Liebe, Erotik, Leidenschaft und Schicksal sind die Zutaten des Lesefutters, das als Frauenunterhaltung zu den erfolgreichen Genres im Buchmarkt zählt. Die populären Bücher und Hefte stehen allerdings im Nebenmarkt stärker im Blickpunkt als im Buchhandel und auch viele Leserinnen tragen ihre Begeisterung für die leichte Liebeskost mit den einschlägigen Covern zwischen Romantik, Nackenbeißer-Hingabe und platter Erotik nicht offen zur Schau. Für Abhilfe kann das Digitalformat sorgen. Schließlich bietet es eine neutrale Verpackung.
Dass die Liebesschmöker als E-Books viel Potenzial haben, zeigt sich schon jetzt in den USA: Laut „New York Times“ sind „Romances“ eines der am schnellsten wachsenden Genres im US-amerikanischen E-Book-Markt. Für den „Kindle“-Reader hat Liebesromanschreiberin Nora Roberts inzwischen mehr als 1 Mio E-Books verkauft. Einen solchen Erfolg auf dem Amazon-Lesegerät erreichten neben ihr bisher nur Stieg Larsson und James Patterson.
„Liebesromane sind eine unserer größten und am schnellsten wachsenden Kategorien, insbesondere unter Kindle-Kunden“, erklärte Jeff Belle, Vize-Präsident von Amazon Publishing zum Start von Amazons Verlagsprogramm „Montlake Romance“. Unter dem Label plant Amazon ab Herbst 2011 eine breite Palette populärer Liebesromane, darunter romantische Spannungsliteratur, zeitgenössische und historische Liebesromane sowie Fantasy-Liebesschmöker (hier mehr).
Potenzial auch in Deutschland
In Deutschland sind die E-Umsätze – über alle Genres hinweg – derzeit noch marginal, so dass es für Trendaussagen noch zu früh ist. Dennoch prophezeien viele Verleger und Buchhändler besonders den elektronischen Liebesromanen ähnliche Chancen wie in den USA: „Wenn jemand fünf oder mehr Bücher im Monat liest, dann ist die Überlegung, sich die Bücher als E-Book zu besorgen, durchaus eine Frage, mit der sich Geld sparen lässt“, erläutert Ubooks-Geschäftsführer Andreas Reichardt eine mögliche wirtschaftliche Überlegung seiner Kunden.
„Als E-Book kann der Lesestoff schnell und komfortabel bezogen und gelesen werden“, ergänzt Gerd Robbertz, Geschäftsführer von buecher.de: „Wir sehen im E-Book-Bereich für Liebesgeschichten sprunghaftes Wachstum. Das wird im Print nicht zu beobachten sein.“ Auch bei Thalia geht man davon aus, dass Liebesromane als E-Books noch beliebter werden. Zahlreiche weibliche Vielleser würden zunehmend E-Reader nutzen, heißt es beim Filialisten, der seit Herbst mit dem Verkauf des eigenen „Oyo“-Readers Erfahrungen sammelt.
Liebes-Verlage setzen auf E-Books
Verlage mit Schwerpunkt Liebesroman können die Sicht der Buchhändler bestätigen. Nicole Lüdtke, Produktmanagerin des Cora Verlags: „Wir haben im letzten Jahr rund 200 E-Books auf den Markt gebracht. Die Verkaufszahlen haben uns so optimistisch gestimmt, dass wir nicht nur unsere Neuerscheinungen, sondern auch einen großen Teil unseres Bestandes in elektronischer Form anbieten werden.“ (Inzwischen ist die Zahl der E-Books laut Angabe des Vertriebspartners readbox auf über 1000 Exemplare gestiegen.) Matthias Heubach ist sowohl Software-Entwickler und IT-Berater als auch Verleger erotischer Unterhaltung (Blue Panther Books). Er macht nach eigenen Angaben deutlich höhere E-Book-Umsätze als andere Verlage, dementsprechend viel Potenzial sieht er im elektronischen Bereich.
Autoren hoffen auf größere Verbreitung
Auch die Liebesroman-Autoren (bzw. überwiegend Autorinnen), die sich im DeLiA-Verein zusammengeschlossen haben, setzen auf die E-Book-Schiene. „Viele Bücher unserer Mitglieder werden inzwischen von den Verlagen auch in elektronischer Form angeboten“, erzählt Autorin und DeLiA-Sprecherin Bettina Hennig: „Wir hoffen, dass E-Books sich weiter verbreiten und wir entsprechend mehr an den Büchern verdienen.“ Andererseits habe man aber auch Angst, dass es ihren populären Unterhaltungsromanen ähnlich geht wie der Musikbranche und der Lesestoff über digitale Tauschbörsen kostenlos verbreitet wird.
