Nina George und Matthias Hornschuh verfolgen, wie die EU versucht, Künstliche Intelligenz zu regulieren. Und sorgen sich um die Folgen der Verordnung für die Kreativen und die Kreativwirtschaft.
Die Europäische Union verhandelt aktuell über die Regulierung Künstlicher Intelligenz (KI). Der „AI Act“ hat gerade eine weitere Hürde genommen: Der Binnenmarktausschuss und der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten im EU-Parlament haben einen Entwurf angenommen, mit dem das Parlament in die weiteren Verhandlungen gehen soll. Neu dabei: Modelle wie GPT, die neue Inhalte schaffen (sogenannte generative KI), sollen zusätzliche Transparenzanforderungen erfüllen. So soll offengelegt werden, wenn Inhalte KI-generiert sind. Eine weitere Forderung: Modelle müssten so konzipieren sein, dass sie keine illegalen Inhalte generieren und auch keine Zusammenfassungen urheberrechtlich geschützter Daten veröffentlicht werden.
Matthias Hornschuh, Sprecher der Kreativen in der Initiative Urheberrecht, und Nina George, Präsidentin des European Writers’ Council, in dem sich europäische Autoren- und Übersetzerverbände zusammengeschlossen haben, beobachten den Gesetzgebungsprozess und sorgen sich um die Auswirkungen auf die Kreativwirtschaft.
Was befürchten Sie, falls generative KI weitgehend unreguliert bleibt?
Hornschuh: Im Papier der Initiative Urheberrecht zu den Plänen der EU für eine KI-Regulierung sind wir nicht allzu tief in die Spartenbetrachtung eingestiegen. Dafür haben wir übergeordnet das Wettbewerbsrecht und die drohenden Monopolisierungstendenzen in den Fokus gerückt. Wir haben es schon wieder mit den gleichen Anbietern zu tun, mit denen wir es in den letzten Jahrzehnten auch bei den Plattform-Auseinandersetzungen zu tun gehabt haben. Hier zeichnen sich Monopole und negative Auswirkungen auf Vielfalt und Nachhaltigkeit ab. Wenn ein Unternehmen wie Alphabet die komplette Wertschöpfungskette kontrolliert, wenn also die Basismodelle für die generative KI vorhanden sind, zudem die Plattformen für die Verbreitung der Inhalte und wenn somit die Möglichkeit entsteht, durch eine Flut hausgemachter KI-generierter Inhalte drittlizenzierte Inhalte zu marginalisieren, dann stehen wir vor einem Problem, das alle bisherigen Digital-Szenarien übersteigt.
Akuter ist für mich aber, dass die Ressortgrenze zwischen dem Urheberrecht und anderen Rechten kaum mehr Bedeutung hat. Wenn wir über KI sprechen, dann sprechen wir über Daten und Werke. Nehmen wir aber mal das prominente Beispiel von Emma Watson, deren Stimme geklont und dazu genutzt wurde „Mein Kampf“ vorzulesen. Man kann das als leistungsschutzrechtliches Problem begreifen, doch es geht um mehr. Hier wird die Verwendung einer Stimme von der Person abgekoppelt, daraus ergeben sich ganz neue Zusammenhänge, die so weitreichend sind, dass man sich nur irritiert die Augen reiben kann, dass der Gesetzgeber noch nicht eingegriffen hat. Wir sprechen hier nicht mehr nur über Urheberrechte und Vergütung, wir sprechen auch über Menschenwürde und informationelle Selbstbestimmung – und darüber, dass Menschen die Kontrolle über einen Teil ihrer Identität entrissen wird.
»Im Moment gibt es in der Verordnung, so lobenswert ihr Ansatz auch ist, nur zwei Artikel, die sich auf Kulturfragen beziehen, und die sind noch ziemlich vergurkt, weil sie der Komplexität – wirtschaftlich, ethisch, rechtlich, inhaltlich – nicht gerecht werden.«
Nina George
Immerhin muss man der EU zugute halten, dass sie sich in einer weltweit einzigartigen Initiative um Regulierung bemüht…
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