K.D. Wolff (Stroemfeld Verlag) skizziert seine Perspektive in der Debatte über Marktmacht und Machenschaften (Wolff: „Zwangsarbeitslager“) von Amazon. Der Verleger begrüßt, dass inzwischen so offen über Amazon diskutiert werde – dies wäre vor zwei Jahren nicht möglich gewesen. Dies sei ein großer Fortschritt. Mit Blick auf den Vorschlag der eBuch, dass Buchhändler einen einheitlichen Shop gegen Amazon aufbauen sollen (hier mehr), erklärt Wolff, aus Sicht der Buchhändler seien Buy-Local-Kampagnen Erfolg versprechender. „Das kann sich der Buchhändler vorstellen. Das heißt: Seine Kunden werden motiviert, mehr bei ihm einzukaufen, statt die Hälfte bei Amazon.“
Wolff hatte vor einem Jahr Strafanzeige gegen Amazon erstattet, weil Raubkopien von historisch-kritischen Ausgaben angeboten worden seien; kürzlich wurden die Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft eingestellt.
Im Interview erklärt Wolff, er verstehe die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht. Um zivilrechtlich gegen Amazon vorzugehen, dafür fehle es ihm an Geld.
Genau, Herr Bonik, Amazon ist bereits unser Gesetzgeber
geworden. Die Farm der Tiere erklärt es genauer. Und ihr Kommentar
bestätigt die schlimmsten Befürchtungen.
Das beantwortet meine Frage nicht. Muss ich wohl selber machen: Man kann Amazon so kritisch sehen, wie man will: Notice and Takedown funktioniert bei denen ziemlich gut (wie übrigens auch bei den meisten Filehostern). Da könnten sich viele, viele Akteure ein Beispiel nehmen, die offensichtlich gar nicht wissen, wie sie illegale Bereiche ihrer Websites in den Griff kriegen. Würde da eine allgemeine Selbstkontroll-Pflicht eingeführt (Abmahnanwälte würde das freilich freuen), könnten tausende von Seiten bzw. Firmen oder auch Unis dichtmachen. Übrigens auch viele Verlage, wie uns unser neuer Plagiats-Algorithmus verrät.
Die theoretische Alternative wären Konstrukte wie z. B. die Deep Package Inspection, die a) praktisch nicht funktionieren würde (Verschlüsselungen, Personalaufwand) und b) mit vielen Grundrechten (z. B. Fernmeldegeheimnis) kollidieren würde. Hinsichtlich b) wäre der Vergleich mit 1984 dann treffender als der mit Farm der Tiere (wenn Sie schon mit solchen Keulen fuchteln wollen).
Oder vielleicht (kicher) eine allgemeine Copyright-Kontrollstelle, angesiedelt z. B. beim Börsenverein, die jegliches (E-)Buch vor Erscheinen erstmal auf Urheberrechtsfragen abklopft? Na, Sie können sich denken, dass dann gar keins mehr erscheinen würde.
Aber Sie haben ja vielleicht bessere Ideen?
Ja, Amazon ist vorbildlich, sie scheinen unsere Gesetze zu ersetzen,
man muß bei Amazon nachfragen oder etwas beantragen, wenn
man seine Güter schützen lassen möchte, sonst wird es raubkopiert,
aber den Job machen sie gut.
Zwangsarbeiter sind Arbeiter, die mit rechtsradikalen Sekurity-Firmen
bis in die „Hotelzimmer“ überwacht wurden und von Amazon beauftragt
waren. Nennen Sie das eine freie Entscheidung von Menschen,
bewacht zur Arbeit zu fahren und gab es nicht mal ein Grundgesetz,
in dem stand, die Wohnung ist ein geschützter Raum, in dem nicht
mal die Polizei ohne richterlichen Beschluss eindringen darf?
„man muß bei Amazon nachfragen oder etwas beantragen“ – Ja, wie wollen Sie die Dinge denn anders regeln?
Zwangsarbeitslager?
„Wir haben nicht das Personal …“ – Tja, da kommt ein Verlag im Jahr 2013 offensichtlich nicht drumherum, sich welches zu besorgen. Antipiraterie ist heute eine zentrale Aufgabe für Verlage, und wer sie nicht erfüllen kann, muss sich leider eine andere Branche suchen.
Zumal es bei Amazon wirklich leicht ist. Haben wir neulich auch mal ein paar hundert Plagiate runternehmen lassen, ganz ohne gerichtliche Verfahren. Geht bei Amazon ruckzuck, innerhalb weniger Tage. In dieser Hinsicht eine ganz vorbildliche Firma. Kann ja sein, dass sie auch im Bereich Antipiraterie Zwangsarbeiter einsetzen, aber sie setzen immerhin überhaupt welche ein.
Da gibt’s wirklich andere Probleme. Man schaue sich mal an, wie schnell die Library Genesis nachlegt, inzwischen übrigens auch mit einem riesigen Angebot an deutscher Belletristik, und da übrigens auch mit vielen Büchern aus dem Backkatalog, die man ausschließlich bei diesen weltgrößten Buchpiraten kriegt. Angebot und Nachfrage …
Ganz vergessen auf der Liste der Argumente beim großen Amazon-Bashen: die vielen Plagiate, die von Self-Publishern produziert werden. Da könnte man argumentieren, dass „richtige“ Verlage natürlich immer erstmal gründlich prüfen, ob ihr Autor klaut. – Was, tun sie gar nicht …? Ohne Zwangsarbeiter ist das Urheberrecht vermutlich nicht mehr zu retten.