Leser sind offen für das Digitalformat
Lange haben die DeLiA-Mitglieder diskutiert, wie ihre Leser zu E-Books stehen. Letztlich sei das Interesse am neuen Format alters- und genreabhängig, resümiert Bettina Hennig die Debatte: „Für die Älteren bedeutet das Lesen eines Liebesromans einen Genuss, den sie mit einer Tafel Schokolade und einem echten Buch in der Hand genießen möchten. Jüngere Leser sind technikaffiner oder dem E-Book durch das Interesse an High-Fantasy oder Science-Fiction eher zugetan.“
Ein Blick auf die Online- und Videorezensionen auf den Random-House-Seiten verrät jedoch, dass auch Frauen jenseits des Teenager-Alters auf dem neuesten Stand der Technik sind: „Viele unserer Leserinnen ab 35 Jahren engagieren sich äußerst aktiv im Netz“, erläutert Sprecherin Susanne Grünbeck. Random House ist im E-Book-Segment überdurchschnittlich engagiert und bietet auch Liebesromane aus den Programmen Manhattan, Page & Turner und Goldmann im E-Format an.
Die Zielgruppe ist allerdings keineswegs homogen, auch weil der Begriff Liebesroman ein weites Spektrum hat: Zum Genre zählen romantische Liebesschmöker ebenso wie historische Frauenromane, Bücher für freche Frauen, erotische Liebesromane und die als Nackenbeißer bekannten Trivialromane.
Vampirromanzen erleichtern Akzeptanz
Der Schauplatz vieler Liebesromane hat sich in den letzten Jahren ins Fantastische verlagert. „Erst die Vampire haben den Liebesroman salonfähig gemacht“, erklärt Gerd Robbertz von buecher.de. „Die Cover sind mit einer neuen Ästhetik geschmacklich besser geworden, die Inhalte sind jedoch erotisch geblieben.“ Auf diese Entwicklung haben auch die Programmmacher von Lyx gesetzt: Im Portfolio des Verlags stehen Liebesgeschichten, die mit fantastischen oder kriminalistischen Elementen angereichert sind.
Vampirgeschichten seien jedoch nur ein aktueller Trend, heißt es bei Thalia. Den Liebesroman in seinen unterschiedlichen Facetten könnten sie zukünftig nicht ersetzen. Laut Ubooks-Verleger Reichardt hat der Bestsellererfolg der Vampirromanzen von Stephenie Meyer immerhin bewirkt, dass Liebesromane auch im Buchhandel stärker als Umsatzbringer erkannt werden, „dennoch ist die vermeintlich triviale Literatur vielen Branchenkollegen immer noch ein Dorn im Auge“. Verleger Matthias Heubach ergänzt: „Im Buchhandel haben wir das typische Henne-Ei-Problem: Der Buchhändler glaubt, es wäre dem Kunden peinlich, erotische Romane im Sortiment zu kaufen. Dem Kunden ist es aber nur peinlich, dass er aktiv danach fragen muss, weil er das Buch nicht im Laden findet. Würde der Buchhandel mit Erotik proaktiv umgehen und die Titel auf einem Büchertisch oder in einem eigenen Bereich präsentieren, würden die Titel vom Kunden auch gut angenommen werden.“
Keinerlei Berührungsängste sieht die Autorenvertreterin Hennig: „Da Liebesromane Bestseller sind, werden sie im Buchhandel gut und sichtbar platziert.“ Kleinere Sortimentsbuchhandlungen konzentrierten sich aber tatsächlich eher auf Bücher, die im Feuilleton besprochen werden. „Weil aber für den Buchhandel jedes verkaufte Buch ein gutes Buch ist, sind Liebesromane selbstverständlich auch in solchen Buchhandlungen zu haben; allerdings sind sie da nicht auf den Tischen platziert und stehen auch nicht im Schaufenster. Das würde diese Kundschaft eher befremden.“
Gute Vorsätze für den E-Book-Bereich
Verlage mit der Kernkompetenz Liebe und Erotik wollen ihr E-Book-Segment weiter ausbauen: Von Lyx sollen langfristig drei bis fünf neue elektronische Titel pro Monat angeboten werden. Matthias Heubach von Blue Panther Books will in diesem Jahr das Angebot an Apps auf fast allen Plattformen deutlich ausweiten. Auch Kollege Reichardt von Ubooks setzt vermehrt auf E-Books: „Es ist nach wie vor ein kleiner Markt, aber für einen kleinen Verlag kann ein kleiner Markt, wenn man ihn früh genug bedient, guten Ertrag abwerfen. Und das tut der E-Book-Markt bereits.“
Und der Leser, Pardon, die Leserin? Ungeduldig wartet sie auf die nächste Fortsetzung der Liebesgeschichte, schnell und komfortabel möchte sie diese erhalten, nur um sie ebenso schnell zu verschlingen wie den Vorgänger. Dass auf dem Cover ein Retter seiner Liebsten in den Nacken beißt, lässt sich nun unter dem elektronischen Deckmangel verhüllen.
Mehr zum Thema lesen Sie im buchreport.magazin 2/2011.
Vielen Dank für den Hinweis, ich habe die aktuelle Zahl ergänzt.