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Helena Adler über »Die Infantin trägt den Scheitel links«

In den aktuellen Frühjahrs-Programmen finden sich zahlreiche Romandebüts deutschsprachiger Autoren. buchreport stellt 14 dieser Newcomer in Steckbriefen vor. Heute: Helena Adler

Helena Adler, geboren 1983 in Oberndorf bei Salzburg in einem Opel Kadett, studierte Malerei am Mozarteum sowie Psychologie und Philosophie an der Universität Salzburg. Diverse Ausstellungen und Kunstaktionen, Veröffentlichungen in Anthologien und Literaturzeitschriften. Adler lebt als Autorin und Künstlerin in der Nähe von Salzburg. Ihr erster Roman „Die Infantin trägt den Scheitel links“ erscheint bei Jung und Jung. (Foto: Eva Trifft)

Mein Roman in drei Sätzen

Ich erzähle die Geschichte eines Bauernmädchens, eines Aschenputtels, das anstatt gläserner Schuhe dreckige Stallstiefel trägt. Es will die bösen Stiefschwestern zur „Ernte am Watschenbaum“ zwingen, und es gefällt ihm, wenn Hämoglobinrot auf den Asphalt spritzt, weil es einmal Jackson Pollocks drippings studieren möchte. Eine kratzbürstige Alice im Hinterland, die gelernt hat, sich zu wehren.

Mein Weg zu Jung und Jung

Nicht schnurstracks, aber unbeirrt und geradlinig, ohne Agent und ohne Hintertür. Ich bin eine Goschendiva aus der Provinz, der man einen Kontakt zum Drogenmilieu eher zutraut als zur Literaturszene, und habe niemanden gekannt. Ich habe dem Verlag den Anfang meines Buchs geschickt. Dass der Juror eines Literaturpreises, den ich vor einem Jahr bekam, dem Verlag meine Texte nahegelegt hat, als ich bereits mit meinem Lektor in Kontakt stand, hat mich gerührt.

Das Verdienst meines Lektors

Günther Eisenhuber hat mich nicht nur wahr-, sondern auch ernst genommen, obwohl mir Grammatik und Rechtschreibung Gräuel sind. Außerdem hat er mich vor Peinlichkeiten und selbstdarstellerischem Größenwahn wie jenem, der unten folgen wird, bewahrt. Jetzt, wo ich das ohne seinen Sanktus schreibe, fühle ich mich fast verunsichert. Aber auch nur fast.

Mein Eindruck von Literaturbetrieb und Buchbranche

Davon habe ich noch immer keinen Schimmer. Hauptsache mein Mann, mein Lektor und Houellebecq sind überzeugt.

Meine Lieblingsbuchhandlung

Am liebsten irgendetwas Verstecktes, Überwuchertes, ein winziger Laden, in den man nur gelangt, wenn man sich bückt, auch wenn man nur knapp an einer Kleinwüchsigkeit vorbeigeschrammt ist. Zwei Ohrensessel müssen drin sein und ein Kamin, dass es raucht.

Meine Lieblingsautoren

Elfriede Jelinek, Herta Müller, Clemens Setz, Michel Houellebecq, Sylvia Plath, Max Frisch, R.M. Rilke, Paul Celan, Ingeborg Bachmann, Peter Handke, Friedrich Nietzsche, Goethe, Schiller, D`Annunzio, Kafka, Camus. (Aus der Aufzählung ergibt sich kein Ranking.)

So lese ich

Gierig, maßlos wie beim Vanillekipferlfressen, aber doch anders, weil hier immer etwas übrig bleibt. Aber meistens lese ich nicht. Ich liege auf der Matratze und decke mich dekadent mit meinen Büchern zu. Es erquickt mich, wenn ich mit Jelinek, Beckett und Setz in einem Bett liege. So fühle ich mich nicht so nackt und bin beruhigt darüber, dass mir die Wörter nicht ausgehen.

Schreiben ist für mich

Überleben. Überlegen. Unterlegen.

Wenn ich nicht gerade schreibe …

… bin ich blass. Und denke übers Ernten nach. Ich stelle mir vor, dass ich in einem Jaguar XK 140 durch New York brause, während im Radio (= Welthintergrund) „The Bitter Sweet Symphony“ von The Verve läuft, ganz so wie bei „Cruel Intentions“, nur, dass ich weiße Handschuhe trage und eine Tschick im Mund, mein neuer Roman, der gerade zum Weltkulturerbe ernannt wurde, auf dem Beifahrersitz. Mein Gesicht auf den riesigen Leuchtreklamen am Times Square überstrahlt das leuchtende Logo von McDonalds. Samuel Beckett, Sylvia Plath, Ted Hughes, Rilke und all die oben genannten flankieren den Straßenrand und beklatschen mich auf meinem Weg zur Literaturnobelpreisrede, die ich am Broadway abhalte. Wenn alles vorbei ist, streife ich meine lästige Strumpfhose ab und lege mich endlich wieder hin.

 

Warum haben Sie dieses Debüt ins Programm genommen?

Anders als in vielen Debüts geht es bei Helena Adler nicht gezähmt zu, sondern mit Aufregung und Leidenschaft. Das zieht in die Geschichte hinein, nimmt einen mit.

Jochen Jung, Verleger

 

Debütanten im Frühjahr 2020 – im buchreport.magazin 01/2020

Kommentare

1 Kommentar zu "Helena Adler über »Die Infantin trägt den Scheitel links«"

  1. Mag Brigitte Waldhart | 23. Oktober 2020 um 7:53 | Antworten

    Helena Adler ist erfrischend „anders“, wie schon das Interview zeigt. Der Roman „Die Infantin trägt den Scheitel links“ ist inspirierend. „Alice im Hinterland“ – ein treffender Vergleich, der den hintergründigen Humor der Autorin zeigt. Ich hoffe, dass ich noch viel von dieser großartigen, jungen, österreichischen Schriftstellerin zu lesen bekomme.

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