Verlage weiter um: In einem gemeinsamen Appell warnen der Deutsche Hochschulverband, die Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger, der Verband Bildungsmedien und der Börsenverein die Politik davor, die Bedingungen für Bildung, Forschung und Lehre auf Kosten von Autoren und Verlagen zu verbessern.
Die Bundesregierungskoalition aus CDU, CSU und SPD hat 2013 in ihrem Koalitionsvertrag die Absicht formuliert, durch eine Reform des Urheberrechts „den wichtigen Belangen von Wissenschaft, Forschung und Bildung stärker Rechnung tragen“. Konkret sind damit die Einführung einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke sowie Open-Access-Regelungen gemeint.
Während die Verfasser der Erklärung die geplanten Verbesserungen begrüßen, dürfe die Reform jedoch nicht zulasten der Urheber gehen. Auch in Zukunft müsse sichergestellt sein, dass ihre Leistungen und Investitionen sich am Markt refinanzieren lassen. Die Reformpläne kämen zudem für einige Verlage zur Unzeit, weil besonders kleine und mittelgroße Verlage durch die anstehenden Rückforderungen der Verwertungsgesellschaften wirtschaftlich unter Druck stehen.
Konkret stellen die Vertreter der Hochschullehrer und Verlage folgende Kernforderungen auf:
- Angemessene Lizenzangebote von Verlagen müssen gesetzlich Vorrang vor Schrankenvorschriften haben.
- Beschränkungen des Urheberrechts muss eine angemessene Kompensation für Autoren und Verlage gegenüberstehen.
- Eine faire und angemessene Vergütung muss werkbezogen und nicht pauschal erfolgen.
- Lehrbücher und didaktische Materialien müssen bei den geplanten Schranken ausgenommen werden.
- Wissenschaft braucht Wissenschaftsfreiheit: Autoren müssen selbst bestimmen können, an welchem Ort und in welcher Weise sie ihre Artikel und Bücher veröffentlichen.
Da auch auf EU-Ebene ein urheberrechtliches Reformpaket auf den Weg gebracht wurde, raten die Unterzeichner zudem zum Abwarten: „Das EU-Paket enthält auch Regelungen zum Bildungs- und Wissenschaftsbereich, die zuerst final vorliegen sollten, bevor der nationale Gesetzgeber selbst tätig wird.“
Eine recht merkwürdige Erklärung. Da wird mit Autoren argumentiert, bei denen, wie sie selbst es euphemistisch sagt, „nicht primär die Aussicht auf ein Honorar im Vordergrund“ steht, vulgo: die ohnehin keinen Cent mit ihrer Publikation verdienen. Warum sollten die gegen was auch immer was haben, das ihre Reichweite erhöht? Echt, sie brauchen die Verlage (in der Erklärung „Urheber“ genannt) für die „Zugänglichmachung und Sichtbarmachung ihrer Erkenntnisse“? Oder gar eine „effiziente und wettbewerbsfähige Veröffentlichungslandschaft“? – Das sind ulkige Aussagen angesichts des Umstands, dass das Library-Genesis-Cluster inzwischen die größte wissenschaftliche Internet-Buchplattform überhaupt darstellt; auch etwa Science Direct oder Springer Link können da nicht mehr mithalten. Und der Traffic der russischen Piraten steigt weiterhin exponentiell – wo mag der wohl herkommen? Ob unter den vielen Millionen Nutzern womöglich auch ein paar Wissenschaftsautoren sind?