Die Feuilletonisten sind nicht begeistert von der Wahl Maja Haderlaps (2.v.re.) zur diesjährigen Bachmann-Preisträgerin. Ihr Text sei zwar überzeugend, aber nicht nur thematisch, sondern auch formal rückwärtsgewandt. Unabhängig von der Kritik – ein gutes Timing legt der Wallstein Verlag vor.
Haderlap konnte sich nach vier Wahlgängen in einer Stichwahl gegen Steffen Popp durchsetzen. Die Kärntnerin war von Daniela Strigl nach Klagenfurt eingeladen worden und präsentierte den autobiografisch geprägten Text „Im Kessel„, in dem es um einen Ausflug mit ihrem Vater geht, mit dem sie als junges Mädchen in den Wald fährt. Eingebettet in die Erzählung wird die Vergangenheit des Ortes, der slowenischen Volksgruppe, der sie angehört und damit auch die Nazizeit und der Partisanenkampf der Slowenen.
Für den Wallstein Verlag kommt der Preisgewinn seiner Autorin zum richtigen Zeitpunkt: Am heutigen Montag erscheint der Roman „Engel des Vergessens“ (18,90 Euro, ISBN: 978-3-8353-0953-1). Im Juli liest die Autorin in Österreich, ab September ist auch eine Lesereise in Deutschland geplant, heißt es beim Göttinger Verlag.
Update: Die erste Auflage (5000 Ex.) ist schon weg, ab Mittwoch kommt die zweite Auflage (10.000 Stück) in den Handel. „Unsere Botschaft an den Handel: Das Buch ist wunderbar verkäuflich“, schwärmt Verleger Thedel von Wallmoden. Der Lektor Thorsten Ahrend sei auf die Autorin aufmerksam geworden und habe sie in den Verlag geholt.
Stimmen aus den Feuilletons:
Die „taz“ gratuliert Haderlap „mit halben Herzen“, denn als Richtungsentscheidung sei die Wahl fatal. Denn formal sei Haderlaps Text rückwärtsgewandt, „im Grunde ist das noch Nachkriegsliteratur mit ihren gebrochenen Heldengeschichten. Steffen Popp dagegen steht für eine Autorengeneration, die Möglichkeiten der neuen Literatur neben den neuen Medien, also Ausdrucksformen der Gegenwart ausprobiert.“
Ähnlich argumentiert die „Welt“. „Im Kessel“ sei ein gutes Text, doch „wenn Klagenfurt auch der Ort für das Spannende und Neu, das So-noch-nie-Gelesene und Innovative ist, dann ist dieser Hauptpreis, bei allem Respekt, eine Fehlentscheidung.“
Die „FAZ“ lobt den „elegischen, stilsicheren Text“, der poetisch und abgründig sei – man hätte sich aber auch einen anderen Text durchaus vorstellen können. Grundsätzlich seien die Bachmann-Kritiker in diesem Jahr auf der Suche nach Kritikwürdigem „bis in die hintersten Winkel einer Geschichte“ gataucht, wo sie allerdings die immergleichen Schwächen gefunden hätten, darunter „stilistische Überinstrumentierung“, „Stilblüten und Bildbrüche“ oder „metaphorische Leerstellen“.
Mit der 1961 geborenen Maja Haderlap habe sich wie im Vorjahr eine nicht mehr ganz junge Autorin mit der „Literarisierung eigener Kindheitserfahrungen“ durchgesetzt, schreibt die „NZZ“. Ihr Romanauszug „Im Kessel“ sei eine ruhig und präzise erzählte Episode.
Die „Süddeutsche Zeitung“ spricht sich dafür aus, die Veranstaltung unter Artenschutz zu stellen, „denn eine vergleichbare Kombination von Lesen, Reden, Radeln, Schwimmen und Trinken in erholsamem Ambiente hat es sonst nie und nirgends gegeben.“ Doch dem „Betriebsausflug für deutschsprachige Textproduzenten und deren Entourage“ dürfe man fortan nicht mehr mit dem „Bierernst der Bedeutungssuche“ begegnen.
Neben dem Bachmann-Preis wurden am Sonntagmittag vier weitere Auszeichnungen vergeben:
- Den Kelag-Preis (10.000 Euro) erhielt – nach einer neuerlichen Stichwahl mit Nina Bußmann – der Autor Steffen Popp für seinen Text „Spur einer Dorfgeschichte„.
- Der mit 7500 Euro dotierte 3sat-Preis wurde an die Autorin Nina Bußmann verliehen („Große Ferien“).
- Diesjähriger Preisträger des Ernst-Willner-Preis, der mit 7000 Euro dotiert ist, ist Leif Randt („Schimmernder Dunst über Cobycountry“).
- Zuletzt wurde der mit 7000 Euro dotierte VILLI-Publikumspreis an den Autor Thomas Klupp verliehen („9to5 Hardcore“).
Zur Person: Maja Haderlap
Geboren 1961 in Bad Eisenkappel, lebt in Klagenfurt. Studium der Theaterwissenschaften und der Deutschen Philologie an der Universität Wien. Dramaturgie- und Produktionsassistentin in Triest und in Ljubljana. 1989 – 1992 Redakteurin und Herausgeberin der Kärntner slowenischen Literaturzeitschrift „mladje“. Seit 1989 Lehraufträge an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt. 1992 – 2007 Chefdramaturgin am Stadttheater Klagenfurt. Lyrik, Prosa, Essays und Übersetzungen aus dem Slowenischen ins Deutsche.
Frühere Preisträger:
2010 Peter Wawerzinek: Rabenliebe
2009 Jens Petersen: Bis dass der Tod
2008 Tilman Rammstedt: Der Kaiser von China
2007 Lutz Seiler: Turksib
2006 Kathrin Passig: Sie befinden sich hier
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